Thier-Charaktere/Affen
Nr. 3. Affen.
Ich habe von meiner frühesten Kindheit an eine sehr große Vorliebe für Affen gehabt, und deßhalb habe ich mich bei meinem vieljährigen Aufenthalte und meinen Reisen in den Tropenländern vielfach mit ihnen beschäftigt und sie beobachtet, sowohl im Urwalde wie in meiner Wohnung. Ob sie Verstand und Vernunft, oder nur Instinct besitzen, will ich nicht untersuchen, sondern einfach erzählen, wie ich sie beobachtet habe und wie sie mich und die mich besuchenden Freunde ergötzten.
Ich war kaum einige Tage in San Jose, der Hauptstadt Costa-Rica’s, als mir ein kleiner schwarzer Affe mit weißem Kopfe und Gesichtchen zum Geschenk gemacht wurde. Der kleine Kerl hatte noch nicht viel gesehen von der Welt, von seiner Heimath, dem schönen Urwalde, denn er war kaum 8 Tage alt, und man hatte ihm die Mutter, die ihn in den Armen trug, erschossen, um ihn zu fangen. Er war furchtsam, verkroch sich, jammerte und machte ein so trübseliges Gesichtchen, als wenn er den ganzen Kummer seiner elternlosen Lage im tiefsten Herzen fühlte. Wie ein Kind hätschelte und pflegte ich ihn, und so dauerte es denn nicht lange, daß er sich nicht mehr fürchtete, zu mir herankam und sich gern auf meinen Schooß legte.
So wie sich sein Körper entwickelte, entwickelte sich auch sein neckischer Geist. Er wurde schon manchmal unartig, untersuchte Alles, zerbrach Kleinigkeiten und stahl, und als er fünf Monate alt war, konnte er vollständig als Repräsentant seiner Race gelten in allen leichtsinnigen und dummen Streichen.
Häufig hatte ich ihn in meiner Wohnstube, deren Thür direct auf die Straße ging, frei umherlaufen. Mir gegenüber wohnte eine Frau, die Eier, Früchte und Kuchen verkaufte. Der Tisch, auf dem diese Sachen lagen, stand in der Stube nahe an der Thür, so daß man von meiner Stube aus alle diese Herrlichkeiten liegen sah. Schon oft hatte er sehnsüchtig hinüber geäugelt und sich auch wohl bis an die Thür gewagt, um das Terrain zu recognosciren; immer aber kam er leer zurück, weil die Frau seitwärts am Tische saß. Eines Tages saß ich in der Thür und las, als er an mir vorbei huschte und wieder über die Straße zu der Thür lief. Vorsichtig stellte er sich an den Thürpfosten, legte die Händchen auf die Schwelle und lugte mit einem Auge in die Stube. Im selben Augenblicke war er auch auf dem Tische, griff mit jedem Händchen ein Ei und war mit einem Sprunge vom Tische auf der Straße. Durch den Sprung fiel er auf die Vorderbeine, und um sich zu stützen, damit er nicht auf die Nase falle, mußte er entweder beide Eier zerbrechen oder eins fallen lassen. Wohlweislich that er das Letztere, und kam mit dem einen Eie angelaufen, so rasch er nur konnte. Die Frau war natürlich nicht bei ihrem Tische.
Die Freude darüber, daß ihm dieser Streich gelungen, die er durch die drolligsten Capriolen kund gab, war unbeschreiblich. Von allen Seiten wurde das Ei berochen, beleckt und umgedreht; er suchte hineinzubeißen, allein das Mäulchen war zu klein. Endlich schlug er es auf den Boden, daß es zerbrach, und leckte es auf. Als er damit fertig war, lief er auf die Straße und leckte auch das zweite Ei auf, aber mit einer Hast und indem er jeden Augenblick nach dem gegenüber liegenden Orte des Diebstahls hinsah, daß es deutlich war, er fühlte eine schwere Schuld auf dem kleinen Gewissen, für die er jeden Augenblick Strafe erwarten konnte. Ich ging nun zu der Frau, die wieder an ihrem Tische saß, bezahlte die Eier und machte sie aufmerksam auf den Dieb; denn ich war sicher, daß er es nicht beim ersten Male bewenden lassen würde. Am nächsten Morgen nahm ich ihn wieder mit in die Stube. Kaum war die Thüre offen, so huschte er wieder über die Straße und lugte auf dieselbe Weise um die Ecke in die Stube, kam aber augenblicklich zurück. Die Frau saß auf ihrem Posten! Nach einer Viertelstunde ging er abermals, und so sechsmal vergeblich. Jetzt gab er es auf und beschäftigte sich bei mir in der Stube, als wenn er Alles vergessen hätte; nach einer Viertelstunde lief er plötzlich wieder hinüber, war mit einem Sprunge auf dem Tische und kam mit zwei Eiern wie das erste Mal zurück. Ich bezahlte wieder die Eier und bezahlte sie noch verschiedene Male, bis es mir zu arg wurde. Als er dann wieder eines Tages hinüber lief, prügelte ich ihn tüchtig durch. Von der Zeit an hatte das Stehlen ein Ende. Wie ein unartiges Kind hatte er die Lehre begriffen.
