Textdaten
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Autor: Karl Theodor Rümpler
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Titel: Thierleben auf einer Eiche
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 34, S. 535–536
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1862
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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Thierleben auf einer Eiche.

Von Theod. Rümpler.

Ich habe oft bei einbrechendem Abend am Fuße unseres Waldkönigs gelagert und den wunderbaren Stimmen gelauscht, welche sich mit dem singenden Sausen des Laubgewölbes über mir mischten. Dieses leise und doch so vernehmliche Summen, Brummen, Schnurren, Geigen, das lautere Anprallen der in die grüne Fluth sich niederlassenden Nachtfalter, das Rieseln thierischer Auswürfe auf den Blättern, das Knistern der arbeitenden Freßzangen, die letzten Noten der Drossel, der Jagdruf der aus dem Baumloche fahrenden Eule, – liegt nicht in dieser Musik ein reiches Stück Waldpoesie? .

Ich habe mich dann oft in die luftigen Aeste geschwungen, um mitten in dieses thierische Kleinleben hinein zu schauen, und die Mühe war so lohnend, als hätte ich auf des Berges höchster Spitze eine Aussicht in die weite, freie Gotteswelt gesucht. Schon am Stamme beginnt die große Kette der Hausgenossenschaft. An ihm hinauf laufen Ameisen in ganzen Zügen. In der aufgesprungenen Rinde eines stärkeren Astes haben sich Eichen-Blattläuse angesiedelt. Sie sind fast so groß wie kleine Stubenfliegen und senken ihren Rüssel in das Holz, um den Saft der Eiche zu trinken. Hierher ist der Zug der Ameisen gerichtet. Sie stehen mit den Blattläusen auf freundnachbarschaftlichem Fuße und liebkosen sie durch sanfte Berührungen mittelst der Fühlhörner. Dafür kredenzen ihnen diese aus den beiden Röhren des Hinterleibes einen süßen Saft, nach dem die Ameisen sehr begierig sind. Die Bewirtheten wenden sich zur Heimath und werden durch neue Züge ersetzt, bis die Gastfreunde ihr Letztes hergegeben haben.

Etwas unbescheidenere Fresser birgt der Stamm in seinem Innern, Larven, welche hier für Jahre ihre Heimath aufgeschlagen haben. Wer in einer stillen Nacht das Ohr an den Stamm legt, hört ihre harthornigen Kiefern im Holze schroten. Aus ihnen entwickelt sich, wenn die Zeit gekommen ist, der Feuerschröter, jener stattliche, mit hirschgeweihartigen Mandibeln ausgerüstete Käfer, der königliche Spießbock, welcher bis 4 Zoll lange Fühlhörner besitzt, der goldgetüpfelte Prachtkäfer und viele andere. Und wenn sie der Nährmutter entschlüpfen, um ihren ersten Ausflug in die Welt zu versuchen, so scheiden sie doch nie für immer. Bald sehen wir den Feuerschröter wieder am Stamme sitzen und mit der pinselförmigen Zunge den süßen Saft lecken, welchen dieser aus seiner Ueberfülle abfließen läßt, und auch die Uebrigen gehen und kommen, wie Kinder, die das Vaterhaus nimmer vergessen können.

Aber siehe doch den sonderbar gebildeten Knorren an der Stelle, wo der Stamm sich zu verästeln beginnt. Man muß genau hinsehen, um zu entdecken, daß er ein großes Raupennest ist, die gemeinschaftliche Wohnung der Processionsraupen. Es ist noch Tag, und vor Abends ist hier weiter nichts zu sehen, als das Nest. Aber wenn die Sonne zum Untergange sich neigt, dann beginnt der wohlgeordnete Zug der Insassen, stammaufwärts, zuerst eine, hinter ihr wieder eine, und mehrmals eine; dann macht die Avantgarde Halt, und die übrigen Geschwister – denn alle, oft 600 und mehr, stammen von einer Mutter – stellen sich in Rotten zu zwei, drei und vier auf, und nun geht der Zug weiter nach einem Aste, den sie über Nacht vollständig entlauben, und gegen Morgen geht der Zug in gleicher Weise in das Nest zurück! Ich habe mehrmals diese sonderbaren Wanderungen beobachtet, und wenn die Ordnung des Zuges auch nicht immer dieselbe blieb, so war doch eine gewisse Regelmäßigkeit der Aufstellung nicht zu verkennen. – Nach der letzten Häutung fertigen die Raupen das für die Puppenruhe bestimmte Nest, bereiten aus Seide und den eigenen Haaren jede für sich ein Gespinnst und streifen endlich die Haut ab. Und da hängen nun die Puppen schichtenweise und eng zusammen, bis im August der ausgebildete Schmetterling die Puppenhülle sprengt und das Freie gewinnt.

