Unternehmung und Ausführung
Unternehmung und Ausführung geriethen in einen warmen Streit. Jene beschuldigte diese, daß sie sich zu sehr vordränge, und sie als eine Untüchtige verlache; da doch sie, die Unternehmung es sei, die der Ausführung, ehedem viel Hülfe und Dienst erzeigt habe. Von diesem allen wolle sie jetzt nichts wissen, seitdem das Glück sie unversehends begünstigt und zu Ehren gebracht habe. Habe sie Herz, die Ausführung: so könne die Sache durch einen Zweikampf entschieden werden.
Gar zu viel Herz hatte die Ausführung eben nicht. Da sie aber das Glück auf ihrer Seite hatte, so priesen viele ihren Ruhm und ihre hohen Kräfte. Die Sache kam vor erwählte Schiedsrichter; und wunderbar! die edelsten, die herzlichsten Menschen waren auf Seite der Unternehmung; die begünstigten, die glücklichen dagegen schmeichelten der Ausführung. Endlich sprachen, nach reifer Ueberlegung, die Richter also:
„Nachdem die Erfahrung gebe, daß die berühmtesten Ausführungen oft von den unberühmtesten, verachtetsten Anlässen; ein edles Unternehmen hingegen nicht anders als von einem nicht gemeinen, edlen Gemüth abstammen könne: so sei der Vorzug des Unternehmens vor der Ausführung entschieden; maassen auch der Tod eines einzigen beherzten Mannes der Welt oft mehr Nutzen bringe, als das lange Leben vieler Ausführenden, träge-befolgenden Menschen?“