Untersuchungen über die Ursachen und Wirkungen der Kuhpocken

Textdaten
Autor: Edward Jenner
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Titel: Untersuchungen über die Ursachen und Wirkungen der Kuhpocken
Untertitel:
aus: Klassiker der Medizin
Herausgeber: Karl Sudhoff
Auflage: unveränderter Nachdruck von 1911
Entstehungsdatum: 1798
Erscheinungsdatum: 1968
Verlag: Johann Ambrosius Barth (Ausgabe 1911), Zentralantiquariat der Deutschen Demokratischen Republik (Nachdruck)
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Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer: Viktor Fossel
Originaltitel: An inquiry into the causes and effects of the variolae vaccinae, a disease discovered in some of the western counties of England, particularly Gloucestershire, and known by the name of the cow pox
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Kurt Stübers online library, Kopie auf Commons
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[1]

Klassiker der Medizin
herausgegeben von Karl Sudhoff


Edward Jenners

Doktors der Medizin, Mitgliedes der Königl. Gesellschaft
der Wissenschaften usw.

Untersuchungen

über die Ursachen und Wirkungen
der Kuhpocken

(1798)


Übersetzt und eingeleitet
von

Prof. Dr. Viktor Fossel


Leipzig
Verlag von Johann Ambrosius Barth
1911


[2]

Quid nobis certius ipsis sensibus esse potest, quo vera ac falsa notemus.[WS 1]

Lucretius.



Unveränderter Nachdruck
ZENTRALANTIQUARIAT

DER DEUTSCHEN DEMOKRATISCHEN REPUBLIK
LEIPZIG 1968

III/18/6 Ag 509/08/68

Einleitung.

[3] Der unermeßliche Segen, welchen E. Jenners Entdeckung der Kuhpockenimpfung über die Menschheit verbreitet hat, wird uns in vollem Lichte vergegenwärtigt, wenn wir die Geschichte der Pockenseuchen früherer Jahrhunderte überschauen. Welche entsetzliche Verwüstungen haben vordem die immer wiederkehrenden Blattern unter den Völkern angerichtet, Einkehr in den Palästen der Reichen wie in den Hütten der Armen gehalten, ganze Länderstriche mit Schrecken erfüllt. Die „Pockennot“ galt als ein unabwendbares Verhängnis, Hilfe dagegen als eitles Bemühen. So war das 18. Jahrhundert durch ein besonderes Blatternelend gekennzeichnet, der zwölfte Teil der Bevölkerung von der verheerenden Krankheit dahingerafft worden. Man versuchte zwar das Übel zu mildem, das Pockengift dadurch abzuschwächen, daß man gesunde Kinder – zumal während milderer Epidemien – absichtlich der Infektion mit Blatternkranken aussetzte, sie mit diesen zusammenlegte, oder ihnen Pockenschorfe in die Haut einrieb. Das damals als „Pockenkaufen“ im Volke übliche Verfahren trat aber zurück gegen das uralte, aus dem Orient stammende Vorbeugungsmittel der Inokulation oder Variolation.

Die durch Lady Montague, der Gemahlin des englischen Gesandten in Konstantinopel um das Jahr 1720 anfänglich in England, dann in ganz Europa bekannt gewordene Einpfropfung der Variola begegnete dem eifrigsten Lobspruch wie dem heftigsten Tadel, sie fand in der ersten Zeit nur spärlichen Zuspruch, um erst von den 60 ger Jahren an Boden zu gewinnnen, der gleichwohl beschränkt blieb. Denn die Inokulation, der man vielfach einen gelinden Verlauf der künstlich bewirkten Blatterneruption nachrühmte, hatte statt des vermeintlichen [4] Schutzes nicht selten Sterbefälle und schwere Erkrankungen im Gefolge. Sie barg außerdem und vornehmlich die Gefahr in sich, mit jedem Objekte eine Quelle weiterer Ansteckung zu schaffen, der Entstehung neuer Epidemien Vorschub zu leisten.

Und doch erschloß die Inokulation den Weg, der zur Vervollkommnung des Schutzes vor der Pockengefahr geleitet hat. Sie regte zum Versuch an, statt von den natürlichen Menschenblattern, aus den ihnen verwandten Tierpocken das schützende Fluidum zur Abwehr der Krankheit zu gewinnen. Die Inokulation war die Vorläuferin der Vaccination. Längst war es nämlich dem Volke bekannt, daß der am Euter der Kuh auftretende blatternartige Ausschlag nicht bloß ansteckend auf die übrigen Kühe des Gehöftes wirke, sondern auch auf das Gesinde, das mit dem Melken erkrankter Kühe beschäftigt war und dieses während einer späteren Pockenepidemie vor der Infektion geschützt blieb. Die unter den Landleuten in England, Frankreich und Norddeutschland überlieferte Erfahrung ermutigte in den letzten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts einzelne Laien und Ärzte, Kindern und Erwachsenen die Kuhpocken einzuimpfen, welche in der Tat gegen eine nachträgliche Inokulation sich unempfänglich erwiesen. Diese Wahrnehmung, der man zunächst keine größere Bedeutung beimaß, wurde erst geraume Zeit darnach ans Licht gezogen, als Jenners Entdeckung Aufsehen erregte. Denn Jenner allein gebührt das Verdienst, die Volkstradition aufgegriffen, das Samenkorn gepflegt und zu herrlicher Fruchtentfaltung entwickelt zu haben. Mit dem Scharfblicke eines hellen Kopfes erforschte er die Erscheinungen der Kuhpocken und ihrer Wirkungen am menschlichen Körper. Er begnügte sich dabei nicht mit gelegentlichen Versuchen oder zufälligen Erfahrungen anderer; nahezu 30 Jahre lang vertiefte er sich in das Studium der Vorgänge, nahm das Experiment zu Hilfe, stets und mit Vorsicht bedacht, gewonnene Resultate oder Fehlschlüsse durch sorgfältige Nachprüfung klar zu stellen. Eigene und fremde Zweifel überwindend, schritt er auf dem Wege echt wissenschaftlicher Beweisführung vorwärts, bis er die Ergebnisse seiner Beobachtung für hinreichend begründet erachtete. Und erst, nachdem er sie Freunden mitgeteilt und deren Billigung erhalten hatte, entschloß er sich, die ausgereifte Arbeit der Öffentlichkeit zu übergeben.

[5] Edward Jenner wurde als Sohn eines Geistlichen am 17. Mai 1749 zu Berkeley in der englischen Grafschaft Glou-cestershire geboren. Der wundärztlichen Laufbahn sich zuwendend, kam er 1770 nach London, wurde Schüler und Hausgenosse des großen Anatomen und Chirurgen John Hunter und von diesem Lehrer in seinem wissenschaftlichen Streben nachhaltig beeinflußt. Vom Jahre 1773 an als Arzt in Berkeley tätig und vielbeschäftigt, wegen seiner Liebenswürdigkeit, Bescheidenheit und universellen Bildung geschätzt, fand Jenner, der erst im reifen Alter (1792) den Doktorgrad erwarb, neben seiner Praxis noch immer Zeit zu Studien auf dem Gebiete der Natur- und Heilkunde. So hatte er schon von Kindheit auf an dem Auftauchen und Verschwinden der Pocken, sowie an der Inokulation ein Interesse, das sich steigerte, als er von dem Schutz akquirierter Kuhpocken gegen Variolaerkrankung erfuhr. Um das Jahr 1770 begann er selbständige Beobachtungen über die Vaccine, ihren Unterschied in echte und falsche, ihren Zusammenhang mit der Mauke der Pferde. Nach ausgedehnten Untersuchungen und Vergleichen der positiven wie negativen Erfolge der auf den Menschen übertragenen Kuhpocken gelangte er zu der Anschauung, daß nur die echte Kuhpocke und nur in einer gewissen Phase ihrer Entwicklung eine wirksame Haftung verspreche. Fortgesetzte Prüfung und Überlegung befestigten schon 1788 seine Annahme, daß die Vaccine den Menschen vor der Blatterinfektion schütze und die künstliche Überimpfung der Kuhpockenlymphe auf den menschlichen Organismus gerechtfertigt sei. Doch sollten noch weitere acht Jahre vergehen bis zur Verwirklichung dieser Idee.

Am 14. Mai 1796 vollzog Jenner die erste Impfung an dem achtjährigen Knaben James Phipps. Er verwendete hierzu nicht den Inhalt der originären Kuhpocke, sondern humanisierte Lymphe, indem er den Impfstoff einer Pustel entnahm, die sich die Viehmagd Sarah Nelmes beim Melken kranker Kühe infolge einer Verletzung an der Hand zugezogen hatte. Der Versuch glückte, ja zweimalige darauffolgende und resultatlos abgelaufene Blatterninokulationen bestätigten den Erfolg. Eine hierauf gegründete Abhandlung hatte Jenner 1798 an die Royal Society in London gesendet, aber mit dem warnenden Vermerk zurückerhalten, er möge den durch seine bisherigen Arbeiten erworbenen Ruhm nicht durch die gegenwärtige aufs Spiel setzen. Nach einer Reihe gleich günstiger [6] Probeimpfungen ging er endlich an die Publikation seiner Untersuchungen. Sie erschien Ende Juni 1798.[1]

Das unscheinbare, nur 75 Seiten umfassende Büchlein, anfänglich kühl aufgenommen, nur von wenigen Freunden ehrlich begrüßt, von ärztlichen Widersachern bekämpft, brach sich nach seinem Erscheinen nur langsam Bahn. Um den gewichtigen Einstreuungen und Anwürfen der Gegner Stand zu halten, gab Jenner im folgenden Jahre eine neuerliche Sammlung von Beobachtungen heraus[2], welche er 1800 mit einer dritten Abhandlung ergänzte[3] und darin die Irrtümer und Fehler, die andere Impfärzte, wie Woodville, Pearson u. a. m. begangen hatten, richtig stellte. Mittlerweile hatte aber Jenners Entdeckung immer mehr Anhänger unter den Ärzten gewonnen, Adel und Volk zur Vaccination bekehrt, die Welt mit Bewunderung erfüllt. Es war ein denkwürdiges Ereignis, als am 2. Juni 1802 das Parlament Jenners Verdienste mit einer Dotation von 10000 Pfund Sterling belohnte, ein Dankesgeschenk, das die Vertreter des Landes am 29. Juli 1807 mit einer zweiten Ehrengabe von 20000 Pfund erneuerten. Aller Ruhm vermochte aber des Entdeckers lauteren Charakter nicht zu ändern, seine Genügsamkeit und Freude am Landleben nicht umzustimmen. Dem Rufe, sich dauernd in London niederzulassen, widerstand er beharrlich, er weilte mit Vorliebe in Cheltenham und Berkeley, unterstützte mit ansehnlichen Geldopfern die Förderung der Impfung und baute seinem Stammimpfling James Phipps ein Haus, in dessen Garten er eigenhändig Rosen pflanzte. Jenner starb am 26. Januar 1823 in seinem Heimatsorte. England errichtete 1857 auf dem Trafalgar-Square in London sein Standbild, dem großen Wohltäter der Menschheit zu Ehren.

