Venus Primitiva
[205]
VENUS PRIMITIVA
O daß der Kuß doch ewig dauern möchte,
– starr stand, wie Binsen starr, der Schwarm der Gäste;
der Kuß doch ewig, den ich auf die Rechte,
tanztaumelnd dir auf Hals und Brüste preßte!
ich will nicht länger in verzücktem Harme
die liebekranken Glieder Nächtens dehnen;
„O komm, du Weib!“ entbreit’ich meine Arme ...
Oh komm! noch fühlt dich zitternd jeder Sinn,
fühlt wogend glühn, du Flammenkönigin,
im Aschenflor um dich die Kupferseide.
[206] Gieß aus in mich die Schale deiner Glut!
ich dürste nach der Sünde: nach dem Grauen
vor diesen Weh’n, die wühlend in mir brauen.
Es schießt die Saat aus ihrem dunklen Schooß,
die lange schmachtend lag in spröder Hülle;
ich will mich lauter blühn, lauter und los
Satt werden will ich meiner scheuen Lust:
oh komm, du Weib! nimm auf in deine Schale
die Furcht, die Sehnsucht dieser jungen Brust;
noch trank ich nie den Rausch eurer Pokale ...
o kämst auch Du so süß und so verstohlen:
so mondesweiß dich in die Sammetwogen,
den Purpurflaum der schwärzlichen Violen,
die ich dir streun will, an mich her zu betten,
enthüllten Göttlichkeiten sich entketten,
versink’ich – in den Teppich – deines – Leibes!