Ganz so friedlich ist jedoch der Lebenslauf der Processionsraupe nicht, wie er hier dargestellt ist. Zweig auf, Zweig ab rennt auf flinken Beinen ein Raupenjäger, ein Käfer, der Sykophant genannt; seine Flügeldecken strahlen von grünem Gold und von Kupferglanz; stark ist er und edel gebildet, – ein echter Strauchritter. Ihm fällt täglich der friedlichen Wallfahrer eine Menge zum Opfer. Noch verderblicher wird ihnen seine Larve, die sich oft zu drei und vier in das Nest einschleicht und würgt nach Herzenslust, die Raupen mögen sich zwischen den schneidigen Kiefern krümmen, wie sie wollen. Aber nach einer ungewöhnlich starken Mahlzeit liegt sie träge da und unfähig, sich zu rühren. Da geschieht es gar nicht selten, daß ihre kräftigeren Cameraden trotz des Ueberflusses an Raupen über sie herfallen und sie auffressen.

In der Nähe der Nester der Processionsraupe finden sich fast stets kleine weiße Puppen an 3–4 Zoll langen Fäden zu Dutzenden aufgehängt. Aus diesen Cocons fliegen Schlupfwespen aus, deren Larven früher den Körper einer Raupe bewohnten und sie bei lebendigem Leibe aufgefressen haben. Unter diesen entdeckt man auch braune Cocons mit einem weißen Bande in der Mitte.

Sie gehören ebenfalls einer Schlupfwespenart an und besitzen das Vermögen zu springen. Wenn ein starker Windstoß die Puppe auf ein nahes Blatt oder zwischen feines Gezweige geworfen hat, dann springt sie so lange nach allen Richtungen hin, bis sie wieder frei geworden ist und an ihrem Seile abwärts hängt. Wenn aus diesen Cocons im nächsten Jahre die Wespen ausschlüpfen, dann zeigen sich auch solche anderer Art. Die Larven derselben müssen also in den Puppen gewohnt und ihre Wirthe aufgefressen haben. So waren also drei Thiere verschiedener Art in einander geschachtelt, und das ist eins der interessantesten Stücke aus dem Naturhaushalte, das einmal einen besondern Rahmen verdient.

Wir können nicht umhin, noch einige Fälle wunderbarer Planmäßigkeit mitzutheilen, welche die sinnige Naturbetrachtung, wenn sie auch vom wissenschaftlichen Standpunkte aus jede Annahme vorausgesetzter Zwecke verwerfen muß, doch als Gottesordnung aufzufassen sich nicht entbrechen kann. Von Wenigen verstanden, von Vielen auch nicht einmal geahnet, spielen ewig die Triebfedern der Natur, ringen Tausende von Kräften nach bestimmten Zielen. Und ob sie auch, wie zu gegenseitiger Vernichtung gerüstet, gegen einander stürmen, – immer ist die Frucht des Kampfes Kraftausgleichung, Ebenmaß und Harmonie in Gottes schöner Welt.