Jenners berühmte Schrift über die Ursachen und Wirkungen der Kuhpocken, heutzutage ein höchst selten gewordenes Druckwerk, gibt ein getreues Bild seiner Untersuchungen. Mit der Schilderung der Pferdepocken und Kuhpocken [7] beginnend, beschreibt er die gelegentlich von Personen erworbenen Vaccinepusteln und gedenkt des im Volke überlieferten Glaubens an deren Schutzkraft gegen Variola. An praktischen Beispielen wird erklärt, wieso es komme, daß nur die echte Kuhpocke innerhalb einer bestimmten Frist nach der gelegentlichen Erwerbung imstande sei, Unempfänglichkeit gegen Variola zu bewirken, mag diese von Inokulation oder Infektion herrühren. Der Mensch könne wiederholt an Kuhpocken erkranken und dadurch seine Widerstandskraft erhöhen. (Fall 1–12.) Die Kasuistik über den Schutz, welchen von Pferdeblattern befallene Personen gegen das Pockengift erweisen, beschränkt sich auf zwei positive und eine negative Beobachtung. (Fall 13–15.) Die beiden nächsten Fälle beziehen sich auf die oben erwähnte Abnahme des Impfstoffes von Sarah Nelmes und die Impfung von James Phipps. An die mitgeteilten 23 Beobachtungen knüpft der Autor den Ausdruck der Genugtuung darüber, daß es ihm gelungen sei, die von einem Menschen zum anderen vermittelte Impfmaterie durch fünf Gradationen fortzupflanzen, ohne daß sie an Kraft Einbuße erlitten habe. –

Im zweiten Teil der Abhandlung wird eingangs dem gemeinsamen Ursprunge der Pferde- und Kuhpocken eine neuerliche Besprechung zuteil, sodann der Krankheitsverlauf der Vaccine an Kühen und Menschen gewürdigt. Der Warnung vor verhängnisvollen Impffehlern folgt die Aufzählung der bei Vornahme der Vaccination erforderlichen Kautelen. Den Schluß bildet die Abschätzung der Vorzüge der Kuhpockenimpfung vor der Inokulation. Erstere biete wesentlich höhere Sicherheit, der vereinfachte Eingriff sei nur von leichter Erkrankung begleitet und setze den Kranken und seine Umgebung nicht jenen Gefahren aus, welche die Einpfropfung der Menschenblattern mit sich bringt.

Schon oben geschah des Beifalls Erwähnung, mit welchem Jenners Entdeckung von den Zeitgenossen war aufgenommen worden. Dennoch kamen nicht die Stimmen zum Schweigen, die auf die Mängel und Unverläßlichkeit der Erfindung hinwiesen. Waren viele Vorwürfe an sich grundlos, so ließen sich andere auf die fehlerhafte Wahl des Impfstoffes, Leichtfertigkeit der Technik oder absichtliche Entstellung einwandfreier Tatsachen zurückführen. Nur zwei Anschuldigungen waren ernster Natur und wurden unmittelbar nach dem Erscheinen des ersten Schriftstückes erhoben: die von Jenner so nachdrücklich behauptete [8] Abstammung der Kuhpocke von der Mauke der Pferde und die Frage des dauernden Impfschutzes. Die Mauke-Theorie erwies sich, wie spätere Forschungen lehrten, als unhaltbar, während die Zweifel an der unbegrenzten Schutzkraft der Kuhpocken vom Beginne an in weitere Kreise drangen. Jenner selbst war von dem sicheren Schutze der einmalig vollzogenen Vaccination überzeugt und von diesem Glauben zeitlebens nicht mehr abzubringen. Eine schwere Täuschung zwar, aber sie ist nicht imstande gewesen, den unvergänglichen Wert der Schöpfung zu beeinträchtigen. Ebensowenig vermochte der nach wenigen Dezennien einreißende Niedergang der Impfung den Ruhm des Begründers irgendwie zu erschüttern.

Die im Verlaufe des Säkulums erschienenen Epidemien lieferten ein reiches Material, um die Impfergebnisse von mehr als fünf Dezennien zu überblicken, den Anteil Geimpfter wie Ungeimpfter an der Blatternkrankheit zu ermessen. Die allerwärts gepflogenen Nachforschungen erbrachten unwiderlegbare Beweise von der Schutzwirkung der Vaccination, indem sie übereinstimmend bezeugten, wie verschwindend gering unter den Pockenkranken die Zahl der Geimpften war und welche Höhe das Kontingent Ungeimpfter unter ihnen erreicht hat.

Dem Ansturm der Impffeinde setzten die Freunde der Schutzpockenimpfung die sachliche Prüfung und Beurteilung der erhobenen Klagen entgegen und führten gleichzeitig die Sicherung und Klärung der Unvollkommenheiten sowie die Aufdeckung aller jener Mängel herbei, welche dem Impfwesen der Zeit anhafteten. Von ihren Regierungen unterstützt, schritten die Ärzte an den Ausbau der Lehre und Praxis der Vaccination, die auf Grundlage der Wiederimpfung und der Verwendung von animaler Lymphe einen mächtigen Aufschwung erfahren sollte.

Ein geniales Ahnungsvermögen hat Jenner auf die so bedeutsam gewordene Immunisierung hingelenkt, den menschlichen Organismus gegen die Ansteckung der Variola durch Einverleibung eines schwächeren Krankheitserregers zu schützen, die Virulenz des Blatternstoffes durch das Gift der verwandten, unschädlichen Kuhpocken lahmzulegen. Die Errungenschaften der jüngsten medizinischen Forschung, die auf Abwehr und Bekämpfung der Infektionskrankheiten abzielen, haben die Grundsätze des großen Arztes von Berkeley auf das glänzendste bestätigt und sein Andenken von neuem verherrlicht.

Vorwort.

[9]

C. H. Pary, Doktor der Medizin in Bath.
Mein lieber Freund!

Im gegenwärtigen Zeitalter der wissenschaftlichen Forschung ist es merkwürdig, daß eine Krankheit von so eigentümlicher Natur, wie die Kuhpocken, die schon seit einer Reihe von Jahren in dieser und einigen benachbarten Grafschaften erschienen ist, so lange der Aufmerksamkeit der Ärzte entging. Da ich fand, daß sowohl unter den Männern unseres Berufes wie unter Laien höchst schwankende und unklare Kenntnisse über diesen Gegenstand bestehen und überzeugt war, daß hierüber angestellte Nachforschungen ebenso wissenswert wie nützlich sein würden, so habe ich eine genaue Untersuchung der Ursachen und Wirkungen dieser eigenartigen Krankheit vorgenommen, soweit es die lokalen Umstände gestatten.

Die folgenden Blätter sind das Ergebnis, das mit den Gefühlen liebevollster Achtung

Ihnen gewidmet wird von
Ihrem aufrichtigen Freunde
Edward Jenner.

Berkeley in Gloucestershire, am 21. Juni 1798.


Untersuchungen.

[10] Die Abweichung des Menschen von dem Zustande, in welchen ihn ursprünglich die Natur versetzte, scheint für ihn eine ergiebige Quelle von Krankheiten geworden zu sein. Durch Prunkliebe, Neigungen zum Luxus und Vergnügen hat er sich selbst mit einer großen Zahl von Tieren vertraut gemacht, die anfänglich zu seiner Gesellschaft nicht bestimmt gewesen sein mochten.

Der Wolf, seiner Wildheit entäußert, wird jetzt im Schoße der Damen gehätschelt.[4]) Die Katze, der kleine Tiger unserer Insel, der in Wäldern zu hausen pflegte, ist heutzutage ein beliebtes Haustier. Die Kuh, das Schwein, das Schaf und das Pferd sind verschiedener Zwecke wegen dem Vergnügen und der Gewalt der Menschen dienstbar.

Die Pferde leiden in diesem Zustande der Zahmheit häufig an einer Krankheit, welche die Hufschmiede Mauke (the Grease) genannt haben. Es ist dies eine Entzündung und Anschwellung an der Ferse, aus der eine Materie von ganz besonderer Eigenschaft ausfließt, die im menschlichen Körper (nämlich anders geartet, wie gezeigt werden wird) eine den Blattern so ähnliche Krankheit erregt, daß ich ganz und gar nicht bezweifle, die Blattern selbst hätten aus dieser Quelle ihren Ursprung genommen.

In dieser Molkerei-Gegend wird eine große Zahl von Kühen gehalten und das Melken unterschiedslos von Knechten und Mägden verrichtet. Wenn zufällig ein Bursche auf die mit der Mauke behafteten Pferdefüße Umschläge legt, auf Sauberkeit nicht achtet und mit seinen vom ansteckenden Eiter [11] beschmutzten Fingern das Melken der Kühe vornimmt, so ereignet es sich häufig, daß die Krankheit von der infizierten Hand den Kühen, von den Kühen aber den Milchmägden mitgeteilt wird, welche das Übel auf das ganze Gehöft und den übrigen Viehstand verbreiten, bis die Dienstleute die unangenehmen Folgen verspüren. Von daher hat die Krankheit den Namen Kuhpocken erhalten. Sie erscheint zuerst an den Eutern der Kühe in Form unregelmäßiger Pusteln. Wo sie hervortreten, zeigen sie öfters eine blaßbläuliche oder gewissermaßen eine mehr livide Färbung und sind von einer rotlaufartigen Entzündung umgeben. Werden nicht geeignete Mittel angewendet, so pflegen diese Pusteln zu fressenden Gerschwüren auszuarten, die große Belästigung verursachen.[5] Das Vieh wird kränklich und sondert nur wenig Milch ab. Einzelne entzündete Pusteln erscheinen jetzt an verschiedenen Stellen, vorwiegend an den Händen der mit Melkarbeit beschäftigten Personen und nicht selten an den Handgelenken, worauf sie rasch in Eiterung übergehen und zuerst die Gestalt kleiner Brandblasen annehmen. Zuweilen werden die Phalangen und Fingerspitzen ergriffen; aber wo immer sie auftreten, stets bietet die oberflächliche Entzündung, sofern es die Lage des Ortes gestattet, eine kreisförmige Figur dar, deren Peripherie das Zentrum überragt und annähernd von bläulicher Färbung ist. Es kommt zu einer Resorption und in jeder Achselhöhle tritt eine Anschwellung auf. Der ganze Organismus wird ergriffen, erhöhte Pulsfrequenz, Frostschauer, allgemeine Mattigkeit, Lenden- und Rückenschmerz, Brechreiz treten hinzu, die Kranken klagen über Völle des Hauptes und verfallen zeitweilig in Delirien. Diese mehr oder weniger schweren Symptome halten meist 1, 2, 3 oder 4 Tage an. An den Händen bleiben geschwürige Stellen zurück, die je nach der Empfindlichkeit der Stellen höchst belästigend sind, gewöhnlich langsam heilen und häufig fressend werden, ähnlich jenen, woher sie entspringen. Die Lippen, Nasenlöcher, Augenlider und andere Partien des Körpers sind mitunter von Geschwüren bedeckt. Aber dies rührt augenscheinlich davon her, [12] wenn sich die Kranken unnötig mit den infizierten Fingern gerieben oder gekratzt haben. Soweit ich wahrnehmen konnte, habe ich niemals an Kranken beobachtet, daß unter abgeschwächten und zurücktretenden Fiebererscheinungen ein Ausschlag auf der Haut zutage getreten wäre, einen einzigen Fall ausgenommen, in welchem schließlich ein ganz geringes Exanthem auf dem Arm erschien. Es war von kleiner Form und lebhaft geröteter Farbe, verschwand bald ohne Tendenz zu Eiterung, so daß ich nicht bestimmen kann, ob es mit den vorgenannten Symptomen in Zusammenhang stand.

Auf diese Weise wird die Krankheit von den Pferden auf die Euter der Kühe und von diesen auf den menschlichen Körper verbreitet.

