Ueber Explosionen von Petroleumlampen

Textdaten
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Autor: Dr. A. Fock
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Titel: Ueber Explosionen von Petroleumlampen
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aus: Die Gartenlaube, Heft 47, S. 784-787
Herausgeber: Ernst Ziel
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1882
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[784]

Ueber Explosionen von Petroleumlampen.

Aufklärendes in Bezug auf die neue Verordnung, betreffend den Handel mit Petroleum.

Während in den übrigen europäischen Staaten schon seit längerer Zeit Vorschriften über den Verkauf von Petroleum bestanden, kraft welcher feuergefährliches Oel überhaupt nicht, oder doch nur unter besonderen Vorsichtsmaßregeln verkauft werden durfte, existirte bisher ein derartiges Gesetz bei uns in Deutschland noch nicht. Es ist also leicht erklärlich, wie gerade der deutsche Markt mit schlechten Petroleumsorten, die in anderen Ländern keinen Absatz finden konnten, überschwemmt wurde. Diese mißliche Lage erreichte ihren Höhepunkt im Jahre 1878. Daß man [786] nicht schon früher laute Klagen über schlechtes Petroleum vernahm, ist nur dem Umstande zu verdanken, daß bis dahin gute Waare in überreichlicher Menge vorhanden war. Mit dem Jahre 1876 änderte sich aber die Sachlage. Die bis dahin verwertheten Petroleumquellen im Staate Pennsylvanien, welche fast das ganze Europa versorgten, versiegten um diese Zeit, und andere in deren Nähe, im Bradford-District, gelegene wurden in Angriff genommen; freilich nicht mit dem gleichen Erfolge. Denn wenn auch die neuen Quellen an Ergiebigkeit den alten gleich kamen, so standen sie ihnen doch in Bezug auf die Güte des gelieferten Materials bedeutend nach.

Bekanntlich ist das Petroleum kein einheitlicher Körper, sondern besteht hauptsächlich aus einer großen Anzahl von Kohlenwasserstoffen, welche theils der Sumpfgasreihe, theils der Aethylengasreihe angehören, deren Eigenschaften aber so wenig von einander abweichen, daß eine Trennung dieser Kohlenwasserstoffe nicht möglich ist. Das zu Brennzwecken verwendete Oel soll nur diejenigen Glieder dieser Reihen enthalten, welche zwischen 140° und 300° sieden, und je mehr dasselbe von den mittleren Kohlenwasserstoffen, welche etwa bei 200° sieden, den sogenannten Herztheilen des Petroleum, enthält, desto besser ist es im Allgemeinen.

Die bei niedrigerer Temperatur siedenden Bestandtheile des rohen Materials kommen unter den Namen Ligroin, Petroleumäther, Petroleumbenzin, Naphta, Gasolin etc. in den Handel; die höher siedenden dagegen werden als Schmieröle verwendet; auch wird aus ihnen Paraffin gewonnen.

Das von den neuen Quellen im Bradford-District gelieferte Oel enthält nun einen weit geringeren Procentsatz von jenen mittleren Kohlenwasserstoffen, welche, wie oben bemerkt, die Güte des Petroleum bedingen. Sei es nun, daß die amerikanischen Raffineure das neue Rohöl noch nicht richtig zu behandeln wußten, sei es, daß sie in betrügerischer Absicht demselben Naphta und Schmieröle zusetzten, für welche damals noch nicht der nöthige Absatz existirte – die durch Explosionen von Petroleumlampen verursachten Unglücksfälle mehrten sich fortwährend, und die Klagen über schlechtes Oel wurden allgemein.

Die mittlerweile von den Handelschemikern vorgenommenen Untersuchungen bestätigten nur, daß das im Handel befindliche Petroleum bedeutend schlechter geworden sei und leicht zu Feuersgefahren Veranlassung geben könne. Es traten deshalb die Großkaufleute im Jahre 1878 in Bremen zu einer Conferenz zusammen und berathschlagten, wie diesem Uebel abzuhelfen sei. Sie einigten sich dahin, an Ort und Stelle der Verschickung in Amerika eine gewisse Controlle ausüben zu lassen, und es ist nicht zu leugnen, daß seitdem die Klagen über schlechtes Petroleum erheblich nachgelassen haben.

