1. Und mag auch die Menschheit nicht rasten noch ruhn, sich alles
nach Wunsch zu gestalten; das Glück zu erjagen, das Äußerste thun
und heiligen Eifer entfalten; bald wird ihr vor ihrer Gottähnlichkeit
bang, das Streben, die Hitze, der glühende Drang verkühlt sich, ver=
spielt sich, es schallet der Sang: Wie herrlich, wie herrlich im Kalten!
2. Strohfeuer verlodert und Jugend versprüht, es bleiben die Alten,
die Kalten, die Gleichmut bewahren im heitern Gemüt und überall
Fassung behalten. Beim Bierglas, beim Weinglas, den Tischen ent=
lang, erwarten sie ruhig den Weltuntergang; bis dahin erschallet ihr
Männergesang: Wie herrlich, wie herrlich im Kalten!
3. Du willst mit dem Kopf durch die Wand mit Gewalt, es lassen
die Götter dich schalten, doch rufen die löblichen Trinker: Nur kalt!
du sollst nicht zu hoch hinaus halten. Nur kalt! wenn das Höchste
dir dreimal gelang, nur kalt! wenn das Unheil dich drückt an den
Hang, das Maß sollst du halten! Schon Pittakos sang: Wie herrlich,
wie herrlich im Kalten!
4. Was philosophieren und reden wir viel, dem Forscher gehört
es zum Alten: der Weltraum ist dunkel und schauerlich kühl, ist selber
ein Loch nur im Kalten. Doch gehen die Sonnen den donnernden
Gang, und Sterne drin leuchten von jeglichem Rang, so klinget har=
monischer Sphärengesang: Wie herrlich, wie herrlich im Kalten!
5. Ihr seht auf der Berge gewaltigem Joch den wandernden Glet=
scher sich spalten, da gähnet ein kaltes, ein schauriges Loch, doch gleißt
es smaragden, kobalten. Die Freundschaft erliegt nicht dem frostigen
Zwang, der Frohsinn erstarrt nicht, und lange noch, lang erschallet im
Loche der lustige Sang: Wie herrlich, wie herrlich im Kalten!
Eichrodt.