Die Krankheitsmaterie verschiedener Gattung vermag, wenn sie im Organismus absorbiert wird, ähnliche Wirkungen hervorzurufen. Aber es ist eine besondere Eigenschaft des Kuhpockengiftes, daß der Mensch, der von ihm ergriffen worden ist, späterhin gegen die Ansteckung der Menschenblattern geschützt bleibt. Denn sei es, daß er sich den Ausdünstungen der Blattern aussetzt oder das Gift der Variola der Haut selbst einverleibt wird, niemals wird die Blatternkrankheit zum Ausbruch kommen.

Zum Beweis dieser außerordentlichen Tatsache will ich dem Leser eine große Zahl von Beispielen vorlegen.[6]

1. Fall.

[13] Josef Merret, gegenwärtig Gemüsegärtner des Grafen von Berkely, war 1770 Knecht auf einer benachbarten Meierei und hatte in der Folgezeit die Kühe seines Herrn zu melken. Mehrere Pferde des Pachtgutes laborierten an Hufgeschwüren, die Merret wiederholt anrührte. Bald darauf wurden die Kühe von Kuhpocken befallen und an Merrets Händen erschienen Geschwüre; Schwellung und Härte der Achseldrüsen folgte, er erkrankte mehrere Tage hindurch derart, daß er außerstande war, seine gewöhnliche Arbeit zu verrichten. Bevor sich die Krankheit unter den Kühen gezeigt hatte, war weder eine neue Kuh in das Gehöft gebracht, noch einer der beschäftigten Dienstboten von den Kuhpocken angesteckt worden.

Im April 1795 wurde dort eine allgemeine Blatterninokulation vorgenommen und ihr Merret wie seine Familie unterzogen. Es war also seit seiner Erkrankung an Kuhpocken ein Zeitraum von 25 Jahren vergangen. Obgleich der Blatternstoff wiederholt auf seinen Arm übergeimpft wurde, so gelang es mir nicht, ihn damit zu infizieren. Nur eine einzige Effloreszenz, die ein rotlaufartiges Aussehen um das Zentrum herum hatte, war nahe den Impfstellen erschienen. Während der ganzen Zeit, als die Seinen an den Blattern krank lagen, und eines darunter zahlreiche Pusteln aufwies, blieb er mit ihnen zu Hause, doch er zog sich, obgleich dem Kontagium ausgesetzt, keinerlei Schaden zu.

Es ist notwendig zu beachten, daß die größte Sorgfalt aufgewendet wurde, um mit peinlicher Genauigkeit zu ermitteln, ob nicht einer von jenen, deren Geschichte hier mitgeteilt wird, schon die Blattern durchgemacht hat, bevor diese Versuche gemacht wurden.

Wären diese Experimente in einer großen Stadt oder in der volkreichen Nachbarschaft durchgeführt worden, so könnten einige Zweifel dabei in Betracht kommen. Aber hier, wo die Bevölkerung spärlich ist und man an ein Ereignis, wie die überstandene Blatternkrankheit einer Person sich getreu erinnert, kann die Gefahr der Ungenauigkeit in solchen Dingen nicht zutreffen.

2. Fall.

Sarah Portlock in dieser Stadt wurde vor 27 Jahren, als sie bei einem Pächter in der Nachbarschaft als Magd diente, [14] von Kuhpocken befallen.[7] Sie hielt sich daher gegen Blatternansteckung gesichert und stillte im Jahre 1792 eines ihrer Kinder, das zufällig davon ergriffen worden war. Sie selbst blieb von Unwohlsein verschont, obgleich sie diese Zeit in dem infizierten Raume zubrachte. Die Blatternmaterie wurde auf ihre beiden Arme eingeimpft, doch ohne anderen Erfolg, als im vorigen Falle.

3. Fall.

Johann Philipps, ein Handwerker dieser Stadt, hatte die Kuhpocken zur Zeit, als er 9 Jahre alt war. Im Alter von 62 Jahren habe ich ihn inokuliert und wählte hierzu sorgfältigst eine Materie von kräftiger Beschaffenheit aus. Sie wurde vom Arme eines Kindes kurz vor Beginn des Fiebers, das die Erruption zu begleiten pflegt, entnommen und sofort übertragen. In demselben Momente verspürte der Kranke das Gefühl eines Nadelstiches. Es entwickelte sich eine Rötung, die am 4. Tage sich verbreitete, der Kranke empfand etwas Schmerz und Härte an der Schulter. Am 5. Tage begannen jedoch diese Symptome abzunehmen und 1 oder 2 Tage darauf vollständig zu verschwinden, ohne irgend welche Wirkung am Körper zu hinterlassen.

4. Fall.

Marie Barge aus Woodford in diesem Kirchspiel, wurde im Jahre 1791 mit Blatternstoff inokuliert. Es erschien alsbald eine Effloreszenz von blaßrötlicher Färbung an der Impfstelle, nahm erheblich an Umfang zu, verschwand aber innerhalb weniger Tage, ohne daß es zu blatternartigen Erscheinungen gekommen wäre.[8] Von dieser Zeit an hatte sie wiederholt [15] Wartedienste bei Blatternkranken versehen, blieb jedoch von der Ansteckung befreit. Diese Frauensperson war vor 31 Jahren, als sie bei einem Meier in dieser Pfarre als Magd diente, von den Kuhpocken befallen worden.

5. Fall.

Frau H., eine angesehene Dame unserer Stadt, hatte in zarter Jugend die Kuhpocken durchgemacht. Die Art der Ansteckung war eine ganz ungewöhnliche. Sie hatte verschiedene Geräte in Händen gehabt, welche das Gesinde zu benützen pflegte, das sich das Leiden beim Melken kranker Kühe geholt hatte. [9] Auf ihren Händen traten viele Kuhpockengeschwüre auf, teilten sich der Nase mit und riefen eine stark entzündliche Schwellung hervor. Kurz nach diesem Ereignis war Frau H. der Ansteckung durch Menschenblattern ausgesetzt, denen sie bei etwaiger Inklination zu dieser Krankheit gewiß nicht entronnen wäre, da sie unausgesetzt einen Blutsverwandten pflegte, der an schweren Blattern darnieder lag und daran starb.

Als im Jahre 1778 in Berkeley eine Blatternepidemie herrschte, hielt sich Frau H. durchaus nicht vor der Ansteckung gefeit, obzwar sie sich ihr ohne alle Schädigung ausgesetzt hatte. Ich inokulierte sie mit dem kräftigsten Blatternstoffe; es trat die gleiche Erscheinung, wie in den vorerwähnten Fällen zutage, nämlich eine Effloreszenz am Arme, ohne jegliche Änderung des körperlichen Befindens.

6. Fall.

Unter unseren Milchmeiern ist es eine wohlbekannte Tatsache, daß jene Personen, welche die Menschenblattern überstanden haben, von den Kuhpocken entweder gar nicht oder nur in leichtester Form ergriffen werden. Sobald sich die Seuche unter dem Vieh zeigt, werden, soweit dies geschehen kann, solche Leute auserlesen, die eine geringere Aufnahmsfähigkeit erwarten lassen, weil sonst das Geschäft der Meierei kaum zu bewältigen wäre.

Im Mai 1796 brachen die Kuhpocken im Hofe des Herrn B. aus, welcher als Pächter nahe unserem Orte lebt. Die Krankeit [16] wurde durch eine infizierte, auf dem benachbarten Viehmarkte gekaufte Kuh eingeschleppt. Nicht eine einzige von des Pächters Kühen (es waren deren dreißig), die zur Zeit gemolken wurden, entging der Ansteckung. Das Gesinde bestand aus einem Knecht, zwei Mägden und einem jungen Burschen, welche mit dem Meier zusammen zweimal des Tags die Melkarbeit besorgten. Unter ihnen hatten schon alle die echten Pocken überstanden, mit Ausnahme der Magd Sarah Wynne. Die Folge war, daß der Meier wie der junge Bursche von den Kuhpocken vollständig verschont blieben, während der Knecht und eine der Mägde nur ein Geschwür an einem der Finger ohne weitere Begleiterscheinung davontrugen. Die andere Magd jedoch, Sarah Wynne, bisher von Variola befreit, kam nicht so leicht weg. Sie zog sich das Übel von den Kühen zu, bot die oben beschriebenen Symptome in so heftigen Grade, daß sie an das Bett gebannt und mehrere Tage außerstand war, ihre gewöhnliche Arbeit im Hofe zu versehen.

Am 28. Mai 1797 habe ich dieses Mädchen inokuliert, indem ich den Stoff mittels zweier seichter Schnitte am linken Arm applizierte. Es stellte sich wie gewöhnlich um die Impfstelle eine oberflächliche Entzündung ein, am 5. Tage jedoch verschwanden die Symptome vollständig, ohne eine Wirkung im Organismus zurück zu lassen.

7. Fall.

Obgleich die vorhergehende Erzählung ziemlich deutlich beweist, daß der Körper kaum gegen das Kuhpockenkontagium empfänglich ist, wenn er die Blattern überstanden hat, und obgleich im allgemeinen, wie ich beobachtet habe, jene, die die Blattern gehabt haben und mit dem Melken pockenkranker Kühe sich beschäftigen, entweder der Krankheit entgehen oder nur Geschwüre an der Hand ohne sonstiger Unpäßlichkeit sich zuziehen, so ist dennoch die tierische Ökonomie einer Abänderung in dieser Hinsicht ausgesetzt, wie die folgende Mitteilung zeigen wird.

Im Sommer 1796 traten in der Meierei des Herrn Andrews, einer ansehnlichen Milchwirtschaft, nicht weit vom Städtchen Berkeley gelegen, die Kuhpocken auf. Eingeschleppt wurde die Krankheit gleichwie in einem der vorigen Fälle durch eine auf dem benachbarten Viehmarkte gekaufte Kuh. Die [17] Familie bestand aus dem Meier, seinem Weib, zwei Söhnen, einem Knecht und einer Magd. Mit Ausnahme des Meiers, der vor der Ansteckung sich fürchtete, beteiligten sich die übrigen am Melkgeschäfte. Alle außer dem Knecht hatten schon die Menschenblattern durchgemacht, doch entging in diesem Falle kein einziger von denen, die molken, der Ansteckung. Unter allgemeinem Unwohlsein traten bei ihnen Pusteln an den Händen auf mit vorheriger Schmerzhaftigkeit und Anschwellung der Achseldrüsen. Doch alle diese Affektionen waren kaum zu vergleichen mit der Heftigkeit der Krankheit, die den Knecht befiel, der von der Variola verschont geblieben war. Er mußte längere Zeit das Bett hüten, während die anderen ohne große Beschwerden imstande waren, die gewohnten Geschäfte zu verrichten.

Am 13. Februar benutzte ich selbst die Gelegenheit, diesem Knechte, namens Wilhelm Rodway, die Menschenblattern zu inokulieren, indem ich ihm die Materie auf beiden Armen einimpfte, am rechten Arm durch Schnitte, am linken durch mehrere Stiche. Am 3. Tage war an beiden Armen eine Entzündung wahrnehmbar, welche sich in folgenden Tagen auf die Umgebung der Pusteln beschränkte. Aber an der Stelle der vorgenommenen Schnitte zeigte sich ein leichter Rotlauf, der bis zum 8. Tag andauerte, unter Hinzutritt eines unbestimmten Schmerzes in der rechten Achsel, welcher ungefähr eine halbe Stunde lang den Kranken quälte. Rasch darauf schwand die Entzündung, ohne im geringsten ein Zeichen der Mitleidenschaft des Körpers hervorzurufen.

