Tran 19
[137] Tran 19
Mein Zerfahren gegen Paul Westheim, zur Gewinnung aromatischer, alkoholfreier Säfte. (Die Axt im Haus zersetzt den Zimmermann.)
Sehr geehrter Herr Westheim! (Ein jeder blamiert sich, so gut er kann.)
Zunächst bin nicht ich zerfahren, sondern Sie. (keuchend gähnt der Frosch zur Mitte.) Ich fahre, Sie zerfahren und werden zerfahren. (Und wenn es ein Knabe wird, sorge bitte für ihn.) Ich weiss nämlich genau, welchen Weg ich fahren muss (Trinkwasser ist für Menschen nur in kochendem Zustande geniessbar), Sie dagegen nicht. (Um das Leder für den Schuhkitt aufnahmefähig zu machen, ist die Klebestelle erst vom Schmutz zu reinigen.) Bitte überlegen Sie einmal (Bier macht faul, dumm und indolent), so gut Sie überlegen können (die letzten Wagen sind hinten), was eigentlich Zerfahrenheit heisst. (Seh ich dieses Rindvieh an, denk ich an meinen Christian.) Die Vorsilbe „zer“ ist im Sinne von auseinander gebräuchlich (Ueber ein Kleines o Seele voll Gram schwindet dein Kummer und geht wie er kam.): „zerkleinern, zerbröckeln, zerteilen, zernagen, zersetzen, zerfahren usw.“ (Das ist viel Leid!) Bitte überlegen Sie (für kranke Vögel verlange man nur das seit Jahren bewährte Spratts Hundekuchen!), so gut Sie überlegen können (der grösste Griesgram lacht Tränen.), wer von uns beiden auseinandergefahren ist, Sie oder ich. (Nur trocknes Leder lässt sich kleben.) Nehme ich Sie als Objekt oder Subjekt des Verbs zerfahren (Krankheit des einen wirkt schädigend auf die Gesundheit des andern.), es stimmt beides (gar mancher ist krank, ohne es überhaupt zu wissen.), Sie zerfahren die Kunst (10 000 Mark zahlt die Direktion der Pantherweibschau demjenigen, der nachweist, dass Tohrah das Pantherweib ein künstlerisches Fell am Körper trägt) und werden zerfahren von den Ereignissen, die Sie nicht beherrschen. (Kapitalisten gesucht zwecks Ausbeutung eines Patents). Aber die Kunst lässt sich nicht zerfahren (Heilig ist das Kleid der heiligen Kümmerniss) und bäumt sich auf gegen das Kunstblatt, wie ein Schwert. (Achtung: Hund beisst, klingeln!) Und nun bitte ich Sie höflich, aber dringend (Abdeckerei gleich Fortschaffung von Tierleichen), nicht mich dafür verantwortlich machen zu wollen, dass Sie (Wirtschaftsgenossenschaft, System Staubschutz) meine Kunst zerfahren wollen. (Hotel und Restaurant Zufriedenheit).
Sodann nennen Sie meine Kunst „Manier“ (Die in Berlin unter den Hunden ausgebrochene Tollwut bietet den Maulkorb- und Hundesportartikelfabrikanten auf längere Zeit recht gute geschäftliche Aussichten.) Unter Manier verstehe ich eine tote Formel, nach der man ohne inneren Zwang sich bei seiner Arbeit richtet. (Die Artikel Hosenträger, Leibriemen, Klopfpeitschen, Pulswärmer, sog. Stulpen würde alles grosse Freude bereiten.) Nach dieser Definition behaupte ich (kein Trinkzwang, Rauchen gestattet.), dass die Art, nach der Sie das Kunstblatt zusammenstellen (Hier fachmännische Anpassung) Manier ist. (Der Torfmann handelt bekanntlich ebenfalls mit einer Ware, die ihn nicht wärmt.) Dagegen werde ich beweisen, dass (Torf, Torf, Hasenfelle!) ausgerechnet Merz (Anna Blume hat ein Kind von Bender.) nicht Manier sein kann, weil es sich befreit hat von (Mir kann doch keen Mann verkohlen.) jeder Manier (Kohle ist Brot!) Aber ich werde den Versuch garnicht erst versuchen (rot orange gelb grün blau dunkelblau violett), meine Mühe wäre zwecklos (Woraus wird Leuchtgas [138] gewonnen?), denn Sie verstehen ja meinen Beweis doch nicht. (Forsche, vergleichs, erwägs, finde die Wahrheit heraus u. Honig.) Forschen Sie in meinen Tränen und andern Merzpublikationen, wenn Sie sich belehren wollen. (Dazwischen viele Lebensalter, viel Sieche, Lahme, Krüppel, Sprachlose, Geistesgestörte, sogar ein Blinder und ein Taubstummer.)