Eines Morgens fand ich, wie dieses häufig passirte, in meinem Morgenschuh einen Scorpion. Der Stich dieser ekelhaften Thiere ist dort, wo ich wohnte, auf einer Höhe von 5000 Fuß in der Cordillere, nicht tödtlich, sondern verursacht nur Geschwulst, Schmerz und ausnahmsweise Krämpfe. Deshalb durfte ich wohl den Versuch machen, denselben in die Nähe des Affen zu bringen, um zu sehen, ob er wohl die gefährliche Waffe desselben kenne und wie er sich davor hüten würde, wenn er ihn fangen und fressen wollte. Ich nahm ihn mit der Pincette auf und brachte ihn zum Affen hinaus. Er bewegte sich heftig, um sich frei zu machen, und so hielt ich ihn dem Affen hin.
Der Affe besah ihn sich von allen Seiten, streckte zögernd das Pfötchen aus, um ihn zu greifen, zog es aber jedesmal wieder zurück. Es war deutlich, daß er ein großes Verlangen hatte nach dem leckern Bissen, daß er aber auch die Gefahr kannte, die ihm bei einem unvorsichtigen Griffe drohte. Ich setzte nun den Scorpion auf die Erde. So wie er frei war, legte er augenblicklich den Schwanz auf den Rücken, um zum Hauen gerüstet zu sein im Falle eines Angriffs, und fing eiligst an zu laufen. Augenblicklich wurde der Affe ganz lebendig, sprang und lief um denselben herum, streckte das Pfötchen aus um ihn zu greifen, zog es aber jedesmal wieder zurück, weil er den rechten Griff nicht machen konnte. Bei diesem Manöver drohte der Scorpion aus dem Bereiche des Affen zu kommen, weil letzterer angebunden war. Als er dieses merkte, schlug er ihn rasch und mit ungeheurer Behendigkeit vor den Kopf, daß er eine ganze Strecke rückwärts flog. Dieses wiederholte sich wohl eine Viertelstunde lang, bis der Scorpion endlich, wahrscheinlich von den Schlägen betäubt, stillstand, jedoch immer mit dem zum Schlagen bereiten Schwanze. Diesen Augenblick der Ruhe schien der Affe erwartet zu haben, denn im Nu war er hinter ihm, ergriff den Scorpion beim Schwanze so, daß das letzte Glied mit dem Stachel ihm aus der Hand stand, warf ihn sich in’s Maul, biß ab uns warf den Schwanz fort. Alles dieses war das Werk eines Augenblicks, und seine Hast zeigte deutlich, wie sehr er die Gefahr kannte.