Immerhin war es aber eine dringende Nothwendigkeit, daß die Reichsregierung die Angelegenheit in die Hand nahm und ein Gesetz in dieser Beziehung ausarbeitete, welches nun mit dem 1. Januar 1883 in Kraft treten wird.

Die Feuergefährlichkeit einer Petroleumsorte ist darin begründet, daß sie reich ist an solchen Bestandtheilen, welche sich bei niedriger Temperatur verflüchtigen. Indem sich diese Dämpfe mit der atmosphärischen Luft mischen, entsteht ein explosibles Gemenge, welches sich bei Annäherung der kleinsten Flamme entzündet.

Als feuergefährlich ist nun nach der neuen Verordnung solches Petroleum anzusehen, welches bei einem Barometerstand von 760 mm. und bei einer Erwärmung auf weniger als 21° C. entflammbare Dämpfe entwickelt. Dasselbe darf nur in Gefäßen in den Handel gebracht werden, welche an einer in die Augen springenden Stelle auf rothem Grunde in deutlichen Buchstaben die nicht verwischbare Inschrift tragen „Feuergefährlich“. Wird ein solches Oel in kleineren Mengen als 50 Kilo abgegeben, so muß die Inschrift noch die Worte enthalten „Nur mit besonderen Vorsichtsmaßregeln zu Brennzwecken verwendbar“.

Die Untersuchung einer Petroleumsorte auf ihre Entflammbarkeit erfolgt mit dem Abel’schen Prober, einem Apparate, dessen nähere Beschreibung hier zu weit führen würde. Im Wesentlichen setzt sich derselbe zusammen aus einem Wasserbade, welches die langsame gleichmäßige Erwärmung bewirkt, aus einem Gefäß zur Aufnahme des zu untersuchenden Oeles und aus einem das Gefäß verschließenden Deckel, durch welchen hindurch ein Thermometer in das Petroleum hineinragt und welcher die Zündvorrichtung trägt. Letztere wird durch ein Triebwerk in Bewegung gesetzt.

Es ist indeß nothwendig, noch besonders hervorzuheben, daß auch bei Benutzung eines nach obiger Verordnung ungefährlichen Oels eine Lampenexplosion nicht ausgeschlossen ist. Freilich bei gut construirten Brennern, bei zweckentsprechender vorsichtiger Behandlung der Lampe, sowie bei gewöhnlicher Zimmertemperatur ist keine Gefahr vorhanden; sind jene Voraussetzungen aber nicht erfüllt, so können Unfälle schon vorkommen.

Zur Herbeiführung der Explosion einer Petroleumlampe ist zunächst erforderlich, daß sich im Oelbassin ein explosibles Gemenge von Dampf und atmosphärischer Luft bilde. Die Entstehung eines solchen Gemisches ist nun nicht allein von der Entflammungstemperatur des benutzten Petroleums abhängig, sondern wird in eben so hohem Grade durch die Temperatur des Oelgefäßes bedingt. Wenn nun auch das nach der neuen Verordnung als ungefährlich gestempelte Oel schon bei einer Temperatur von 21° C. entzündliche Dämpfe liefert, so kann sich in dieser Temperatur ein gefahrbringendes explosibles Gemenge noch nicht bilden; dazu ist eine weit stärkere Dampfentwickelung nöthig, und diese tritt erst bei einer um 10° höheren Erwärmung ein, wie häufig wiederholte Experimente bestätigt haben.

Eine heftige Explosion kann eben nur stattfinden, wenn circa 1/9 des Gasgemenges aus Petroleumdampf besteht; ist weniger Petroleumdampf in dem Gasgemenge vorhanden, so verliert die Reaction ihren gefährlichen Charakter, und es findet entweder ein schwaches Verpuffen statt, oder es verbreitet sich ohne merkliches Geräusch eine kaum sichtbare bläuliche Flamme über die Oberfläche des Oels, welche aber sofort wieder erlöscht. Ist andererseits erheblich mehr als 1/9 des Volumens von Petroleumdampf erfüllt, so schwächt sich die Explosion gleichfalls ab; es ist alsdann zur plötzlichen Verbrennung nicht genügend Sauerstoff vorhanden, und es erfolgt nur ein ruhiges, langsames Abbrennen des Gemisches, welches keine weiteren Gefahren nach sich zieht.

