Textdaten
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Autor: G. van Muyden
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Titel: Unterseeische Schiffe
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aus: Die Gartenlaube, Heft 50, S. 832, 833
Herausgeber: Ernst Ziel
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1885
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[832]

Fortschritte und Erfindungen der Neuzeit.

Unterseeische Schiffe.

Der Mensch ist doch ein jämmerliches Geschöpf, meinte kürzlich ein pessimistisch angehauchter Freund. Bei aller Kunstfertigkeit, trotz seiner vielgerühmten Erfindungsgabe, hat er es in den Jahrtausenden noch nicht einmal so weit gebracht, wie der erste beste Vogel, der, kaum befiedert, sich frei in die Lüfte schwingt, wie der Fisch, welchem es ebenfalls von Natur gegeben ist, sich nicht bloß horizontal, sondern auch auf- und abwärts zu bewegen. Weit überlegener seien dem Menschen noch die Ente, der Schwan, überhaupt das zahlreiche Geschlecht der Wasservögel, denen ja drei Elemente zu Gebote stehen: die Luft, das Land und das Wasser, während er schwerfällig auf dem Erdboden dahin kriecht und nicht einmal wie die meisten Landthiere instinktmäßig schwimmen kann. Mit seiner Ansicht steht besagter Freund offenbar nicht vereinzelt da, und so erklärt es sich, weßhalb sich seit Ikarus’ Zeiten unzählige Sterbliche mit dem Problem des Fliegens und der Luftschifffahrt vergeblich abgequält, weßhalb es auch immer Leute giebt, die den Wahn eines sich fischartig in den tiefsten Meeresgründen bewegenden Fahrzeuges mit einer Ausdauer verfolgen, die eines besseren Lohnes würdig wäre.

Nordenfelt’s Unterseeboot von einem Dampfer bugsiert.

Ist dieses Ziel überhaupt erreichbar? Ist einige Aussicht vorhanden, daß der Mensch dereinst, den Wogen und ihren Gefahren entrückt, die Meeresfluthen in der Tiefe durchfurchen werde, daß das Problem eines dauernd unter Wasser dahinschwimmenden Schiffs jemals seine Lösung finde? In absehbarer Zeit ist unseres Erachtens nur wenig Aussicht vorhanden.

Warum? frägt vielleicht der geneigte Leser. Nun, die Antwort fällt nicht schwer. Wir wollen von nebensächlichen Hindernissen absehen, wie z. B. von dem ungeheuren Druck, den das Wasser schon in einer geringen Tiefe auf die Wände eines unterseeischen Schiffs ausübt, sowie von der Schwierigkeit der Beleuchtung der unterseeischen Fahrstraße, und einzig und allein die beiden Hauptbedingungen ins Auge fassen, welche von einem solchen Fahrzeuge zu erfüllen sind.

Die erste Bedingung ist die der Triebkraft. Dem Menschen stehen augenblicklich zur Erzeugung von mechanischen Bewegungen, abgesehen von seiner eigenen Körperstärke und von der Kraft der Thiere, nur drei Mittel zu Gebote: der Wind, ein Wassergefälle und die Dampfmaschine, nebst ihren Abarten. Wind weht aber unter dem Wasser nicht, und es ist hier an Wassergefälle nicht zu denken. Folglich bleibt nur die Dampfmaschine übrig, welche aber die Verbrennung von Kohle bedingt. Verbrennung hat jedoch eine ununterbroche Luftzufuhr zur ersten Bedingung, welche unter Wasser ebenfalls unmöglich ist. Hieraus folgt, daß ein unterseeisches Fahrzeug sich nicht oder nur kurze Zeit fortbewegen kann, es sei denn, daß die Mannschaft sich selbst ins Zeug legt und die Schraube dreht. Lange möchte sie es aber nicht aushalten.

Nordenfelt’s Unterseeboot unter Wasser.

Wo bleibt aber das Allerweltsmittel Elektricität? Nun, auch dieses Mittel versagt hier den Dienst, einfach weil wir zur Erzeugung des elektrischen Stromes immer noch der Dampfmaschine, beziehungsweise des Feuers bedürfen, es sei denn, daß man zu galvanischen Elementen oder zu Akkumulatoren greift, die aber in dem besonderen Falle aus vielen Gründen nahezu unbrauchbar sind. Erst wenn wir etwa gelernt haben, Elektricität direkt aus dem Wasser zu gewinnen, und zwar ohne Anwendung von Brennstoffen, werden wir eine Kraft besitzen, die ein Unterseeschiff fortzubewegen vermag und es zu weiten Reisen tauglich macht, weil es seinen Kraftvorrath stets aus der Umgebung ergänzen kann. Die Lösung einer solchen Aufgabe ist indessen nicht einmal angebahnt, und es versteigen sich augenblicklich auch die kühnsten Forscher nur zu der Hoffnung, der Mensch werde es lernen, Elektricität aus der Kohle, und zwar durch Verbrennung derselben, direkt zu gewinnen.


Die zweite, allerdings bei Weitem nicht so heikle Bedingung ist die der Erneuerung der Luft im Inneren eines Unterseeschiffs. Die Frage werden indessen die Herren Chemiker schon lösen. Sie haben es im Kleinen schon vielfach gethan und überhaupt ganz andere Kunststücke schon fertig gebracht.

