Topographia Hassiae: Wißbaden
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aus Topographia Hassiae, Text von Martin Zeiller, Illustrationen von Matthäus Merian | ||
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Es halten theils diesen Orth der Alten
Mattium zu seyn / darfür andere aber
Marpurg ansehen / wie in selbiger
Statt-Beschreibung vermeldet worden ist; vnnd
wir deßwegen vns mit niemands in Streit
einlassen wollen: noch auch mit denen
zancken / so die Usipetes hieher setzen / denen
andere ein weit von hinnen gelegenes Land
einraumen. Ist vns an diesem Ort
gnugsamb zu wissen / daß Wißbaden ein alte /
zwar nicht grosse / aber ihrer herrlichen / vnd
heylsamen Bäder halber ein berühmbte
Statt ist. Ihr älte erscheinet auß dem
alten / starcken / grossen Gemäuer / welches
von dem gemeinen Mann die
Heyden-Mawer / wie auch Pfort die
Heyden-Pfort genennet wird. Es soll aber diese
Statt (vnnd Schloß) sampt der gantzen
schönen Wein- vnnd Fruchtreichen
Herrschafft von vndencklichen Jahren / oder wie
etliche vermeynen / von dem Röm. Käyser
Adolpho / gebornen Grafen von Nassaw /
durch die Herren Grafen zu Nassau / vom
Heil. Röm. Reich / neben dem Müntz-Regal /
vnd vielen andern Freyheiten / zu
Lehen getragen worden seyn; An jetzo aber ist
solche Herrschafft auff der Röm. Käyserl.
Mayest. Special-Commission, nach
gewehrter anderhalb Jähriger Sequestration,
Herren Anßhelm Casimiren /
Ertzbischoffen zu Mäyntz / etc. vbertragen
worden: Dessen Churfürstl. Gnaden
gleichwohl den Innwohnern ihre Religion frey
gelassen.
Es hat der Churfürst zu Mäyntz / Herr Johann Schweickhard / nach tödlichem Abgang deß jungen letztlebenden Herrn Graf Johann Ludwigen von Nassau-Wißbaden / vnd Idtstein / wider Graff Ludwigen von Nassaw-Weilburg vnd Sarbrücken / allbereit praetendirt / als ob durch absterben dieses jungen Herren / die Lehen apert, [143] vnnd Mäyntz anheim gefallen / sich auch derselben Grafschafft anzumassen / vnderstanden; so aber selbiges mahl noch vermittelt blieben.
Gleich wie auch auff Absterben Graf Heinrichs von Sayn / die Churfürsten von Trier / vnd Cöln / sich vmb des Haus Hachenburg / vnd Freußberg / sampt der Statt / vnd Pertinentien / annehmen wollen; darwider sich aber Chur-Pfaltz gesetzt / vnd An. 1605. Graf Johann von Nassaw den Mittlern / hernach ältern genannt / hierzu bestellet hat: Der auch von den samptlichen Wetterauischen Grafen gegen Mäyntz / wegen Wißbaden verordnet worden ist.
Es ligt Wißbaden eine kleine Meyl von Mäyntz / oder nicht so weit / vnd vier von Franckfurt / zwo grosse Meylen von Langen-Schwalbach / vnnd 7. von Coblentz. Ob nun sie / die Statt / von den obgemelten Usipetibus, oder Vispis; oder aber den Wiesen / in welchen sie / zwischen den Bergen ligt / den Namen bekommen / lassen wir andere erörtern. Sie ist mit einem recht guten fruchtbaren Boden gesegnet; dann sie einen edlen Wein- vnnd Kornwachs / darzu stattliche Waldungen / vnd zwey vornehme angrentzende Wasser hat / als nemblich den Rhein / vnd Mäyn / deren jedes vber eine halbe Meyl nicht von dannen, aderer kleinen Bäch ganz zu geschweigen.
Die Gegend herumb wird von den Einwohnern der Einrich / Einrichiae pagus, oder Gäw / genannt. Vnd fänget allhie dz Rhingaw an / hat gegen Morgen die Grafschaft Epstein; gegen Mitternacht die Graffschafft Idstein / darzwischen nur ein Wald ist; vnd gegen Abend gräntzet sie mit dem besagten Rhingaw. Vnd ist die Statt dreyeckicht erbauet. Der grosse Wald bey derselben / wird von den Leuthen hierumb die Höhe genannt. Es hat allda / vor dem jetzigen Krieg / schöne Gärten gehabt.