Aus Vorstehendem geht demnach hervor, daß bei einer Petroleumsorte, deren Entflammungspunkt 21° C. beträgt, der gefährlichste Punkt etwa bei 30 bis 31° liegt; steigt die Temperatur hierüber hinaus, so nimmt die Gefahr wieder ab. Für ein anderes Oel mit höherem Entflammungspunkte stellt sich natürlich auch die gefährliche Temperatur entsprechend höher.

Da nun im Allgemeinen, wie zahlreiche Versuche ergeben haben, das Oelbassin sich bei einer mittleren Zimmertemperatur von 19° bis 20° C. nicht mehr als circa 5° über die umgebende Luft erwärmt, so ist beim Brennen des vorschriftmäßigen Petroleums unter normalen Verhältnissen keine Gefahr vorhanden. Anders verhält sich freilich die Sache, wenn, wie es in stark besuchten Localen und hier wieder speciell an der Decke wohl vorkommen kann, die umgebende Luft eine weit höhere Temperatur hat, oder wenn durch die schlechte Construction des Brenners die Erwärmung des Oelgefäßes begünstigt wird. Denn wenn auch, wie bezügliche Versuche lehrten, mit steigender Temperatur die Differenz zwischen Luft- und Bassintemperatur erheblich abnimmt – sie beträgt bei 32° bis 35° im Durchschnitt nur 2° – so ist doch klar, daß in solchen Fällen die Bildung eines explosiblen Gasgemenges nicht allein möglich, sondern auch wahrscheinlich ist.

Die größte Sorgfalt ist deshalb auf die Construction des Brenners zu verwenden, insofern von dieser wesentlich die Erhitzung des Oelbassins abhängt. Flachbrenner erwärmen sich z. B. durchschnittlich viel höher als Rundbrenner; auch das Material, aus dem die Oelgefäße hergestellt sind, ist nicht ohne Bedeutung; so begünstigt Metall seiner guten Wärmeleitungsfähigkeit halber die Entstehung eines explosiblen Gemisches viel mehr als Glas, und doch finden wir gerade vielfach Flachbrenner mit metallenem Oelbassin.

Auch ist wohl zu beachten, daß eine wichtige Quelle der Dunstbildung in dem mit Oel getränkten Docht vorhanden ist, und dieser wird durch den Brennerkopf direct in seinem oberen Theile erhitzt. Nach einigen vorliegenden Versuchen erwärmt sich der Docht selbst bei guten von außen ganz kalt anzufühlenden Brennern circa 10° über die umgebende Luft, bei stark heiß brennenden Flachbrennern wurden aber sogar Temperaturen von 50° bis 60° beobachtet.

Wenn nun auch die äußere Luft regulirend einwirkt – und insofern ist auch sie von Bedeutung – indem sie die Petroleumdämpfe an den Bassinwänden zur Verdichtung bringt, so ist doch leicht verständlich, daß unter ungünstigen Umständen selbst Oele von einem weit höheren als dem vorgeschriebenen Entflammungspunkte zu Gefahren Veranlassung geben können.

Schließlich darf nicht vergessen werden, daß auch die Behandlungsweise einer Petroleumlampe nicht unerheblich zur Entstehung einer Gefahr beitragen kann. Bei nachlässiger Reinigung verstopfen sich leicht die zur Abkühlung angebrachten Luftlöcher; auch ein sogenanntes Blaken der Flamme, sei es nun durch eine falsche Stellung des Dochtes, sei es durch ein unrichtiges Aufsetzen des Cylinders hervorgerufen, befördert die Erwärmung des Oelgefäßes und somit die Entstehung eines explosiblen Gasgemenges.

Glücklicher Weise zieht die Entstehung eines solchen Gemisches nicht gleich eine wirkliche Explosion nach sich; diese kann vielmehr erst statt finden, wenn die Flamme direct mit dem Gemenge in Berührung kommt. Um letzteres zu vermeiden, ist sehr auf die etwa im Brennerboden befindlichen Luftöffnungen zu achten; sind sie zu groß oder nicht mit den genügenden Schutzvorrichtungen versehen, so findet leicht, speciell beim Ausblasen der Lampe oder bei vorhandener Zugluft, ein Rückzünden der Flamme statt. Andererseits ist darauf zu halten, daß der verwendete Docht die Hülse vollständig ausfüllt, damit keine freien Verbindungscanäle zwischen dem Bassin und der Flamme bestehen, welche in gleicher Weise ein Rückzünden begünstigen würden.

