Ueber die chemische Zusammensetzung des Eudialyts
Die erste Untersuchung dieses Minerals verdanken wir Trommsdorff, welcher es unter dem Namen „grönländischer Hyazinth“ im Jahre 1801 analysirte, und darin Zirkonerde nachwies[1]. Die Analyse war indessen in mehrfacher Beziehung unvollständig. Eine genauere lieferte Gruner im Jahre 1803[2]. Später, im Jahre 1819, machte Stromeyer, ganz unbekannt mit den Arbeiten seiner Vorgänger, eine vollständige Untersuchung des von ihm Eudialyt genannten Minerals bekannt[3], und endlich beschäftigte sich fast gleichzeitig (1820) Pfaff mit diesem Gegenstande[4], und glaubte in dem Fossil ein neues Oxyd gefunden zu haben, welches er Tantaline nannte, von welchem sich jedoch später ergab, daß es Kieselsäure war.
Die Analysen von Pfaff und Stromeyer weichen nicht sehr von einander ab; denn es fanden:
Pfaff. | Stromeyer. | |
Kieselsäure | 54,10 | 52,4783 |
Zirkonerde | 11,58 | 10,8968 |
Eisenoxyd | 7,86 | 6,8563 |
Manganoxyd | 2,93 | 2,5747 |
Kalkerde | 10,80 | 10,1407 |
Natron | 11,40 | 13,9248 |
Salzsäure | 0,30 | 1,0343 |
Kupferoxyd | 0,92 | – |
Wasser | 1,66 | 1,8010 |
101,55 | 99,7069. |
[143] Man hat für den Eudialyt in Folge dieser Untersuchungen die Formel:
, |
in Vorschlag gebracht, wonach sich die Sauerstoffmengen von , und wie verhalten müssen. Berechnet man sie aus Stromeyer’s Analyse, so sind sie dort oder ; die Formel entspricht also der Analyse keineswegs, welche eher zu führt.
Eben so wenig kann Frankenheim’s Vorschlag angenommen werden, der Eudialyt sey [5]; denn dann müßte jenes Verhältniß seyn.
Abgesehen von dieser Unsicherheit über den wahren Ausdruck eines so gut charakterisirten Minerals, als es der Eudialyt ist, war es noch die Frage, ob das Eisen wirklich als Oxyd darin enthalten sey, oder vielleicht als Oxydul, in welchem Fall natürlich die Formel ganz anders ausfallen muß. Dieß veranlaßte mich zu einer Wiederholung jener älteren Versuche, indem ich dazu Material, aus dem K. K. Mineraliencabinet in Wien erhalten, benutzte.
Wird gepulverter Eudialyt durch Chlorwasserstoffsäure zerlegt, so findet man durch die gewöhnlichen Reagentien, daß das Eisen darin als Oxydul enthalten ist, begleitet von so kleinen Mengen Oxyd, wie sie leicht in jeder Eisenoxydulauflösung bei Luftzutritt sich bilden. Die bisherige Formel war also unrichtig.
Für die weitere Analyse wurde ein Theil des feingepulverten Minerals durch Salpetersäure in möglichst niedriger Temperatur zersetzt, um das Chlor bestimmen zu können. 2,69 lieferten 0,129 Chlorsilber, entsprechend 0,031824 Chlor.
[144] Ein anderer Theil wurde mit concentrirter Chlorwasserstoffsäure digerirt, die Kieselsäure nach dem Gelatiniren abfiltrirt, und die Flüssigkeit mit Ammoniak gefällt. Der aus Zirkonerde, Eisen und Mangan bestehende Niederschlag wurde in einem Versuche in Chlorwasserstoffsäure aufgelöst, mit Weinsteinsäure, Ammoniak und Ammoniumsulfhydrat versetzt, Schwefeleisen und Schwefelmangan abfiltrirt, und auf gewöhnliche Art getrennt; in einem anderen löste man ihn gleichfalls in der Säure auf, setzte Ammoniak und Ammoniumsulfhydrat hinzu, und leitete so lange schweflige Säure in das Gemenge, bis die Zirkonerde rein weiß erschien, worauf das Ganze gekocht, und Eisen und Mangan aus der abfiltrirten, und mit Salpetersäure oxydirten Flüssigkeit erhalten wurden.
In der von der Zirkonerde und dem Eisen getrennter Auflösung befanden sich nun noch Kalkerde, Natron und etwas Kali neben ein wenig Kieselsäure, die nach bekannten Methoden erhalten wurden.
Die Kieselsäure, welche durch das Gelatiniren abgeschieden war, prüfte man nach dem Glühen durch Kochen mit kohlensaurer Natronauflösung auf ihre Reinheit. Sie hinterließ jedesmal einen ansehnlichen weißen Rückstand, der kein unzerlegtes Eudialyt und auch kein fremdartiger Begleiter seyn konnte. Hierdurch kam ich auf die Vermuthung, daß Chlorwasserstoffsäure aus dem Eudialyt eine besondere Verbindung seiner Bestandtheile abscheide, und die Analyse bestätigte diese Vermuthung, indem sie zeigte, daß das, was man leicht als unzersetztes Mineral oder als Fremdartigkeit ansehen konnte, ein Silicat von Zirkonerde, Kalk und Eisenoxydul war, in bestimmten Verhältnissen mit einander verbunden. Auch aben die Analysen des Eudialyts sehr abweichende Resultate, wenn man diese Substanz ohne weiteres in Abzug brachte, denn man erhielt alsdann in zwei Versuchen:
[145]
I. | II. | |
Kieselsäure | 37,02 | 44,09 |
Zirkonerde | 12,53 | 15,60 |
Eisenoxydul | 13,60 | 7,74 |
Kalkerde | 15,22 | 13,55 |
Natron | 17,77 | 15,92 |
Kali | 1,06 | 0,85. |
Ich habe den erwähnten Rückstand nur in II. für sich analysirt, was durch Glühen mit kohlensaurem Natron geschah. Er lieferte:
Kieselsäure | 68,53 |
Zirkonerde | 21,22 |
Eisenoxydul | 4,35 |
Kalkerde | 2,88 |
Kali | 96,98. |
Das Fehlende besteht ohne Zweifel in Natron. Hier verhält sich der Sauerstoff von , und nahe wie , so daß diese Substanz als
|
angesehen werden kann. Ihre Menge betrug in Analyse I. 33,5 Proc., in II. hingegen nur 22,9 Proc. des angewandten Eudialyts.