Der Großkopf, die Raupe der Schwamm-Motte, lebt vornehmlich auf Eichen und vermehrt sich in manchen Jahren so außerordentlich, daß ganze Waldungen entlaubt dastehen, wie mitten im Winter. Wenn man unter den befallenen Bäumen hinweggeht, dann fällt der Auswurf der Fresser nebst Blattfragmenten in solcher Menge auf den Hut, daß man im Regen zu gehen meint. Ist aber ein wirkliches Regenwetter im Anzüge, dann ziehen sich die Raupen von den Blättern hinweg und legen sich in einem dichten Häufen am Stamme an, und zwar an einer Stelle, die dem Regen nicht zugänglich ist. Im Sommer findet man ihre unverhältnismäßig dicken Puppen „gestürzt“ in hohlen Eichen oder an anderen vor dem Wetter geschützten Orten hängen. An ihnen beobachtet Réaumur, daß jede derselben, wenn eine Schlupfwespe naht, um sie anzubohren, sich in ihrem Gespinnste wie eine Spindel umdreht, wohl eine Minute lang, und dann wieder die gleiche, aber rückgängige Bewegung macht, bis der Feind sich zurückgezogen hat. Es mag dies also das Mittel sein, sich der Angriffe ihrer Verfolger zu erwehren. Oft erkranken sie zu Hunderten und bleiben ermattet auf dem ersten besten Blatte sitzen. Die Schlupfwespen-Made, die den Fettkörper in dem Leibe ihres Wirthes aufgezehrt hat, bohrt sich heraus und bereitet sich zwischen der Raupe und dem Blatte ein Doppelgespinnst, sodaß es den Anschein gewinnt, als ob sie von jener bebrütet würde. Die erschöpfte Raupe aber geht bald zu Grunde.

Ich könnte die Zahl dieser kleinen Lebensbilder leicht noch um Hunderte vermehren; aber es ist dem Leser nun schon einleuchtend, daß die Eiche eine reichbevölkerte Thierherberge ist und unendlichen Stoff zu den interessantesten Zeichnungen bietet. Es giebt in der That kaum einen Theil des Baumes, der nicht in verschiedener Weise bald als Fraß, bald als Wohnung, bald als beides zugleich von Insecten verwerthet würde, und auch nicht einmal die feine Oberhaut bleibt unangetastet.

Vor Allen ist es eine Raupenart, welche in der Anfertigung einer Hülse aus Blättchen der Oberhaut eine merkwürdige Geschicklichkeit entwickelt. Die Hülse ist stets an einem jüngeren Zweige befestigt und besteht aus zwei länglich-dreieckigen Flügeln, welche die breite Seite oben und die Spitze unten haben und mit den Seitenwänden aneinander stoßen und so eine Art von Schutzdach [536] bilden. Jedes Blatt ist überaus kunstreich aus kleinen rechteckigen Stückchen der Oberhaut des Zweiges in der Weise zusammengesetzt, daß sie mit den Seiten aneinander stoßen. Unter diesem Schutzdache liegt die Raupe verborgen. Von Zeit zu Zeit aber streckt sie den Kopf heraus, zieht mit den scharfen Kiefern ein Stück der Epidermis ab, geht wieder zurück und heftet das neugewonnene Baumaterial mit Fäden an den Rand des noch unfertigen Blattes.

Hat sie 3–4 Täfelchen in dieser Weise befestigt, so geht sie an das andere Blatt, um es ebensoweit zu fördern, sorgt aber stets dafür, daß bei dem Hervorgehen aus der Hülse der hinterste Theil des Körpers zu Hause bleibe. Die ganze Hülse erhält endlich die Gestalt einer dreieckig zusammengefalteten Spitzdüte. Ist aber der Bau beendet, dann schließt die Raupe den Spalt und die obere Mündung, indem sie die Ränder der Blätter durch Seidenfäden zusammenzieht, und nun gewinnt sie Zeit, an ihrer Metamorphose zu arbeiten. Will der Leser einmal dem Fortschreiten dieser interessanten Arbeit zusehen, so muß er gewandt genug sein, bis zu den äußersten Zweigen zu klettern, und zudem ist die Hülse schwer zu entdecken, da sie nur die Länge eines halben Zolls erreicht.

Nicht geringere Kunstfertigkeit zeigen mehrere auf der Eiche lebende Raupen aus der Gruppe der Blattwickler. Wenn die Blätter im Frühjahre ihre größte Ausdehnung erreicht haben, dann findet man deren viele, welche zusammengerollt sind. Diese Blattrollen waren im vergangenen Frühjahre in auffallender Menge vorhanden, sodaß einzelne Bäume dadurch ein ganz fremdartiges Ansehen gewannen. Die Form der Hülsenarbeit ist nicht gleich, indeß deutet diese Verschiedenheit nicht immer auf verschiedene Raupenarten, sondern ist bisweilen durch Zufälligkeiten in der Blattform bedingt. Bald ist das Blatt von der Spitze her in 2–3 Windungen nach unten bis zur Mitte der Fläche gerollt, und gleicht dann der unter dem Namen der Weinhippen bekannten Leckerei; bald ist das Blatt nach oben, bald von der Seite her bis zur Mittelrippe, bald von einem Rande nach dem andern aufgerollt, bald bilden zwei oder mehr Blätter eine einzige Rolle.