8. Fall.

Elisabeth Wynne, 57 Jahre alt, lebte vor 38 Jahren als Magd auf einer benachbarten Meierei. Sie war damals Milchmagd, als die Kuhpocken unter dem Vieh ausbrachen. Sie sowohl wie das übrige Gesinde wurde infiziert; aber im Vergleich mit den anderen war ihre Krankheit so gering, daß nur eine schwache Pustel am kleinen Finger der linken Hand ohne sonstiges körperliches Unwohlsein auftrat. Da die Erkrankung bei ihr so milder Art war und sich erst in so später Periode ihres Lebens zeigte, so nahm ich Anlaß, die Wirkung der Blatternmaterie an ihr zu erproben. Ich impfte sie am 28. März 1797, indem ich zwei Einschnitte am linken Arm [18] machte und sorgfältig den Blatternstoff einrieb. Eine kleine Effloreszenz kam bald zum Vorschein. Bis zum 3. Tage spürte die Kranke an der Insertionsstelle ein stechendes Gefühl, als beide Symptome aufhörten und am 5. Tage augenscheinlich jede weitere Unpäßlichkeit ausgeschlossen werden konnte.

9. Fall

Wenngleich die Kuhpocken den Körper vor den Menschenblattern schützen und die Variola gegen ihr eigenes zukünftiges Gift Sicherheit gewährt, so kann es doch geschehen, daß der menschliche Organismus immer wieder zur Aufnahme des Kuhpockengiftes empfänglich sich erweist, wie folgendes Beispiel lehrt:

Wilhelm Smith, aus dem Flecken Pyrton im hiesigen Kirchspiele, zog sich während seines Aufenthaltes auf einem benachbarten Hofe dieses Leiden im Jahre 1780 zu. Eines der Pferde der Meierei hatte Fußgeschwüre und ihn traf das Los, es zu warten. Auf diese Weise ging das Übel auf die Kühe und von diesen auf Smith über. An einer seiner Hände traten mehrere kleine Geschwüre auf und die oben beschriebenen Symptome gesellten sich dazu.

Im Jahre 1791 brachen die Kuhpocken in einem anderen Gehöfte, wo er Dienst genommen, aus, er wurde zum zweitenmal von Kuhpocken befallen, die er fatalerweiser im Jahre 1794 wiederum bekam. Sowohl bei der zweiten wie bei der dritten Erkrankung hatte er den gleich schweren Verlauf wahrgenommen.[10]

Im Frühjahre 1795 wurde an ihm die Inokulation der Blattern zweimal ausgeführt, ohne daß der Körper auf irgend eine Weise vom Pockengifte wäre tangiert worden. Von nun an stand er Blatternkranken schwersten Grades zur Seite, blieb aber vor jedem Unfall gefeit.

10. Fall.

Simon Nichols war im Jahre 1782 bei Herrn Bromedge, einem Edelmanne, der auf dem eigenen Gut in dieser Pfarre wohnte, als Gehilfe bedienstet. Er hatte ein mit Fußgeschwüren [19] behaftetes Pferd zu pflegen und gleichzeitig beim Kuhmelken mitzuhelfen. Infolgedessen wurden die Kühe angesteckt; aber die Krankheit zeigte sich erst dann an ihren Eutern, nachdem Nichols vor mehreren Wochen begonnen hatte, das Pferd zu warten. Er verließ den Dienst bei Herrn Bromedge und wandte sich einer anderen Meierei zu, ohne Pusteln an sich zu haben. Kurze Zeit darauf schwollen aber beide Hände in üblicher Weise an und er war sehr unpäßlich unter den bekannten Symptomen. Da er die Natur der Krankheit vor Herrn Cole, seinem neuen Herrn, verheimlichte und nunmehr beim Melken Verwendung fand, so wurden die Kuhpocken den Kühen mitgeteilt.

Einige Jahre später war Nichols auf einer Meierei, wo die Blattern grassierten. Ich inokulierte ihn zugleich mit anderen Patienten, mit denen er die ganze Zeit über die Haft teilte. Sein Arm war entzündet, aber weder die Entzündung noch die Gemeinschaft mit der inokulierten Familie übte die geringste Wirkung auf seine Konstitution aus.

11. Fall.

Wilhelm Stinchcomb war mit dem genannten Nichols auf der Meierei des Herrn Bromedge als Knecht bedienstet zur Zeit, als unter dem Vieh die Kuhpocken herrschten und er unglücklicherweise angesteckt wurde. Seine linke Hand war durch mehrere fressende Geschwüre schwer angegriffen, eine bedeutende Geschwulst bildete sich unter der Achsel der gleichen Seite; die rechte Hand wies nur ein geringes Geschwür auf, die rechte Achselhöhle war intakt.

Im Jahre 1792 wurde Stinchcomb mit Pockenmaterie geimpft, doch keine anderen Folgen stellten sich ein, als eine leichte Entzündung am Arme, die aber in wenigen Tagen verschwand. Eine große Zahl Personen wurde zu dieser Zeit inokuliert; einige von ihnen litten darunter mehr, als es sonst nach der Inokulation der Fall zu sein pflegt. Er weilte absichtlich bei den Geimpften, konnte aber die Blattern nicht bekommen.

Während des Abtrocknungsstadiums mehrerer seiner Genossen erinnerten ihn die Symptome so lebhaft an den eigenen Zustand beim Abtrocknen der Kuhpocken, daß er ganz zutreffend ihre auffallende Ähnlichkeit wahrnahm.

[20]

12. Fall.

Die Armen des Dorfes Tortworth in unserer Grafschaft hatte der Chirurg von Berkeley, Heinrich Jenner, im Jahre 1795 mit Variolamaterie geimpft. Unter ihnen waren acht Personen, die in verschiedenen Perioden ihres Lebens die Kuhpocken schon überstanden hatten. Eine von ihnen, Hester Walkley, behandelte ich an dieser Krankheit, als sie im Jahre 1782 im Dienste eines Meiers in demselben Dorfe stand. Aber weder dieses Weib, noch ein anderer der Patienten, welche früher die Kuhpocken gehabt hatten, bekam die Blattern, weder vom Arme aus, noch durch den gemeinsamen Aufenthalt mit den übrigen Kranken, welche damals inokuliert wurden. Dieser Zustand von Sicherheit war um so mehr eine glückliche Fügung, als einige der armen Weiber damals schwanger waren.

13. Fall.

Ein Fall ist mir vorgekommen, wo der Organismus eines Menschen von der aus den Pferdehufen abfließenden Materie affiziert und durch deren Überreste späterhin gegen die Blatternansteckung unempfänglich wurde; in einem anderen Falle waren die Blattern spärlich erschienen, und ein dritter Fall ist zu verzeichnen, in welchem der vollständige Blatternausbruch tatsächlich erfolgte.

1. Thomas Pearce, der Sohn eines Schmiedes und Hufarztes in unserer Nachbarschaft, litt nie vorher an Kuhpocken. Wie er aber in der Folge als Knabe die mit Hufgeschwüren behafteten Pferde ebenso wie sein Vater behandelte, entwickelten sich an den Fingern einige kleine Geschwüre, die in Eiterung übergingen, wobei er am übrigen Körper nicht unbeträchtlich erkrankte. Nach Ablauf von sechs Jahren inserierte ich zu wiederholtenmalen an seinem Arme eine Pockenmaterie, ohne imstande zu sein, mehr zu erzielen, als eine leichte Entzündung, die sehr bald nach der Applikation des Stoffes erschien. Ich setzte ihn später dem Blatternkontagium aus, doch ohne den geringsten Erfolg.[11]

[21]

14. Fall.

2. Der Landwirt Herr Jacob Cole in unserem Kirchspiel zog sich die Krankheit aus der gleichen Quelle zu, auf die ich im vorigen Falle hingewiesen habe. Einige Jahre danach wurde er mit Blatternstoff geimpft. Er hatte etwas Schmerz unter der Achsel und Unwohlsein durch zwei oder drei Tage. Einzelne Pusteln erschienen auf der Stirne, doch verschwanden sie bald, ohne in Eiterung überzugehen.

15. Fall.

Obschon in den beiden vorigen Fällen es wahrscheinlich ist, daß der Körper vor der Blatternkrankheit geschützt ist, wenn lediglich der aus den Hufgeschwüren von Pferden stammende Inhalt resorbiert wird, so liefert das folgende Beispiel den Beweis, daß man sich nicht darauf verlassen kann, solange nicht die Krankheitsmaterie vom Pferde auf die Kuheuter übertragen und durch deren Vermittlung endlich dem menschlichen Organismus mitgeteilt wird.

Als Herr Abraham Riddiford, Landwirt in Ston in dieser Pfarre, eine an Hufgeschwüren laborierende Stute verbunden hatte, wurde er von schmerzhaften Geschwüren an beiden Händen, Schwellung der Achselhöhlen und heftigem allgemeinen Unwohlsein befallen. Ein benachbarter Wundarzt behandelte ihn, der die Ähnlichkeit zwischen den auf seinen Händen erschienenen Geschwüren und den Kuhpocken erkannte. Da er den Einfluß dieser Krankheit auf den menschlichen Körper richtig zu beurteilen imstande war, versicherte er ihn, er würde von der Ansteckung durch natürliche Blattern verschont bleiben. Doch diese Vorhersage erwies sich als eine Täuschung; denn er geriet nach einem Zeitraum von 20 Jahren in Ansteckungsgefahr, akquirierte die Blattern, die einen regelmäßigen, milden Verlauf nahmen. Hier waltete sicherlich eine Differenz in der ganzen Erscheinung der Pusteln und jener, die wir gewöhnlich sehen, vor, obgleich sie nicht leicht zu beschreiben ist. Andere Ärzte, die den Patienten auch besuchten, waren meiner Meinung; um aber jeden Verdacht an der wahren Natur der Krankheit [22] zu beseitigen, habe ich mehrere Personen dieser Familie mit dem Pustelinhalt inokuliert, worauf die Blattern unter den normalen Erscheinungen folgten.

16. Fall.

Sarah Nelmes, eine Viehmagd in unserer Nachbarschaft, wurde im Mai 1796 von den Kühen des Gehöftes mit Kuhpocken infiziert. Die Ansteckung ergriff gerade eine Stelle an der Hand, wo sie sich kurz zuvor mit einem Dorn geritzt hatte. Eine große geschwürige Pustel gesellte sich zu den üblichen Symptomen der Krankheit. Sie bot den ausgesprochenen Charakter der Kuhpocken, wie sie auf den Händen aufzufahren pflegen, so daß ich auf der beifolgenden Tafel das Bild wiedergegeben habe.[12] Die zwei kleinen Pusteln am Handgelenke entsprangen auch von der Einwirkung des Virus auf die unbedeutenden Hautabschürfungen. Aber die livide Färbung, die einige immer aufweisen, war zur Zeit nicht erkennbar, als ich die Patientin sah. Die Pustel am Zeigefinger zeigt die Krankheit in einem früheren Stadium. Sie war tatsächlich nicht auf der Hand dieses jungen Weibes aufgetreten, sondern wurde einer anderen Kranken entnommen und in der Absicht beigefügt, um die Krankheit zu veranschaulichen, wie sie frisch entstanden war.