Indem man nun ihre Bestandtheile zu den übrigen hinzufügt, erhält man folgendes Resultat, dem wir Stromeyer’s Analyse, nach Verwandlung des Eisen- und Manganoxyds in Oxydul, anreihen wollen:
I. | II. | Stromeyer. | ||
Kieselsäure | 47,59 | 49,92 | 52,48 | |
Zirkonerde | 15,44 | 16,88 | 10,89 | |
Eisenoxydul | 10,49 | 6,97 | 6,16 | |
Manganoxydul | 0,25 | 1,15 | 2,31 | |
Kalkerde | 11,09 | 11,11 | 10,14 | |
Natron | 11,81 | 12,28 | 13,92 | |
Kali | 0,70 | 0,65 | ||
Chlor | 1,19 | 1,19 | 1,00 | |
Wasser (Glühverlust) | 1,23 | 0,37 | 1,80 | |
99,79 | 100,52 | 98,70. |
[146] 1,19 Chlor bilden mit 0,78 Natrium 1,97 Chlornatrium. Zieht man daher 1,05 Natron ab, so sind die Sauerstoffverhältnisse folgende:
I. | II. | Stromeyer. | ||||||||||
24,73 | 25,93 | 27,26 | ||||||||||
4,06 | 4,44 | 2,86 | ||||||||||
2,39 | 8,42 | 1,58 | 7,93 | 1,40 | 8,10 | |||||||
0,05 | 0,25 | 0,52 | ||||||||||
3,11 | 3,12 | 2,85 | ||||||||||
2,75 | 2,87 | 3,33 | ||||||||||
0,12 | 0,11 |
Stromeyer’s Analyse enthält zu wenig Zirkonerde und zu viel Kieselsäure. In den beiden von mir angestellten dagegen steht der Sauerstoff von , und in dem Verhältniß von . Dieß führt ungezwungen zu der Formel:
. |
Der Eudialyt hat folglich eine sehr einfache Zusammensetzung.
Nachschrift. Als diese vorstehenden Bemerkungen
niedergeschrieben waren, erhielt ich das Juniheft von
diesen Annalen (Bd. LXII St. 2), in welchem H. Rose
bei Gelegenheit seiner Versuche über den Titanit gleichfalls
die für die Mineralanalyse so wichtige Beobachtung
vieler Fälle mittheilt (S. 265[WS 7]), daß der aus einem zersetzten
Silicat durch Kochen der Kieselsäure mit kohlensaurer
Natronauflösung bleibende Rückstand nicht als unzersetzte
Substanz ohne weiteres betrachtet werden
darf, sondern von Neuem analysirt werden muß, mithin
eine Bestätigung dessen, was wir so eben beim Eudialyt
gesehen haben, wobei noch der interessante Umstand hinzukommt,
daß in diesem Fall die Substanz eine
[147] bestimmte Verbindung darstellt. Bei der Titansäure und der Zirkonerde ergänzen sich also die Beobachtungen gegenseitig.
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ J. J. Berzelius: Lehrbuch der Chemie. 5., umgearbeitete Auflage. Arnoldische Buchhandlung, Leipzig 1856, Bd. 1, S. 120 ff. MDZ München
- ↑ Trommsdorff: Chemische Untersuchung eines hyacinthähnlichen Fossils. In: Chemische Annalen für die Freunde der Naturlehre, Arzneygelahrtheit, Haushaltungskunst, und Manufakturen. Jg. 1801, Bd. 1, S. 433 MDZ München
- ↑ W. Gruner: Zerlegung des rothen blättrigen Granats aus Grönland. In: Annalen der Physik. Band 13, Rengersche Buchhandlung, Halle 1803, S. 491 Quellen
- ↑ Stromeyer: Analyse einiger von dem Prof. von Giesecke in Grönland entdeckten Fossilien: Gieseckit, Saphirin, Apophyllit, Dichroit, Arragonit und Eudialit. In: Annalen der Physik und physikalischen Chemie. Band 63, Joh. Ambr. Barth, Leipzig 1819, S. 371 Quellen
- ↑ Pfaff: Analyse eines neuen aus Grönland von Herrn Professor Giesecke mitgebrachten Granatartigen von Herrn Prof. Stromeyer Eudyalith genannten Fossils, und Auffindung einer neuen Substanz in demselben. In: Neues Journal für Chemie und Physik. Bd. 29 (1820), S. 1 MDZ München
- ↑ M. L. Frankenheim: System der Krystalle. Ein Versuch. Sonderabdruck. Breslau 1842 MDZ München
- ↑ Heinrich Rose: Ueber die Titansäure. In: Annalen der Physik und Chemie. Band 138, Joh. Ambr. Barth, Leipzig 1844, S. 253 Quellen