Ueber das Kettenschleppschiffahrts-Unternehmen auf der Havel und Spree
[224] Ueber das Kettenschleppschiffahrts-Unternehmen auf der Havel und Spree, welches am 16. Juni d. J. eröffnet worden ist, theilen wir nachstehende Einzelheiten mit. Die in England hergestellte 23 mm starke kurzgliedrige Kette, welche ein Gewicht von 9 kg pro Meter hat, liegt in einer Länge von 22 Kilometer auf der Sohle der Spree von der Kronprinzen-Brücke in Berlin an abwärts bis in das Pichelsdorfer-Gemünde der Havel unterhalb Spandau. Das obere Ende derselben ist um einen Strompfeiler der genannten Brücke geschlungen, während das untere Ende ohne weitere Befestigung auf der Flusssohle aufliegt. Die einzelnen gegen 1 km langen Kettenstücke sind durch Kettenschlösser oder sog. Nothschäkel mit einander verbunden. Das Versenken der Kette in das Flussbett erfolgte in 1½ Tagen vom Gemünde an aufwärts in der Weise, dass das Auslaufen derselben aus dem von einem Dampfer geschleppten Lagerkahn durch starke Bremsknüppel regulirt wurde; das eigentliche Verlegen geschah demnächst durch die Kettendampfer selbst. Von letzteren ist ein grösserer Dampfer von 34 m Länge, 5 m Breite und 0,65 m Tiefgang für die Fahrt von Berlin bis nach Spandau oberhalb der Brücken eingestellt, während ein zweiter kleinerer Dampfer von 23 m Länge, 4,3 m Breite und 1,0 m Tiefgang den Schleppdienst durch die drei niedrig gelegenen Spandauer Brücken bis nach dem Gemünde versieht. Ein dritter Kettendampfer von den Abmessungen des grösseren dient als Reserve. Die Maschinen auf diesen Dampfern sind gekuppelte schrägliegende Hochdruckmaschinen von 75 bezw. 40 indicirten Pferdekräften, und die Bewegung derselben auf die vierrilligen Kettentrommeln von 1,12 m Durchmesser wird durch einfaches Vorgelege übertragen. Vom Pichelsdorfer-Gemünde aufwärts bis zur Kronprinzen-Brücke kann die Fahrt bei einem etwa 20 000 Ctr. führenden Schiffzug in 2½ bis 3 Stunden zurückgelegt werden. An der Spitze des Consortiums, welches ausser dieser Kettenschleppschiffahrt auch noch den Schleppdienst zwischen dem Pichelsdorfer-Gemünde und der Elbe mit vorläufig 4 Doppelschraubendampfern betreibt und ferner in Berlin an dem Schöneberger, Humboldt- und Nord-Hafen 5 Dampfkrahne von je 100 Ctr. Tragfähigkeit besitzt, steht der englische[1] Ingenier Henry W. Tyler. Es liegt in der Absicht des Consortiums, nicht bei diesen Anlagen stehen zu bleiben, sondern dieselben je nach Bedürfniss zu ergänzen und zu erweitern. So ist u. a. noch die Anlegung eines Hafens mit Schiffswerft auf dem Grundstück des Consortiums in Pichelsdorf geplant.
- ↑ Vorlage: engliche