17. Fall.

Um den Verlauf der Infektion noch genauer zu beobachten, impfte ich einem gesunden achtjährigen Knaben die Kuhpocken ein. Der Stoff stammte aus der Pustel des Armes einer Milchmagd[13], die sich bei den Kühen ihres Herrn angesteckt hatte, und wurde am 14. Mai 1796 mittels zweier seichter Hautschnitte, von denen jeder halb daumenbreit war, dem Arme des Knaben appliziert.

Am 7. Tage klagte er über Schwere in der Achsel, am 9. Tage befiel ihn ein leichter Frost, er verlor den Appetit und hatte geringen Kopfschmerz. Während des ganzen Tages war er offensichtlich krank und verbrachte die Nächte in Unruhe, doch am nächsten Tage fühlte er sich wiederum wohl.

[23] Die Erscheinung an den Einschnittsstellen war in ihrem Fortschreiten bis zum Stadium der Eiterung ganz dieselbe, wie sie in ähnlicher Weise bei der Blatternmaterie zustande kommt. Nur darin habe ich einen Unterschied beobachtet, daß der Zustand der dünnen Flüssigkeit von der Aktion des Virus herrührte und später eine dunklere Farbe annahm, sowie daß die Effloreszenz um die Einschnitte sich erstreckte, mehr ein erysipelatöses Aussehen hatte, als wie wir es gemeiniglich beobachten, wenn die Blatternmaterie in derselben Weise gewirkt hat. Doch alles dies trat zurück, an der Insertionsstelle bestanden zwar noch Krusten und Schorfe, ohne mir oder meinem Patienten die geringste Sorge einzuflößen.

Um mir größere Gewißheit zu verschaffen, ob dieser vom Virus der Kuhpocken in so milder Form infizierte Knabe gegen Variola immun wäre, unterzog ich ihn am 1. Juli der Impfung mit der aus einer Pustel entnommenen Blatternmaterie. Sie wurde auf beiden Armen nach Vornahme mehrerer Einstiche und Schnitte sorgfältig übertragen, doch zu einem Ausbruch der Blattern kam es nicht. Dieselben Erscheinungen traten an den Armen auf, wie sie an einem Kranken sich einzustellen pflegen, welchem der Blatternstoff inseriert worden ist, nachdem er entweder Variola oder Kuhpocken durchgemacht hatte. Nach Ablauf einiger Monate wurde er neuerlich mit Blatternmaterie inokuliert, doch zeigte sich keinerlei sichtbare Wirkung am Körper. –

Jetzt wurden meine Untersuchungen unterbrochen bis zum Frühjahr 1798, als bei feuchter Witterung mehrere Pferde der Pächter in der Nachbarschaft an Hufgeschwüren erkrankten und demzufolge die Kuhpocken in einigen unserer Milchwirtschaften ausbrachen. Sie verschafften mir Gelegenheit, weitere Beobachtungen über diese merkwürdige Krankheit anzustellen.

Eine Stute, die der Eigentümer von einer benachbarten Meierei gekauft hatte, erkrankte Ende Februar 1798 an Hufgeschwüren, die von den Dienstleuten des Gehöftes gereinigt wurden. Von jetzt an zogen sich Thomas Virgoe, Wilhelm Wherret und Wilhelm Haynes Pusteln an den Händen zu, mit darauffolgender Entzündung der Lymphdrüsen, Arme und Achseln, unter Frost und Hitze, Abgeschlagenheit und Kreuzschmerzen. Die Erkrankung war mit einem einmaligen Paroxysmus zu Ende, denn innerhalb 24 Stunden erholten sie sich vom allgemeinen Unwohlsein, nur die Pusteln an den Händen blieben [24] bestehen. Haynes und Virgoe, welche schon vorher die inokulierten Blattern durchgemacht hatten, beschrieben ihre Empfindungen als denen der vormaligen Krankheit ganz ähnliche. Wherret hatte die Blattern noch nicht gehabt. Haynes war vorher im Gehöft mit dem Melken der Kühe beschäftigt gewesen und die Krankheit begann unter den Kühen sich zu zeigen 10 Tage, nachdem er zum erstenmal die Hufe der Stute gewaschen hatte. An ihren Eutern erschienen die gewöhnlichen bläulichen Pusteln, die nach Anwendung der gebräuchlichen Mittel ohne Geschwürsbildung bald sich verloren.

18. Fall.

Johann Backer, ein Knabe von 5 Jahren, wurde am 16. Mai 1798 inokuliert mit dem Inhalte einer Pustel von der Hand des Thomas Virgoe, eines der Knechte, die von den Hufen der Stute infiziert worden waren. Am 6. Tage zeigten sich die Symptome, die den Begleiterscheinungen der Kuhpocken am meisten ähneln. Am 8. Tage war er wieder vollständig wohl. Hier fand einigermaßen eine Abweichung in der Erscheinung der Pustel am Arme statt. Obgleich sie eine gewisse Ähnlichkeit mit einer Blatternpustel aufwies, so war doch diese Ähnlichkeit nicht so deutlich, als wenn sie aus der Materie vom Euter der Kuh herstammte oder wenn die Materie von hier aus durch das Medium des menschlichen Körpers hindurch gegangen wäre.

Dieses Experiment wurde zu dem Zweck unternommen, um den Verlauf und die nachfolgenden Wirkungen der so weitverbreiteten Krankheit sicherzustellen. Wir haben gesehen, daß das Virus vom Pferde, wenngleich es auf den Menschenleib ansteckend wirkt, doch den Organismus nicht vor der Blatterninfektion zu schützen vermag, hingegen der vom Euter der Kuh gewonnene Stoff dies vollkommen imstande ist. Ob es vom Pferde durch den menschlichen Körper hindurchgehend, wie im vorliegenden Falle, eine ähnliche Wirkung hervorrufen wird, bleibt der Entscheidung vorbehalten. Dies wäre jetzt erreicht worden, aber der Knabe war zur Vornahme der Inokulation untauglich, er akquirierte in einem Volkshause ein kontagiöses Fieber, bald nachdem dieses Experiment angestellt worden war.

[25]

19. Fall.

Wilhelm Summers, 5 ½ Jahre alt, wurde am gleichen Tage wie Backer mit der Materie geimpft, die vom Euter einer im vorerwähnten Hofe infizierten Kuh entnommen war. Am 6. Tage begann er zu kränkeln, erbrach einmal und litt bis zum 8. Tage unter den üblichen leichten Symptomen. Der Verlauf der von dieser Materie produzierten Pustel war jenem, dessen wir im 17. Falle erwähnten, ähnlich, nur mit der Ausnahme, daß sie von der lividen Farbe frei war, die man an jenem Beispiel beobachten konnte.

20. Fall.

Mit dem von Wilhelm Summers entlehnten Stoffe wurde Wilhelm Pead, ein Knabe von 8 Jahren, am 28. März geimpft. Am 6. Tage klagte er über Schmerz unter den Achseln, am 7. Tage stellten sich die Erscheinungen ein, die den Ausbruch der eingepfropften Variola begleiten und bei ihm drei Tage anhielten. So vollständig war die Ähnlichkeit mit dem Variolafieber, daß ich die Haut aufmerksam untersuchte, ob nicht irgendwo eine Pustel sich zeigte. Aber nirgends war dies der Fall. Die rote Effloreszenz um die Stiche am Arme war so streng charakteristisch wie jene, welche als Folge der Pockeninsertion zu erscheinen pflegt, daß ich ihre Figur vorführen zu müssen glaubte.[14] Die Zeichnung wurde angefertigt, als die Pustel abzufallen begann und die Abtrocknung von der Mitte gewichen war.

21. Fall.

Am 5. April wurden mehrere Kinder und Erwachsene vom Arme Wilhelm Peads geimpft. Die Mehrzahl fing am 6. Tage zu erkranken an, am 7. Tage war sie wohlauf. Doch bei dreien trat eine sekundäre Erkrankung auf, im Zusammenhange mit einer ausgedehnten erysipelatösen Entzündung am geimpften Arme. Es hatte den Anschein, als hätte sie sich aus der ausgebreiteten Pustel entwickelt, begleitet von einiger Schmerzhaftigkeit, und im Halbdurchmesser eines Sechs-Pence-stückes. Einer der Patienten war ein Kind von einem halben [26] Jahr. Nach Einreibung der entzündeten Partie mit Merkurialsalbe (einem unter gleichen Umständen bei eingepfropften Blattern gerühmten Mittel) schwand die Krankheit ohne weitere Störung.

Der Anna Excell, einem gesunden Mädchen von 6 Jahren, und einer der obengedachten Kranken wurde das Pockenvirus in der Weise beigebracht, daß unter der Armhaut an drei verschiedenen Stellen Einschnitte vorangingen. Die nach 12 Tagen hervortretenden Pusteln waren den durch die Blatterninokulation erzielten Pusteln derart ähnlich, daß ein erfahrener Inokulator kaum die Spur eines Unterschiedes in dieser Periode entdeckt haben würde. Die Erfahrung hat mich jetzt belehrt, die Variation bestehe mit ihren Folgen nur darin, daß die Flüssigkeit bis nahe zur Zeit ihres gänzlichen Verschwindens dünn bleibt und nicht, wie es in den echten Pocken zu beobachten ist, eiterig wird.

22. Fall.

Vom Arme dieses Mädchens wurde der Stoff abgenommen und am 12. April übergeimpft auf die Arme des 1 ½ Jahre alten Johann Macklowe, Robert Fr. Jenner, 11 Monate alt, Maria Pead, 5 Jahre alt und Maria James, 6 Jahre alt.

Unter ihnen blieb Robert Jenner vom Virus unberührt. Die Arme der drei anderen entzündeten sich auf die gewöhnliche Weise und sie begannen krank zu werden. Aus Besorgnis, es könnte wie im früheren Falle ein Rotlauf hinzutreten, entschloß ich mich zu einem Versuch in der Absicht, dessen Ursache zu beseitigen. Nachdem damit im Zusammenhang die Kinder darauf ein Unwohlsein etwa in der Dauer von 12 Stunden befallen hatte, brachte ich an der aus dem Virus produzierten Pustel ein schwaches Ätzmittel in Anwendung, das zu gleichen Teilen aus lebendem Kalk und Seife bestand und 6 Stunden lang auf der Applikationsstelle belassen wurde.[15] Es schien zwar den Kindern einigen Schmerz zu bereiten, aber tatsächlich erreichte ich meine Absicht, das Auftreten des Erysipels zu verhindern. Ja es schien noch mehr zu leisten, denn eine halbe Stunde nach der Applikation hatte [27] das Unwohlsein der Kinder aufgehört.[16] Diese Vorsichten waren vielleicht unnötig, denn beim 3. Kinde, Maria Pead, das sich mit dem gewöhnlichen Verlaufe begnügte, war der Arm in kurzer Zeit abgetrocknet, ohne Hinzutritt eines Erysipels.

23. Fall.

Vom Arme dieses Kindes wurde die Materie abgenommen und dem siebenjährigen Kinde J. Barge eingeimpft. Am 8. Tage begann es krank zu werden; die Krankheit verlief in normaler Weise, begleitet von den gewöhnlichen Symptomen, ohne Entzündung am Arme über den Umkreis der auftretenden Pustel hinaus, die doch am häufigsten nach der Insertion des Blatterngiftes erscheint.