Die Lufft ist vmb die Statt herumb gesund / vnd gut / ob zwar die warme Dämpf / vnd Viehezucht / wann solche vorhanden / selbige etwas ändern. Also ist auch das Brodt eines guten Geruchs / vnnd Geschmacks / derentwegen es von manchen zur Abreise mit desto grösserer Begierde / mitgenommen wird. An Rind- Hammel- vnd Kalbfleich / jungen und alten Hanen / vnd Hünern / deßgleichen an Gevögel / Eyer / Butter / Fischwerk / etc. ist zur gnüge zubekommen. Ausser deß Weins / so selbsten an dem nechst gelegenen Berg allhie herrlich wächst / hat man vor diesem auch allerhand andere / vnd darunder Bacheracher Wein allda gehabt. Das Trinckwasser aber ist nicht zum besten: Hergegen man aber Sauerwasser von vnderschiedlichen Orten / vnd auch Bier haben kan. Die Einwohner seynd gute / redliche / vnd diensthafte Leuth / welche den einkommenden Badgästen freundlich vnter Augen gehen / gern zu willen seyn / die Bäder zu rechter Zeit stätig ablassen / vnd reinigen / mit frischem Wasser widerumb füllen / zum Gebrauch der frembden Badgäst zum fleissigsten verwahren / die Häuser / vnd Cammern reinigen / mit weissen Betthen zieren / vnd männiglichen / wie ihr Ampt erfordert / solche Handreichungen thun / daß selten Klag gehöret wird. Die Bäder / oder Brunnen allhie seynd natürlich heiß / vnd Artzneyisch. Dann nicht der Menschliche Fleiß / wie an einem Kräuterbad geschicht / sondern der Natur sie / vermittelst deß Fewers / welches in den Erdklüfften erhalten wird / oder der warmen Lufft in den Gängen der Erden / also heiß / oder warm machet. Es sind aber fürnemblich vier Brunnen / oder Quellen / welche gleichwol / weilen die Mineren nicht in gleicher Maß / vnd Quantität in allen sind / mit ihrer Wärme / oder Hitze / nicht vberein kommen / vnd deßwegen auch allen Krancken auff einerley Weise nicht zu gebrauchen. Die Badhäuser / so oben offen / seynd theils an Schilden zu erkennen / als das Hauß zum gülden Adler / zum Hirsch / zur Cronen / zum Beern / zum Helm / zum Bock / zum Rindsfuß / zum Spiegel / zur Blumen / zur Rosen / zum Schwanen / zur Glocken / zum Engel / zum Vogels-Gesang / zum rothen Löwen / zum Salmen / zur Stegen / zu den 2. weissen Böcken / zum Lilien / zum Stern / zum Wildenmann / vnd weissen Roß: Theils haben keine Schild / als das Dienheimer- oder Schützenbad / vnd das Bürger- oder gemeine Bad / sampt den 2. Bädern / so in den Hospital gehörig. Vnd hat besagtes Dienheimer / oder Schützen-Bad von den Adelichen Geschlechtern Dienheim / vnd Schützen von Holtzhausen / den Namen / weil solche ihren Adelichen Sitz / vnd Wohnung vor diesem allda gehabt haben.
Das schädliche Kriegswesen hat zwar [144] auch allhie in den Badhäusern viel verändert; aber man hat / nach Müglichkeit / seydhero alles zu verbessern ihme angelegen seyn lassen. Es führet das Wißbad viererley Mineralien / nemblich / Schweffel / Saltz / Alaun / vnd Salpeter / vnnd zwar führet es deß Schweffels am meisten / vnd deß Salpeters am wenigsten. Wer ihre Vermischung recht consideriret / der wird für genehm halten / daß etliche dieses Bad für das hitzigste / oder doch eins von den 3. hitzigsten (als Carlsbad / Baden am Schwartzwald / vnd Wißbaden) gehalten. Vnd thun die Bäder allhie zu Wißbaden / nach anzeig ihrer Mineralien / wärmen / trucknen / zertheylen / erweichen / auß- vnd von oben herab ziehen / kochen / dünn machen / zurück treiben / zusammen ziehen / vnd setzen / reinigen / heylen / purgieren; vnnd seynd wider alle von kalter intemperie, oder Entrichtung / vnd vbriger Feuchtigkeit / entsprungene Schwachheiten / als Flüß / Schnupffen / Schwindel / schwere Noth / Schlag / Gicht / Lähmung / Krämpf / Contractur / Podagra / Chiragra / Hüfftwehe / Zittern der Glieder / klingen / sausen / vnd schmertzen der Ohren / schwer Gehör / vnd Taubheit / schweren Athem / Keichen / Husten / Schwind- vnnd Lungensucht / Blutspeyen / Hertzklopffen / Ohnmacht / Blehung / Widerwillen / Trucken / Schmertzen / vnd Mattigkeit des Magens / Eckel für der Speise / verlohrnen Appetit / Darmwehe / Grimmen / Durchlauff / Außgang des Affters / Wassersucht / Lebersucht / Geschwulst / vnnd Wehe deß Miltzes / Steinschwären der Nieren / Blutharnen / kalte Piß / vnnd beschwerliches Harnen / Samenfluß / verlohrne Mannheit / der Mutter-Schmerzen / Auffblähen / vnnd vorschiessen / den weissen / tröpfflenden / vnnatürlichen / hinderbliebenen / vnnd allzustarken Monatlichen Fluß / vnzeitige Geburt / vnfruchtbarkeit / Grind / Jucken / vnd Schwähren der Haut / etc. ein heylsames Mittel. Vnd empfinden dasselbe sonderlich die Phlegmatische / vnd Melancholische / vnd die von 15. biß 50. Jahr alt seyn / mit sonderlichem Nutzen. Vnd ist allda durch den gantzen Frühling / Sommer / vnd Herbst / gut baden; wann es nur nicht gar zu kalt / oder zu gar hitzig ist. Wer ein vollständigen Bericht von Wißbaden zu haben begehrt / der lese Herrn Ludwigs von Hörnigk / Käys. Mayest. vnd Fürstl. Veldentzischen Raths / Comitis Palatini Cael. vnd Med. D. Ordinarii zu Franckfurt am Mäyn / daselbsten des Jahrs 1638. in 8. außgangene Wißbades Beschreibung; Item Herrn D. Philips Weber seel. gewesenen Gräflichen Nassawischen Hof-Medici zu Saarbrücken / Thermarum Wisbadensium descriptionem, zu Oppenheim Anno 1617. in 4 Lateinisch getruckt / welcher letzte / vnter anderm sagt / daß auff diesem schönen / vnd lustigen Boden / auff welchem Wißbaden liget / Käyser Adolphus ein Gebäw auffgeführt / so Graf Ludwig von Nassaw zu einem Spital verwendet habe / darinn täglich vber die zweyhundert Arme / mit schönen Wohnungen / versehen / vnd zu seiner / deß Autoris, Zeiten / gespeist vnd geträncket worden seyen; so die Einwohner Clarenthal / oder S. Clarae vallem nennen. Es hat zu Wißbaden einen Amptmann / vnd Schultheissen. Anno 1635. vberfiel der Obrist Hohendorff / Schwedischer Commendant in Mäyntz / den 1. April / die Böninghausische allhie / hernach kam der Herr General von Piccolomini, vnnd nahm sein Hauptquartier allda. In dem 5. Theil deß Theatri Europaei wird fol. 604. b. deß ersten Drucks / folgendes berichtet: Anno 1644. haben sich (weiß nicht was vrsachen) des Obr. Wolffen / vnd Sporcken Regimenter / nach Wißbaden gewendet / selbiges Stättlein vnversehens vberstiegen / viel Burger nidergemacht / alles rein außgeplündert / mit Weibern / vnnd Minderjährigen Töchtern / vnerhörte Schand getrieben / vnd also gehauset / daß es nicht zu beschreiben. Als nun die Mühl / vnd andere Gebäu / angesteckt / vnd verbrant / seyn Sie mit dem Raub der Armee vber den Rhein gefolget. Biß hieher besagte Relation. Es gehörte jetzt dieser Ort wider den Herrn Graven von Nassaw / Weilburg / so der Augspurgischen Confession seyn / zu.
Es schreibet Romanus Hay, in Aula Eccles. et Horto Crusiano, p. 353. daß zu Clarenthal obgedacht ein Meyl wegs von Mäyntz / auff der seyten / vnd nicht gar ein Stund von gedachtem Wißbaden / auff deß Graven von Nassau / so zu Idtstein Hof halte / Grund / vnd Boden / ein Closter S. Clarae Ordens / vnnd daselbst [145] ein sehr schöner Tempel vom Gebäw / aber vnflätig / vnnd darinn der Fürsten / vnnd Graffen / auß Königlichem Römischen Geschlechte / Gräber seyen. Der Stiffter were A. 1292. Adolphus, Graff von Nassaw / Römischer König gewesen; dessen / vnd seiner Gemahlin / Fr. Ymaginae, Bildnussen / beyderseits Kniender / vnnd / mit erhobenen Händen / Gott die Kirchen vbergebender / an der Wande / mit dieser Schrifft / zu sehen: Domine, in simplicitate cunctis meis peccatis miserere. Die letzte Abbtissin allhie / sagte Er / seye Anna Brendelin von Homburg gewesen / so deß Jahrs 1553. allda begraben worden.
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