Die Mechanik der Blattrolle ist einfach genug, um sie zu verstehen. Zuerst heftet die Raupe an einem beliebigen Lappen des Blattes – vorzüglich gern wählt sie einen solchen, der schon von Natur gekrümmt ist – einen Seidenfaden an, befestigt denselben gegen die Mitte des Blattes und verstärkt diese Schnur, indem sie mit großer Geschwindigkeit mit dem Kopfe 2–300 Mal von dem Rande nach der Mitte hinschlägt. Dabei verfährt sie so, daß die Fäden zwei sich kreuzende Schichten bilden und dadurch um so größere Festigkeit erhalten. Dergleichen Schnüre legt sie bei der ersten Krümmung etwa drei an. Indern die Bänder durch das Austrocknen sich verkürzen, wird die beabsichtigte Krümmung des Blattes wesentlich verstärkt. Ist die erste Windung der Hülse vollendet, so schlüpft die Raupe hinein und arbeitet bei der Anlage neuer Bänder von den beiden Oeffnungen her oder unter dem Rande hervor. Nun geht die Raupe an die zweite Reihe von Bändern. Sie heftet dieselben auf dem Rücken der ersten Windung an und führt sie wieder bis zur Blattfläche. Dadurch rollt sich das Blatt noch weiter ein, und die ersten Bänder werden schlaff.

In dieser Weise arbeitet sie fort, bis die Rolle, wenn sie bis zur größten Breite des Blattes vorgerückt ist, von 10–12 Schnüren gehalten wird. Die so bereitete Hülse ist die nunmehrige Wohnung der Raupe, und die Wände derselben, die ihr Schutz gegen Unwetter und Feinde bieten, dienen ihr zugleich, von innen heraus, zur Nahrung. Ist die Rolle bis zur letzten Windung aufgezehrt, dann fertigt die Raupe eine neue an, doch geht sie bei dieser viel weniger sorgfältig zu Werke und bedient sich zum Anheften nur einfacher, sich kreuzender Fäden. In dieser neuen Hülle übersteht sie gewöhnlich auch ihre Verwandlung.

Eine andere, jedoch zu derselben Gruppe gehörige Raupe arbeitet in etwas verschiedener Weise. Sie wickelt einen einzelnen Lappen zu einer Düte, verstopft die Oeffnung mittelst eines anderen Lappens und verbindet denselben durch die vorhin beschriebenen Bänder mit der Hülse. Mit Uebergehung unzählig vieler anderer nicht minder interessanter Formen von Hülsen und Gespinnsten, sowie der bizarrsten Thiergestalten, werfen wir nur noch einen kurzen Blick auf die Gallen. Es ist bekannt, daß die Gallwespenarten die Oberhaut gewisser Pflanzen mittelst eines Legestachels durchbohren und ihre Eier in die Oeffnung schieben. Die meisten derselben sind auf die Eiche angewiesen. Der durch Verwundung des Zellgewebes erzeugte Reiz bewirkt einen verstärkten Saftzufluß und veranlaßt dadurch die Bildung jener Auswüchse, welche wir Gallen nennen, und die eigentlich Nichts sind, als die Kinderstuben jener Insecten. Zahlreich, wie die Arten der Gallinsecten, sind die auf der Eiche gefundenen Gallenformen. Sie sitzen bald auf der oberen, bald auf der unteren Seite der Blätter, bald mitten im Zellgewebe, an den Zweigen, an den Blattstielen, an den Knospen, an den Blüthenkätzchen, an den Napfhüllen und anderen Theilen des Baumes. Wie in Färbung und Consistenz, sind sie auch in Größe und Bildung unter sich verschieden. Bald gleichen sie glatten oder warzigen Kugeln, wie die für technische Zwecke aus der Levante eingeführten Galläpfel, bald sind sie glocken-, pauken- oder nierenförmig. Zuweilen stehen sie in größerer Zahl an einem langen Stiele, und dann glaubt man eine Johannisbeertraube zu sehen. Allerliebst sind einige Gallbildungen, welche an jene Emailknöpfe erinnern, wie das Landvolk sie sonst am Hemde zu tragen pflegte, und an kleinere, von den Posamentieren aus Seide gefertigte Knopfformen. Allezeit aber schließen sie die Wiege der Larve eines Gallinsects ein, welche, wenn ihre Zeit und Stunde gekommen ist, die Wand durchbricht, um sich in der Erde zu verpuppen.