Nachdem ich öfter und zwar ohne Erfolg versucht hatte, die Blattern den Leuten, die vormals von Kuhpocken ergriffen waren, einzuimpfen, schien es mir weder nötig noch zweckmäßig, alle, die Gegenstand dieses letzten Experiments waren, zu inokulieren. Doch hielt ich es für wünschenswert, die Wirkung des Blatterngiftes an einigen von ihnen in Erfahrung zu bringen, insbesondere an Wilhelm Summers, dem ersten Kranken, der mit einem von der Kuh stammenden Stoffe sich infiziert hatte. Er wurde deshalb mit der aus einer frischen Pustel entleerten Pockenmaterie inseriert. Aber wie im vorhergehenden Falle ergab sich am Körper durchwegs kein Zeichen einer Ansteckung. Gelegentlich habe ich an diesem Knaben und an Wilhelm Pead durch meinen Neffen Heinrich Jenner die Insertion der Variola vornehmen lassen. Er berichtete mir folgendes: „Ich habe Pead und Barges inokuliert, zwei der Knaben, die Sie kürzlich mit Kuhpocken geimpft haben. Am 2. Tage waren die Einschnittstellen entzündet und hier ein blasser, entzündlicher Fleck bemerkbar. Am 3. Tage nahmen alle Symptome unter lebhaftem Jucken der Arme zu. Am 4. Tage war die Entzündung offenbar in Abnahme, am 6. Tage kaum mehr sichtbar. Andere Merkzeichen einer Erkrankung waren nicht gefolgt.“ Um mich selbst von der vollkommenen Wirksamkeit der Blatternmaterie zu überzeugen, inokulierte ich zu gleicher Zeit einen Kranken, der niemals an den Kuhpocken [28] laboriert hatte, worauf die Blattern in regulärer Weise auftraten.

Diese Experimente haben mich sehr zufriedengestellt, weil sie bewiesen, daß die von einem Menschen auf den anderen vermittelte Materie durch fünf Gradationen nichts von ihren Eigenschaften verliert. J. Barge war der fünfte, der sukzessive die Infektion von Wilhelm Summer empfangen hat, jenem Knaben, auf welchen sie von der Kuh übertragen worden war.

[Schlußfolgerungen]

[WS 2]

Ich werde jetzt diese Untersuchung mit einigen Bemerkungen über diesen und einige verwandte Gegenstände abschließen.

Obgleich ich annehme, es würde unnötig sein, weitere Beweise meiner Behauptung zu erbringen, „daß die Kuhpocken den menschlichen Körper vor der Blatterninfektion schützen“, so verschafft es mir doch hohe Befriedigung, sagen zu können, daß Lord Sommerville, der Präsident der Landwirtschaftsgesellschaft, dem diese Schrift von Herrn Josef Banks gezeigt worden war, bezüglich der Untersuchung gefunden habe, es seien die Darstellungen durch das übereinstimmende Urteil des Herrn Dolland, eines Wundarztes in einer entfernten Molkengegend, bestätigt worden. Hinsichtlich seiner Meinung: „die Quelle der Infektion wäre eine spezifische im Pferde entstehende Krankheitsmaterie“ war ich allerdings nicht imstande, dies auf Grund der unter meinen Augen vollzogenen Experimente zu prüfen, doch halte ich die angeführten Beweise für hinreichend begründet.

Diejenigen, welche nicht genug bewandert sind, Experimente anzustellen, können nicht ermessen, wie viele Umstände notwendigerweise übereinzustimmen haben, um eine vollkommene Entscheidung zu fällen. Wie oft sind nicht mit berufsmäßigen Forschungen beschäftigte Männer zu Unterbrechungen gezwungen, die nahezu das vereiteln, was sie zu beendigen im Begriffe sind. Und dennoch habe ich keinen Anlaß, in Beziehung auf den gemeinsamen Ursprung der Krankheit unschlüssig zu sein, weil ich wirklich überzeugt bin, daß sie niemals unter den Kühen erscheint (nur den Fall ausgenommen, wo sie von einer schon infizierten und der Herde zugewachsenen Kuh oder von einer schon angesteckten Magd herrühren könne), es wäre denn, [29] sie würden von Leuten gemolken, welche zu gleicher Zeit die Hufgeschwüre erkrankter Pferde behandeln.

Das Frühjahr 1797, das ich ganz besonders zur Vollendung meiner Untersuchung in Aussicht genommen hatte, entsprach wegen des trockenen Wetters meinen Absichten nicht im geringsten. Denn oftmals ereignete es sich, daß die Pferde der Pächter zur Zeit der kalten Regengüsse an der Fußkrankheit zu leiden hatten, während in der Nachbarschaft nirgends die Kuhpocken anzutreffen waren.

Die Aktionskraft des an den Pferdehufen haftenden Virus entfaltet am meisten seine Steigerung, nachdem es auf die Euter der Kühe übergegangen ist; sowie es selten vorkommt, daß Pferde ihre Wärter mit Geschwüren anstecken, ist es auch selten der Fall, daß eine Milchmagd, wenn sie infizierte Kühe melkt, dem Kontagium entgeht. Es ist am wirksamsten zu Beginn der Krankheit, gerade bevor es ein eiterähnliches Aussehen gewonnen hat. Dennoch getraue ich mir nicht zu behaupten, daß die Eigenschaft der Materie, sobald sie zur Form des Eiters gerinnt, vollständig zerstört würde.[17] Ich bin der Meinung, die Wirkung werde erlöschen und jene zarte, dunkelfarbige Flüssigkeit die Krankheit weiter erzeugen, welche aus frischen Hufgeschwüren sich absondert, ähnlich jener, die manchmal in Rotlaufblasen sich bildet und die Krankheit veranlaßt. Doch bin ich nicht sicher, ob der Euter der Kühe jederzeit vom Virus affiziert werden könne. Das Auftreten der Krankheit im Lenz und Frühsommer, wo sie für spontane Ausschläge weit mehr empfänglich sind, als zu einer anderen Jahreszeit, bringt mich auf den Gedanken, das Virus müßte vom Pferd auf sie übergehen, wenn sie sich in diesem Zustande befinden, um die Wirkungen hervorzubringen. Versuche müssen gleichwohl über diese Punkte entscheiden. Wenn aber das Virus der Kuhpocken einmal erzeugt ist, so ist es klar, daß die Kühe der Ansteckung nicht zu entrinnen vermögen, ob nun ihre Euter beschaffen sind wie immer, wenn sie von einer infizierten Hand gemolken werden.

Ob die Materie der Kuhpocken oder der Pferdefüße die gesunde Haut des Menschen angreift, kann ich nicht positiv [30] behaupten; wahrscheinlich nicht, außer an jenen Stellen, wo die Haut besonders dünn ist, wie z. B. an den Lippen. Ich habe ein armes Mädchen gekannt, bei welchem sich ein Geschwür an der Lippe gebildet hatte, weil sie den mit einer Kuhpocke behafteten Finger in den Mund steckte, um den Schmerz durch Anblasen zu mildern. Die Hände der in den Meiereien dienenden Mägde sind infolge der Arbeitsweise fortwährend Verletzungen mit Hautabschürfungen ausgesetzt, wie Dornenstichen oder anderen Schädlichkeiten, so daß sie beständig den Folgen der Ansteckungsmaterie sich bloßstellen.

Es ist auffallend, daß das Kuhpockengift, obzwar es den Körper gegen die Blattern unempfänglich macht, ihn nichtsdestoweniger in Beziehung auf seine eigene Wirkung ungeändert beläßt. Ich habe schon ein Beispiel angeführt, um dies zu zeigen und will es jetzt durch ein anderes bekräftigen. Elisabeth Wynne, die im Jahre 1759 die Kuhpocken durchgemacht hatte, wurde 1797 mit Blatternmaterie erfolglos inokuliert; im Jahre 1798 bekam sie neuerlich die Kuhpocken. Ich sah sie am 8. Tag nach der Infektion und konstatierte an ihr allgemeine Mattigkeit, abwechselndes Gefühl von Kälte und Hitze, Kälte an den Gliedmaßen, schnellen und unregelmäßigen Puls. Diesen Symptomen war Achselweh vorangegangen, auf der Hand eine breite schwärende Pustel erschienen.

Bemerkenswert ist, daß das Gift bezüglich seiner Wirkungen unbestimmt und unsicher ist, bevor es vom Pferde durch das Medium der Kuh hindurchgeht; erst dann reagiert es nicht bloß heftiger, sondern besitzt auch das spezifische Vermögen, im menschlichen Organismus blatternähnliche Fiebererscheinungen hervorzurufen und in ihm eine eigentümliche Änderung zustande zu bringen, die ihn für immer gegen das Blatternkontagium immunisiert.

Kann daher nicht mit Wahrscheinlichkeit gefolgert werden, daß die Quelle der Blattern jene charakteristische Materie sei, die aus der Krankheit der Pferde erzeugt wird, und daß hinzutretende Umstände immer wieder sie verändert haben mögen, bis die Blattern die kontagiöse und bösartige Form angenommen haben, unter welcher wir sie jetzt gewöhnlich sehen, wenn sie ihre Verwüstungen unter uns anrichten? Und wenn wir die auffällige Änderung beobachten, die das Virus durch den Übergang von Pferden auf Kühe wie durch die produzierte Krankheit erleidet, dürfen wir dann nicht voraussetzen, daß viele der [31] unter uns herrschenden Infektionskrankheiten nicht aus einfachen, sondern zusammengesetzten Ursachen abzuleiten sind? Ist etwa die Vermutung damit unvereinbar, daß beispielsweise die Masern, der Scharlach, kombiniert mit Rachengeschwüren und Hautausschlägen aus derselben Quelle entsprungen sind und sich einiger Verschiedenheit in ihren Formen, entsprechend der Natur der neuen Kombinationen, angepaßt haben? Die gleiche Frage wird man in Rücksicht auf den Ursprung mancher anderer kontagiösen Krankheiten aufwerfen, die zueinander eine starke Analogie darbieten.

Die Blattern erscheinen während ihres normalen Verlaufes gewiß nicht in einer und derselben Form, ebensowenig befriedigt die Unterscheidung in konfluierende und isolierte. Ungefähr vor 7 Jahren grassierte in den Städten und Dörfern dieses Teiles von Gloucestershire eine Gattung von Blattern so milder Natur, daß kein Sterbefall sich ereignete. Die unteren Volksschichten fürchteten sich so wenig vor ihnen, daß sie sich nicht scheuten mit Blatternkranken zu verkehren, als wenn kein ansteckendes Übel sich an ihnen gezeigt hätte. Weder sah noch hörte ich von einem Fall mit konfluierenden Blattern. Vielleicht kann ich von ihrer Beschaffenheit die zutreffendste Vorstellung geben, wenn ich hinweise, daß 50 Personen, die untereinander verkehrten, dem Kontagium sich ausgesetzt und infiziert hatten, eine so milde und leichte Erkrankung durchmachten, als wären sie mit Blatternmaterie in üblicher Weise inokuliert worden. Die leichte Form der Erkrankung war weder von einem besonderen Charakter der Jahreszeit noch von der Witterung abhängig, denn auch das nächste Jahr hindurch konnte ich den gleichen Verlauf beobachten, ohne Abänderung ihrer allgemeinen Erscheinung. Ich hielt sie für eine Varietät der Blattern.[18]

Ich habe schon in einigen vorerwähnten Fällen der Aufmerksamkeit gedacht, die ich dem Zustande der Blatternmaterie schenkte, wenn ich Leute impfte, die die Kuhpocken überstanden hatten. Dies hielt ich bei Ausführung der Versuche für höchst wichtig. Nähmen jene, welche Blattern inokulieren, stets darauf [32] Rücksicht, so würden sie vielem Unheil und Irrtum vorbeugen. Um dieser Vorsicht Nachdruck zu verleihen, nehme ich mir die Freiheit abzuschweifen und auf einige Unglücksfälle hinzuweisen, die aus lässiger Sorgfalt entstanden sind und welche ich mit eigenen Augen verfolgt habe.