Vorerst ist es also mit dem echten fischähnlichen Unterseefahrzeug nichts, und die Seekrankheit behält ihr Recht.

[833] Ein ganz anderes Gesicht bekommt jedoch die Sache, sobald sich der Mensch damit begnügt, besonders zu Kriegszwecken, irgend ein Fahrzeug auf kurze Zeit durch Untertauchen dem Späherauge des Feindes zu entrücken und den Angriff dieses Fahrzeuges auf diese Weise zu erleichtern. Streng genommen war die Frage an dem Tage gelöst, wo der erste Fischtorpedo seinen verderbenbringenden Weg dicht unter der Wasseroberfläche verfolgte, und wenn die Technik trotzdem eine weitere Ausbildung der unterseeischen Angriffswaffe anstrebt, so liegt es wohl nur daran, daß Torpedos nicht mit voller Sicherheit lenkbar sind und das Ziel daher oft verfehlen.

Es sind demnach Fahrzeuge vorhanden, die kurze Zeit unter Wasser bleiben und sich in dem nassen Element vorwärts bewegen können. Wir erinnern zunächst an das seiner Zeit in der „Gartenlaube“ (Jahrg. 1863, S. 554) ausführlich besprochene Boot des Ingenieurs Bauer, welcher indessen damit nicht durchdringen konnte. Mehrfache Verbesserungen weisen, wie man sich denken kann, die neueren derartigen Boote auf, von welchen wir nur drei erwähnen wollen. Diese Boote verdanken wir dem schwedischen Kapitän Nordenfelt, L. Klein in Charlottenburg und Hotchkiß in Paris.

Unsere Abbildungen veranschaulichen das zuerst genannte Nordenfelt’sche Unterseeboot. Dasselbe ist aus dem besten schwedischen Stahl gearbeitet und bei cigarrenförmiger Gestalt 94 Fuß lang und in der Mitte 9 Fuß breit. Der oben hervorragende Thurm ist mit einer Glaskuppe versehen und dient dem Kapitän als Beobachtungsposten. Die Vorwärtsbewegung des Bootes unter Wasser wird durch eine gewöhnliche Schraube bewirkt, die neben dem auf unserer Abbildung rechts sichtbaren Steuerruder angebracht ist. Wie taucht aber das Fahrzeug unter die Wasserfläche? Zu diesem Zwecke finden wir an den beiden Seiten desselben je einen Radkasten mit horizontal gestellten Schiffsschrauben, deren Bewegung das Boot nach unten drängt. So lange das Fahrzeug über dem Wasser schwimmt, wird seine Dampfmaschine mit Kohlen geheizt, soll es aber untertauchen, so wird der nöthige Dampf durch aufgespeicherte Wärme erzeugt. An der vorderen Spitze des Bootes ist schließlich in einer Röhre seine furchtbare Waffe, der Torpedo, befestigt. Nach den bis jetzt vorgenommenen Versuchen kann dieses Boot die Tiefe von 16 Fuß erreichen und sechs Stunden unter dem Wasser verbleiben, ohne daß seine Besatzung durch Luftmangel u. dergl. belästigt wird.

Weitere Reisen braucht das Boot selbst nicht zu unternehmen, es wird zu diesem Zweck von einem andern Fahrzeug, wie dies auf unserer ersten Abbildung ersichtlich, ins Schlepptau genommen, um erst im gegebenen Fall in Thätigkeit zu treten.

Sehr ähnlich ist das Klein’sche Torpedoboot. Nur daß es eine Vorrichtung zur Erneuerung der Kraft im Innern enthält und vorne drei Saugnäpfe hat, mit deren Hilfe sich das Fahrzeug wie ein Polyp an das feindliche Schiff festsaugt, worauf Taucher dem Thurm entsteigen und einen mitgeführten Torpedo an den Leib des Gegners befestigen.

Was endlich das Unterseeboot von Hotchkiß anbelangt, so zeichnet es sich vor Allem durch seitlich angebrachte Korkschwimmer aus, welche die Rolle der Nordenfelt’schen Seitenschrauben spielen. Werden sie von innen hochgehoben, so sinkt das Fahrzeug so weit, daß nur noch der Thurm und die Schwimmer aus dem Wasser ragen. Eine Beschädigung dieser Schwimmer durch das Feuer des Feindes soll ohne Belang sein. Das Boot von Hotchkiß enthält Behälter mit Pressluft für die Mannschaft. Es wird, wie das Klein’sche, durch Dampf getrieben.

Im Augenblicke, wo wir Obiges niederschreiben, gelangt die Kunde von der Erfindung zweier neuer Unterseeboote durch die Amerikaner Zalinski und Tachs zu uns. Ersteres wird durch eine Petroleunmmaschine getrieben und schleudert aus einer riesigen Windbüchse mit 100 bis 150 Kilogramm Sprenggelatine gefüllte Geschosse gegen den Feind. Das Tachs’sche Boot aber steht insofern mehr auf der Höhe der Zeit als die vorgenannten Boote, da die Betriebskraft hier Elektricitäts-Akkumulatoren entnommen wird. Dadurch entfällt die Feuerung mit allen ihren Uebelständen, wogegen der Nachtheil mit in den Kauf zu nehmen ist, daß die Elektricitätsquelle nur zu einer Fahrt von 100 Seemeilen ausreicht. Dies dürfte indessen in den meisten Fällen genügen. G. van Muyden.