So habe ich den Leser kaum von etwas Anderem unterhalten, als von Ungeziefer, wie man die niederen Thierformen zu bezeichnen pflegt, und dennoch flößen sie dem aufmerksamen Beobachter Interesse ein und haben uns so manches bunte, bewegte Lebensbild sehen lassen.

Zwar ist es eben kein erfreulicher Anblick, wenn mitten in der Fülle des Frühlings die Bäume kahl und grau zum Himmel empor starren. Aber in der That ist eine allgemeine, dem Pflanzenwuchse verderbliche Entlaubung eine seltener eintretende Calamität, welcher, mit Ausschluß der Nadelhölzer, die Waldbäume, und die Eiche zumal, eine fast unüberwindliche Lebenskraft entgegensetzen. Dazu werden die Raupen, wie wir gesehen haben, durch ihre dazu bestellten Wächter, Laufkäfer, Schlupfwespen, Raubwespen, Raubfliegen, Raupenfliegen, Wanzen und Spinnen, gebührend in Schranken gehalten. Wohl scheinen sich dieselben, wie träge, verschlafene Wächter, dann und wann um ihr Amt wenig zu kümmern; aber wenn jene ungebetenen Gäste auf dem höchsten Punkte der Machtentwickelung angekommen sind, dann wachen sie auf und rücken, mit Lanze und Schwert bewaffnet, in das Feld, und in der Regel ist das Gleichgewicht bald wieder hergestellt. Da diese Zuchtmeister der Raupen, Larven und anderen „Ungeziefers“ meist weit kleiner sind, als die ihrer Ueberwachung Anvertrauten, so entziehen sie sich leicht, wie alle Vigilanten thun, profanen Blicken. Um so interessanter aber ist es, sie kennen zu lernen und ihren geheimen Gängen nachzuspüren, und ihr Thun erscheint um so harmloser, als die Quelle desselben allein in mütterlicher Fürsorge und das Ziel in der Brutpflege gesucht werden muß.

Und über das Alles – wie würde es wohl aussehen, wenn der Fluch, der schon tausendfach über die Verwüster ausgesprochen worden, in Erfüllung ginge? Ist nicht an das niedere Thierleben das höhere in seinen anmuthigeren Formen gebunden, und würden wir nicht, wenn er Erhörung fände, alle unsere liederreichen Vögel aus Wäldern und Gärten scheiden sehen müssen? Würden wir uns wohl dazu verstehen können, unsere Nachtigallen, Grasmücken, Amseln, Drosseln und viele andere weniger melodienreiche Vögel, deren Stimmen den großen Chor verstärken und die uns durch ihr munteres, bewegliches Wesen erfreuen, unserem Eigennutze zu opfern? Selbst die Eiche gewann, trotz ihrer eigenen Herrlichkeit, in den Knabenjahren erst dann meine volle Theilnahme, als ich in ihr eine große Thierherberge kennen lernte. Sie wurde mir später eine freudenreiche Lehrstube, in die ich mich, so oft es nur zu ermöglichen war, von den harten Schulbänken flüchtete. Und noch heute finde ich in dem pulsirenden Leben des Eichbaumes manchen frischen Gedanken, der mich von der Abmattung des Alltagslebens heilt. Am ausgiebigsten an Material zur Beobachtung sind die großen Bäume, wie sie am Rande des Eichenwaldes zu stehen pflegen. Der gemeine Mann nennt sie wegen ihrer prangenden Schönheit Bräute. Wer sie verstehen lernt, gewinnt sie lieb wie eine Braut.