Ein angesehener, nunmehr verstorbener Arzt, der vor vielen Jahren in der Nachbarschaft inokulierte, pflegte meist die zur Impfung bestimmte Materie auf Leinwand oder Baumwolle aufzubewahren. In diesem feuchten Zustande wurde sie in einem wohlverschlossenen Fläschchen in der Tasche getragen, was sicherlich dazu beitrug, die Entwicklung der Fäulnis zu beschleunigen. Derart vorbereitet, wurde der Stoff (häufig erst nach mehreren Tagen von den Pusteln abgenommen) an den Armen der Patienten inseriert und bewirkte eine Entzündung an den Impfstellen, Schwellungen der Achseldrüsen, Fieber und Ausschläge. Aber welcher Art war diese Krankheit? Blattern waren es gewiß nicht. Denn die Materie hatte durch die Fäulnis verloren oder ihre spezifische Kraft eingebüßt. Sie war nicht mehr tauglich, die Krankheit zu produzieren, obschon die in solcher Weise Geimpften ein ebenso großes Objekt dem Blatternkontagium darboten, als wenn sie niemals unter dem Einfluß dieser künstlichen Krankheit gestanden wären. Einige, die sich in vollständiger Sicherheit wiegten, fielen ihr unglücklicherweise zum Opfer. Dasselbe Mißgeschick, eine Krankheit, wie es die Blattern sind, mit ungeeignetem Stoff hervorzurufen, ist meines Wissens manchen anderen Praktikern begegnet, wahrscheinlich infolge der nachlässigen Sorgfalt bei Aufbewahrung der Blatternmaterie. Ich benutze diese Gelegenheit zur Erwähnung dessen, was ich für einen Gegenstand von großer Bedeutung halte und möchte insofern abschweifen, um nicht bloß zu weiterer Vorsicht zu ermahnen, sondern auch eine andere Beobachtung rücksichtlich der Inokulation anzuführen.

Ob es experimentell zu beweisen ist, daß von der Menge des der Haut imprägnierten Blatternstoffes die Milde oder Heftigkeit der nachfolgenden Erkrankung abhängt, kann ich nicht mit Bestimmtheit behaupten. Aber ich habe den triftigsten Grund, anzunehmen[WS 3], daß für den Fall, als die Stiche oder Schnitte so tief gemacht werden, daß sie durchdringen und die Fettschicht verletzen, die Gefahr einer heftigen Erkrankung sich erheblich vergrößert. Ich habe einen Inokulator gekannt, der so tief in die Haut einschnitt, „bis (um seine [33] eigenen Worte zu gebrauchen) etwas Fett zum Vorschein kam“, um hier den Stoff zu imprägnieren. Die große Zahl von schlimmen Fällen, unabhängig von Entzündungen und Abszessen an den Armen und der verhängnisvollen Methode, war fast unbegreiflich. Ich kann mir dies nicht anders erklären, als daß man die Materie in diese Lage einbettete, anstatt sie auf die Haut aufzutragen.

Ein anderer Arzt, dessen ich mich gut erinnere, hatte die Gepflogenheit, eine schmale Hautfalte an den Armen seiner Patienten aufzuheben und einen mit Blatternmaterie benetzten Faden mittels einer Nadel einzuführen. Der darin belassene Faden blieb in steter Berührung mit dem Zellgewebe. Diese Methode hatte einen nicht weniger unglücklichen Erfolg, als die vorige. Und wenn ich auch dermalen keinen Arzt kenne, der die Inokulation auf so rohe Weise vornimmt, so geht doch aus diesen Beobachtungen hervor, man müsse die Lanzette mit Vorsicht anwenden, insbesondere bei der überaus zarten Haut der Kinder.

Mein verehrter Freund, Dr. Hardwick in Sodbury in unserer Grafschaft, inokulierte eine große Zahl von Patienten vor Einführung der milderen Suttonschen Methode. Er erzielte einen so günstigen Erfolg, daß ein unglücklicher Fall ebenso selten war, wie seither, wo die Methode sich eingebürgert hat. Er pflegte nämlich nach oberflächlichem Hauteinschnitt einen mit Blatternmaterie befeuchteten Faden einzulegen. Sobald die Geimpften krank zu werden begannen, wurden sie, wie damals üblich, zu Bett gebracht und unter mäßiger Wärme gehalten. Ist es nicht wahrscheinlich, daß der Erfolg des modernen Verfahrens mehr von der gleichmäßigen Imprägnierung des Virus in oder auf die Hand abhängt, als von der nachfolgenden Behandlung der Krankheit?

Ich bin nicht der Meinung, daß wir nicht den Patienten der kalten Luft aussetzen und ihm das Trinken kalten Wassers verweigern sollten, wenn Hitze und Durst ihn quälen, oder daß wir die Ausschlagssymptome nicht mäßigen und die Zahl der Pusteln verringern sollten. Doch um meine frühere Bemerkung zu wiederholen: ich kann mir den ungestörten Erfolg des einen Praktikers oder den üblen Zustand der Patienten eines anderen Arztes nicht erklären, wo in beiden Fällen die allgemeine Behandlung keinen Unterschied ergibt, wenn ich nicht in Betracht zöge, daß die Ursache in der Differenz der [34] Inserierung der Krankheitsmaterie liegt. Denn wie die Materie, die von der Blutmasse absorbiert wird, von jener abweicht, die eingeimpft wird, so muß dies in einem eigentümlichen Prozeß des menschlichen Organismus begründet sein. Kann es nicht auch der Fall sein, daß verschiedene Teile des menschlichen Körpers die Materie auf verschiedene Weise abzuändern imstande sind? Zwar ist die Haut, z. B. die Fettschicht oder die mukösen Membranen zur Erzeugung des Blatternvirus geeignet, wenn die ursprünglich darauf applizierten Partikel den Anreiz geben. Doch bin ich geneigt anzunehmen, jeder dieser Teile könne die Qualitäten der Materie verändern, bevor sie den Körper selbst angreift. Worin unterscheiden sich dann die natürlichen Blattern von den künstlich geimpften? Werden nach alledem die Blatternpartikel, die ihr echt spezifisches Ansteckungsvermögen besitzen, immer im Wege der zuführenden Lymphgefäße aufgenommen und ohne nachherige Umwandlung von der Blutmasse absorbiert? Ich möchte es nicht glauben. Denn wenn es sich so verhielte, worin liegt der Grund, daß das mit dem Gift imprägnierte Blut nicht jene Eignung annimmt, um in irgend einem Stadium der Blattern die Krankheit mitzuteilen, sei es durch Insertion unter die Haut oder durch Übertragung auf die Oberfläche eines Geschwüres? Aber aus den Untersuchungen ergibt sich, das Kontagium lasse sich auf diesem Wege nicht vermitteln. Richtig ist, daß die mit Wasser verdünnte und in üblicher Weise auf die Haut verpflanzte Blatternmaterie Variolasymptome erzeugt. Doch ich würde mich vom eigentlichen Thema entfernen, wenn ich hier auf diesen Gegenstand allzusehr einginge.

Um welche Zeit die Kuhpocken bei uns zuerst erschienen sind, ist unbekannt. Unsere ältesten Landleute kannten die Krankheit schon in ihrer Kindheit und erinnern sich, daß sie von denselben Erscheinungen wie heutzutage begleitet gewesen war. Von einem Zusammenhang mit den Blattern scheinen sie jedoch nichts gewußt zu haben. Wahrscheinlich ist diese Entdeckung erst mit der Einführung der Inokulation gemacht worden.

Die Entstehung der Kuhpocken in unserer Gegend scheint einer verhältnismäßig späten Zeit anzugehören, weil früher nur Weiber mit dem Melken sich befaßten. Wie ich glaube, besteht dieser Brauch heute noch in anderen Molkereigegenden, woher es auch gekommen ist, daß in früheren Zeiten die Kühe [35] der kontagiösen Materie, die ihnen durch Knechte von den Pferdehufen mitgeteilt wird, seltener ausgesetzt waren.[19] Die Herkunft der Ansteckung ist jetzt den meisten Viehzüchtern unserer Nachbarschaft bekannt und sie hat endlich die besten Erfolge herbeigeführt. Doch ist es wahrscheinlich, daß die nunmehr dagegen getroffenen Vorsichtsmaßnahmen das Erscheinen der Kuhpocken entweder gänzlich beseitigen oder äußerst selten machen werden.

Sollte jemand die Frage aufwerfen, ob diese Untersuchungen mehr Sache der Kuriosität sind oder ob sie auf einen wohltätigen Zweck abzielen, so möchte ich antworten: Ungeachtet der günstigen Wirkungen der Inokulation mit allen den Zufällen, mit denen die Praxis seit ihrer ersten Einführung in dieser Gegend zu rechnen hatte, sind nicht selten Verunstaltungen der Haut und unter der besten Behandlung letale Fälle zu verzeichnen.

Diese Umstände müssen naturgemäß in jedem Fall eine gewisse peinliche Besorgnis für die Folgen wachrufen. Aber ich habe niemals einen fatalen Ausgang bei den Kuhpocken kennen gelernt, selbst dann nicht, wenn sie, unter den übelsten Anzeichen eingeimpft, auf das heftigste auftraten und von einer ausgedehnten Entzündung sowie von einer Eiterung an den Händen begleitet waren. Und da es klar am Tage liegt, daß diese Krankheit den Organismus in den Stand vollkommener Sicherheit vor der Blatterninfektion setzt, dürfen wir nicht den Schluß ziehen, es sei ein neuer Modus der Impfung dem dermalen gebräuchlichen vorzuziehen, besonders in solchen Familien, von denen wir auf Grund vorheriger Zufälle annehmen können, sie wären zu einer ungünstigen Erkrankung prädisponiert. Bei der Blatternkrankheit besteht die größte Angst vor der Menge der Pusteln; bei den Kuhpocken hingegen erscheinen keine Pusteln, noch scheint es möglich zu sein, daß der Ansteckungsstoff die Krankheit durch Ausdunstung oder bei anderen durch Berührung produziere. Auch erfolgt die Infektion wahrscheinlich nicht einfach zwischen Virus und Haut, [36] so daß das einzelne Individuum in einer Familie zu irgend einer Zeit das Übel empfangen kann, ohne Gefahr für die übrigen, oder eine Krankheit zu verbreiten, die eine Gegend mit Schrecken erfüllt. Mehrere Fälle sind unter meine Beobachtung gelangt, die untrüglich beweisen, daß die Krankheit nicht durch Ausdünstungen fortgepflanzt werden könne. Der erste Knabe, den ich mit Kuhpocken impfte, schlief, während die Krankheit ihren Lauf nahm, mit zwei anderen Kindern in einem Bette, die bis dahin weder dieses Leiden, noch die Blattern überstanden hatten, ohne daß eines von ihm wäre infiziert worden.

Ein junges Weib, das an ausgebreiteten Kuhpocken erkrankt und mit mehreren stark eiternden Pusteln an der Hand und am Handrücken behaftet war, teilte ein und dasselbe Bett mit einer Milchmagd, die vorher weder die Blattern noch die Kuhpocken hatte, doch folgte bei letzterer nicht einmal eine Unpäßlichkeit.