Darauf fragen Sie: „Was ist nun eigentlich die Kunst dieser Zeit?“ (Suche zwecks Kauf eines prima Geschäfts 50 Mille von Selbstgeber.) Die Frage charakterisiert Sie, Herr Westheim. (Veredelte Dauerwäsche.) Sie wissen nämlich selbst die Antwort nicht. (Die erste Tugend eines Kritikers sei Bescheidenheit) Ein Kritiker sollte Bescheid wissen (Damen-Trompeter-Korps.), einen unbescheidenen Kritiker könnte man vielleicht zerfahren nennen. (res severa verum gaudium.) Den Beweis für Ihre Zerfahrenheit liefern Sie, Herr Westheim (Wir sind ja alle Schillers Erben), indem Sie nach der einen umfassenden Formel (:) (Sagten Sie nicht Formel?) für all das Werden unserer Zeit fragen (Die ersten Wagen sind vorne.): „Munch, Valori Plastici, Brass, Fiori und auch die Zerfahrenheit von Schwitters.“ (alle Tage ist nicht Sonntag,) Sogar Musikspieldosen baut dieser zerfahrene Schwitters jetzt in Bilder ein! (alle Tage fliesst kein Wein) vielleicht merkt er es selbst, wie akademisch seine Manier allmählich zu werden beginnt. (aber du sollst alle Tage recht lieb zu mir sein!) N. B. „akademisch;“ Sie meinen damit wohl: „reif für das Kunstblatt?“ (Ein Schaf ist bekanntlich ein dummes Tier.) Sie glauben doch nicht, Herr Westheim, dass ich an einem kunstfeindlichen Organ je mitarbeiten würde? (Es erwächst nun die eine Frage: ist die Summe von Schafen, also eine Schafherde, dümmer oder klüger als das einzelne Schaf?) Munch, Valori Plastici, Brass, Fiori und Zerfahrenheit Schwitters, die Auswahl ist beliebig, zufällig. (Damen ist das Rauchen nicht gestattet.) Diese Auswahl ist so zufällig, wie die Zusammenstellung eines beliebigen Kunstblattes. (Rosen haben Beine.) Zufällig haben diese Herren gleichzeitig ausgestellt. (Gemeinde Spartakus). Aber wie konnten Sie es ahnen, dass Ihre zufällige Auswahl nicht charakteristisch für das neue Werden unserer Zeit ist. („Bä“ sagt das Schaf.) Schuhkitt ist äusserst flüchtig und feuergefährlich. (Der Dich behütet schläft nicht!) Ich will Ihnen aber die eine umfassende Formel für alles Werden in der Kunst nennen. (Neu für Europa!) Herr Westheim fallen Sie nicht in Ohnmacht! (Das Haus der Unschuld, ein Sensationsschauspiel in 5 Akten.) Fallen Sie nicht in Ohnmacht, Herr Westheim (die letzten Wagen sind vorn), wenn ich Ihnen die Formel kurz nenne (Fetthaltende Leder sind erst mit einer fettlösenden Flüssigkeit ganz sauber zu reinigen): Die umfassende Formel für alles Werden in der Kunst ist (Sonderausstellung deutscher Schäferhunde verbunden mit Vorführung hervorragender Expressionisten.) ist nämlich nichts weiter als Ehrlichkeit.
Glaube nicht allzuviel, nicht einem, nicht allen, warte nur, balde hat alles ein Ziel. (An Pflegetagen sind geleistet 166 943.) Für die Erhaltung der Damentaschenmode muss Rücksicht auf diesen ausschlaggebenden Zweig unserer Ledererzeugung genommen werden, (kleben lässt sich jedes Leder, ob alt oder neu.) doch darf nur gut trockenes Material verwendet werden. (Harry, ick hab ne Karte, ick lass zweimal knipsen! Sieger haben immer recht.
Mit treudeutschem Gruss Ihr sehr zerfahrener
Im Juli 1921