Die meisten Explosionen dürften indeß durch unvorsichtige Behandlung der Lampen veranlaßt werden, indem man beim Nachgießen von Oel in eine soeben benutzte Lampe dem Bassin mit einer Flamme zu nahe kommt, oder sogar versucht, Petroleum nachzufüllen, während die Lampe noch brennt. Vor solcher Behandlung einer Petroleumlampe kann deshalb nicht dringend genug gewarnt werden.

Ueberblicken wir zum Schluß das in Vorstehendem Gesagte, so gewinnen wir die Ueberzeugung, daß die leider noch immer nicht als selten zu bezeichnenden Explosionen von Petroleumlampen ebenso sehr, wenn nicht in noch höherem Maße, durch deren Behandlung und die Construction der Brenner, wie durch die Qualität des verwendeten Oels bedingt sind. Einen absoluten Schutz gegen Gefahren kann deshalb die neue Verordnung auch keineswegs gewähren; nur derjenige ist gesichert, welcher sich einer gut construirten Lampe bedient und dieselbe sachgemäß behandelt. Mehr läßt sich auf dem Wege der Gesetzgebung nicht erreichen. Wohl Niemand wird die Flachbrenner vom Gebrauche ausschließen wollen, weil sie leichter zu Explosionen Veranlassung geben können, da sie weit weniger Oel verzehren und doch für manche Zwecke genügende Lichtmengen liefern. Andererseits dürfte man auch die gesetzliche Bestimmung eines höheren Entflammungspunktes für das zu Beleuchtungszwecken zu verwendende Petroleum nicht gut fordern; denn schon eine Erhöhung desselben um wenige Grade hätte das Petroleum bedeutend vertheuert, während die dadurch erreichte Sicherheit kaum merklich größer geworden wäre. Hätte man wirklich allein durch die Auswahl des Petroleums jegliche Gefahr ausschließen wollen, so hätte es kaum genügt, einen Entflammungspunkt von 36 bis 40°, wie es etwa das Kaiseröl hat, vorzuschreiben; ob es aber in diesem Falle nicht ebenso richtig gewesen wäre, das [787] Petroleum überhaupt vom Handel auszuschließen oder doch für feuergefährlich zu erklären – diese Frage scheint mir nicht fern zu liegen.

Ueberdies ist zu bemerken, daß die schweren Oele mit hohem Entflammungspunkt ihrer Dickflüssigkeit wegen in den Dochten weniger gut steigen und daher eine besondere Lampenconstruction erfordern.

Vor Allem darf aber in dieser Beziehung nicht außer Acht gelassen werden, daß Deutschland derjenige Staat ist, welcher den größten Petroleumconsum aufweist (1879 wurden nicht weniger als fünf Millionen Centner verbraucht). Würde man auch nur einen um wenige Grade höhern Entflammungspunkt gefordert haben, so hätten sich die Mehrkosten doch auf etwa zwölf Millionen Mark belaufen; die Schädigung des Nationalvermögens wäre also bedeutend gewesen.

Aber auch der Handel und speciell das Exportgeschäft hätten unter einer solchen Bestimmung zu leiden gehabt, indem das deutsche Petroleum alsdann für die umgebenden Länder zu theuer geworden wäre. Von welchem Umfang aber dieser Export ist, geht wohl am besten daraus hervor, daß die deutschen Bahnen allein von dem über Bremen nach Oesterreich und der Schweiz verladenen Petroleum im Jahre 1879 an Fracht eine Einnahme von circa 1,200,000 Mark erzielten.

Wenn wir demnach am Schlusse der vorstehenden Erörterungen zu der Ansicht kommen, daß auch nach Einführung der neuen Verordnung über den Handel mit Petroleum Explosionen von Lampen durchaus möglich sind, so wird doch dieser Uebelstand durch das feste Bewußtsein gemildert, daß die Gefahr auf das erreichbare Minimum verringert wurde und daß jedenfalls die Zahl der Unglücksfälle in Zukunft noch erheblich abnehmen wird. Trotzdem ist nach wie vor die größte Vorsicht dem Petroleum gegenüber nöthig.

Dr. A. Fock.