Ein anderes Beispiel begegnete mir bei einer Amme, auf deren Händen mehrere breite, schwärende Kuhpockenpusteln vorhanden waren. Sie stillte das Kind ohne Nachteil.

Auch nach anderer Richtung verdient die Kuhpockenimpfung den Vorzug vor der Blatterninokulation. Individuen, welche zur Skrofulose Anlage haben und nicht selten von den Ärzten inokuliert werden, verfallen in die heftigste Krankheit. Der Grund scheint nicht von der Form abzuhängen, in der sich das Übel selbst zeigt, denn das Gleiche ist ebenso häufig bei Personen eingetroffen, die es milde überstanden haben, wie dort, wo es in gegenteiliger Weise verlaufen ist. Es gibt Leute, die wegen eines gewissen eigentümlichen Verhaltens den gewöhnlichen Wirkungen der Blatternvirulenz auf der Haut widerstehen und deshalb ihr Leben lang von der Vorstellung gepeinigt werden, sie wären vor einer kommenden Infektion ungeschützt. In dem neuen Modus besitzen wir ein vortreffliches Mittel gegen diese Angst. Und da wir gesehen haben, daß der menschliche Körper jederzeit in der Lage ist, den fieberhaften Anprall der Kuhpocken zu empfinden, könnte man sie nicht in manchen chronischen Leiden dem Organismus einpflanzen, um mit Wahrscheinlichkeit Erleichterung zu erreichen, nach bekannten physiologischen Grundsätzen?

Obzwar ich sage, der Körper sei stets zum febrilen Angriff der Kuhpocken disponiert, so habe ich doch ein Beispiel [37] vor mir, wo das Virus nur örtlich gewirkt hat. Aber es ist nicht im mindesten wahrscheinlich, daß dieselbe Person dem Einflusse der Kuhpocken wie der Variola widerstehen würde.

Elisabeth Sarsenet lebte als Magd auf dem Meierhofe Newpark in unserem Kirchspiel. Kühe und Gesinde litten an den Kuhpocken. Doch diese Magd, obgleich sie mehrere Pusteln an den Fingern hatte, wurde weder von einer Achselanschwellung noch von einer allgemeinen Unpäßlichkeit befallen. Als sie sich später einer Blatternansteckung aussetzte, bekam sie die Blattern der mildesten Art. Anna Pick, eine andere Milchmagd, welche mit Elisabeth Sarsenet zur selben Zeit auf dem Hofe diente, als die Krankheit daselbst ausgebrochen war, wurde gleichfalls infiziert. Sie bekam nicht nur Geschwüre auf den Händen, sondern war auch 1 oder 2 Tage lang krank. Ich unternahm nachher einige Versuche, ihr die Blattern einzuimpfen, aber alle waren vergeblich. Aus dem Falle ersehen wir, daß die tierische Ökonomie in beiden Krankheiten an die gleichen Gesetze gebunden ist.

Der folgende Fall, der sich jüngst ereignete, beweist mit größter Wahrscheinlichkeit, daß nicht bloß die Hufe der Pferde, sondern auch andere Körperteile dieses Tieres die Eignung besitzen, das die Kuhpocken verursachende Virus zu erzeugen.

Bei dem Landwirte Millet in Rockhampton, einem Dorfe bei Berkeley, befand sich ein säugendes Füllen, an dessen Schenkel eine ausgedehnte erysipelatöse Entzündung ohne erkennbare Ursache entstanden war. Sie dauerte mehrere Wochen lang und endigte mit der Bildung von drei oder vier kleinen Abszessen. Die entzündeten Partien wurden mit Umschlägen behandelt und dazu dieselben Leute angestellt, welche die Kühe molken. Die Zahl der Milchkühe betrug 24 Stück und alle davon bekamen die Kuhpocken. Das Melkpersonal, bestehend aus Frau, Knecht und Magd, wurde von den Kühen angesteckt. Der Knecht hatte schon vorher Variola gehabt und fühlte während der Kuhpocken kaum ein Unbehagen. Auch die Magd, die schon vor etlichen Jahren an Kuhpocken gelitten hatte, wurde ebenso geringfügig von der jetzigen Erkrankung berührt, hingegen war die Gattin des Landwirtes, welche noch keine der beiden Krankheiten durchgemacht hatte, schwer erkrankt.

Es scheint mir außer allem Zweifel zu liegen, daß die vom Füllen auf die Kühe und von diesen auf die Melker [38] übertragene Krankheit die wahren, nicht die falschen Kuhpocken waren. Und doch wäre es der Gewißheit der Sache noch mehr förderlich und zweckmäßig gewesen, wenn man die Wirkung des Blatterngiftes an dieser Frau hätte in Erfahrung bringen können, doch eine Eigenheit ihrer Lage verhinderte mich, den Versuch anzustellen.

Bis hierher bin ich in der Untersuchung vorgeschritten, die sich, soweit es nötig erschien, auf die Basis von Versuchen stützt. Die gelegentlich eingestreuten Mutmaßungen lege ich den in solchen Fragen bewanderten Männern zum Zweck genauerer Forschung vor.

Inzwischen will ich fortfahren, diese Untersuchung weiter zu verfolgen, ermutigt durch die Hoffnung, damit der Menschheit eine wesentliche Wohltat zu erweisen.


  1. An inquiry into the causes and effects of the Variolae vaccinae, a Disease discovered in some of the western counties of England, particulary Gloucestershire, and known by the name of the Cow-Pox. London 1798. Pag. 75 with 4 Plates.
  2. Further observations on the variolae vaccinae or Cow-Pox. London 1799.2
  3. A continuation of facts and observations relative to the variolae vaccine, or Cow-Pox. London 1800.
  4. Der verstorbene John Hunter hat durch Versuche nachgewiesen, daß der Hund der ausgeartete Wolf sei. (Anm. d. Autors.)
  5. Diejenigen, welche in dieser Gegend krankes Vieh pflegen, halten für ein rasch wirkendes Mittel, um den Fortschritt dieser Beschwerden aufzuhalten, die örtliche Anwendung chemischer Agentien auf den Krankheitsstoff, die Lösung von Zink- und Kupfervitriol und dergleichen. (Anm. des Autors.)
  6. Es ist nötig, hier zu erinnern, daß an den Eutern der Kühe zuweilen Pusteln von selbst entstehen, obgleich manchmal, was seltener der Fall ist, das beim Melken beschäftigte Gesinde sich davon Pusteln an den Händen zuzieht, ja sogar infolge der Resorption des Stoffes einigermaßen von Unbehagen ergriffen wird. Aber diese Pusteln sind weit milderer Art, als jene, die von der Ansteckung mit Kuhpocken herrühren und von denen hier die Rede ist. So sind bei dieser Erkrankung die Pusteln nicht von bläulicher oder livider Farbe, es fehlt die rotlaufartige Umgebung und die Tendenz zum phagedänischen Zerfall, sie verwandeln sich schließlich in eine Borke, ohne daß andere Krankheitssymptome an den Kühen sich zeigen. Das Leiden tritt zwar zu verschiedenen Zeiten des Jahres auf, vorwiegend aber zu Beginn des Frühlings, wenn die Kühe vom Winterfutter zur frischen Grasnahrung übergehen, oder wenn sie ihre Kälber säugen. Es hat jedoch keineswegs eine Ähnlichkeit mit der Krankheit, von welcher ich spreche, weil es auf den menschlichen Körper keine spezifische Wirkung übt. Gleichwohl ist diese Bemerkung von großer Tragweite, damit nicht etwa Jemand bei mangelndem Unterscheidungsvermögen zur trügerischen Idee verleitet wird, er wäre vor der Infektion der Blattern sicher. (Anm. des Autors.)
  7. Ich habe gerade solche Fälle zu Versuchen ausgewählt, wo schon geraume Frist seit der Erkrankung an Kuhpocken verstrichen war, bevor ich das Experiment mit dem Blatterneiter anstellte, um zu konstatieren, daß die im Körper erzeugte Wirkung durch die Zeit nicht verändert wird. (Anm. des Autors.)
  8. Es ist bemerkenswert, daß die Blatternmaterie, wenn der Organismus nicht dafür empfänglich ist, weit rascher eine Entzündung an der Impfstelle hervorruft, als wenn die Eignung zur Infizierung vorhanden ist. Sonach liegt in dieser Erscheinung ein Kriterium, ob die durch das ganze Leben dauernde Veränderung infolge einer Aktion des Virus in den Hautgefäßen oder einer gewissen Disposition derselben ausgelöst würde. Überdies ist es auffällig, daß diese Veränderungen sowohl bei Blattern wie bei Kuhpocken zutreffen und daß die Disposition zu plötzlicher Entzündung der Haut auch bei der Applikation der Blatternmaterie sich gleich bleibt. (Anm. des Autors.)
  9. Wenn in einem Gehöfte die Kuhpocken einmal grassierten, so zogen sich auch Personen, die nicht molken, durch Berührung der Milcheimer die Ansteckung zu. (Anm. des Autors.)
  10. Dies pflegt in der Regel nicht der Fall zu sein; das zweitemal ist die Wirkung der Krankheit meist eine geringere, was auch bei den Kühen zutrifft. (Anm. des Autors.)
  11. Es ist eine merkwürdige und dem Volke bekannte Wahrnehmung, daß die Blatternimpfung bei Grobschmieden, welche die Pferdehufe mit Eisen beschlagen, fehlschlägt. Solche Menschen nämlich, wie in diesem Falle, bleiben entweder vollständig von der Ansteckung verschont oder sie erkranken nur in unregelmäßiger Form. Läßt sich nicht eine wahrscheinliche Erklärung dieser Erscheinung abgeben? (Anm. des Autors.)
  12. S. Tafel im Originale. (Anm. d. Übersetzers.)
  13. Von der Pustel, die auf der Hand der Sarah Nelmes erschienen war. Siehe den vorhergehenden Fall. (Anm. des Autors.)
  14. Siehe die Tafel im Originale. (Anm. d. Übersetzers.)
  15. Vielleicht hätten geringe Berührungen mit Höllenstein denselben Effekt gehabt. (Anm. des Autors.)
  16. Welche Wirkung würde diese Methode bei der Impfung der echten Blattern aufweisen? (Anm. des Autors.)
  17. Man kann sich leicht den Eiter aus alten Hufgeschwüren der Pferde verschaffen. Von ihnen habe ich öfter die Materie durch Lanzettenstiche auf die Kuheuter übertragen, doch ohne anderen Erfolg, als einer einfachen Entzündung. (Anm. des Autors.)
  18. Mein Freund, Dr. Hichs in Bristol, der sich während dieser Epidemie in Gloucester aufhielt und Arzt des Hospitals war, wo die Krankheit vor allem erschien, hatte Gelegenheit, zahlreiche Untersuchungen anzustellen, die er mit seinen gelehrten Beobachtungen zu veröffentlichen gedenkt. (Anm. des Autors.)
  19. Aus sicherer Quelle habe ich in Erfahrung gebracht, daß in Irland, wo eine so große Zahl von Milchmeiereien existiert, die Krankheit völlig unbekannt ist. Die Pflege der Kühe liegt dort ausschließlich den Weibern ob; die jungen Burschen würden es als einen Schimpf ansehen, würde man sie zum Melken der Kühe heranziehen. (Anm. des Autors.)

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Wer Herr seiner Sinne ist, kann richtig und falsch unterscheiden.
  2. Im Original befindet sich hier ein Trennstrich.
  3. anzunehmun