Am ersten Tage, als ich ihn bei mir in der Stube frei herumlaufen ließ, saß er vor mir auf dem Tische und untersuchte emsig Alles, was er dort vorfand. Endlich fiel ihm auch ein Schächtelchen mit Streichzündhölzern in die Finger. Es dauerte nicht lange, so hatte er es geöffnet, roch hinein und schüttelte den Inhalt auf den Tisch. Ich nahm nun eins, riß es über den Deckel, daß es sich entzündete, und hielt es ihm hin. Voll Verwunderung riß er die kleinen Aeugelchen auf und sah starr in die helle Flamme. Ich zündete nun ein zweites und drittes an und hielt sie ihm wieder hin. Endlich streckte er zögernd das Pfötchen darnach aus, nahm es, hielt es sich vor das Gesichtchen und schaute verwundert in die Flamme. Plötzlich kam ihm die Flamme an die Fingerchen, und im Nu hatte er es fortgeworfen. Ich machte nun die Schachtel zu und stellte sie vor mir hin. Nach seiner hastigen Manier glaubte ich, daß er sich augenblicklich darüber hermachen würde. Dieses geschah jedoch nicht. Er setzte sich daneben, besah und beroch es von allen Seiten, ohne es anzufassen; dann kam er zu mir, schmiegte sich an mich und ließ seine leise bittenden Töne hören, als wenn er voll Verwunderung sei und fragen wollte: Was ist denn das? Dann ging er wieder zu der Schachtel, drehte sie nach allen Seiten um und versuchte sie zu öffnen. Es dauerte nicht lange, so war ihm dieses gelungen, und ich glaubte nun, er würde hastig hineingreifen. Allein er that es nicht! Er schien ängstlich und unsicher, hüpfte drum herum und kam endlich wieder zu mir mit seinen bittenden Tönen. Ich zündete nun wieder eins auf dem Deckel an, und hielt es ihm hin. Als es ausgebrannt war, nahm er sich eins, riß es über den Deckel, der vor ihm stand, und warf ihn dabei um. Rasch drehte er ihn wieder um, die Streichseite nach oben und fing wieder an zu reißen. Durch Zufall hatte er das Hölzchen verkehrt in der Hand. Ich drehte es ihm um, und augenblicklich fing er wieder an zu reißen, bis es zündete. Jetzt erst schien er zu sich selbst zu kommen. Sein ganzes Wesen zeigte die größte Freude und [88] Aufregung; mit der ganzen Hand griff er hinein, nahm wohl ein Dutzend und fing an zu reißen, bis sie zündeten. Als sie ausgebrannt waren und er den Griff zum zweiten Male versuchte, wollte ich das Schächtelchen fortnehmen, aber ich kam zu spät! Im Nu hatte er es ergriffen, war mit einem Satze auf der Erde, lief damit unter die Veranda und strich, so rasch er konnte, da ihm der Deckel fehlte, über die Steine. Die Steine waren feucht, und so wollte das Ding nicht gehen, und deshalb ließ ich ihn gewähren und ging wieder in die Stube. Nach einigen Minuten sehe ich ihn wieder hereinhüpfen auf drei Beinen mit dem Schächtelchen im rechten Arme, und war nicht wenig erstaunt, daß er gleich zu mir auf den Tisch kam. Ganz willig ließ er sich die Schachtel wegnehmen, schmiegte sich an mich und that wieder bittend, als wenn er sagen wollte: Wie ist denn das? das Zeug will nicht brennen, zeige es mir noch einmal! Es waren noch 14 Hölzchen übrig geblieben. Ich nahm eins heraus, riß es über den Deckel, daß es zündete, und hielt es ihm hin. So wie es ausgebrannt war, ergriff er Schachtel und Deckel, und rannte damit eiligst wieder unter die Veranda. Jetzt hatte er es begriffen! Er riß nun eins nach dem andern über den Deckel, daß sie zündeten. Nicht ein einziges ließ er übrig.
Ich hatte ihm ein gefährliches Kunststückchen gelehrt, denn ich durfte nie mehr die Schachtel so stehen lassen, daß er sie erreichen konnte.
Einer meiner Freunde, der mich fast täglich besuchte, hatte die böse Angewohnheit, ihn stets zu necken und mit dem Stocke nach ihm zu stoßen, um sich an seinen komischen Sprüngen und seinem Gesichterschneiden zu ergötzen. Das arme Thierchen konnte sich trotz seiner Behendigkeit nicht immer schützen, und flüchtete sich dann stets Schutz suchend in meine Arme. Wenn mein Freund sich nur sehen ließ, zeigte er durch Mienen, Gebehrden und Schreien seine innere Wuth an. Eines Tages war der Affe unter der Veranda, als mein Freund zu mir hereinkam und sich neben mich an den Tisch setzte. Es dauerte nicht lange, so sah ich den Affen heranhüpfen. Als er auf der Thürschwelle war und seines Feindes, der ihm den Rücken zugekehrt hatte, ansichtig wurde, stutzte er, aber im selben Augenblicke war er auch hinter ihm auf der Stuhllehne und biß ihm in’s Ohr, daß das Blut hinterherkam. Ebenso rasch war er auch wieder auf der Erde, rannte in den Hof und ließ dabei seine lachenden Töne hören, die deutlich zeigten, wie sehr er sich freute, seinen Feind gestraft zu haben.
Um diese Zeit erhielt ich noch ein junges Thierchen, so klein, daß es kaum auf seinen vier Beinchen sich halten konnte. Das arme Ding war früh Waise geworden, denn Tags vorher war ihm die Mutter, die es in den Armen hielt, erschossen worden und der leichtsinnige Vater, wie gewöhnlich, entflohen. Ich war sehr neugierig, zu sehen, wie er sich wohl gegen dasselbe betragen würde, und setzte es deshalb vor ihm auf die Erde. Es sah augenblicklich, daß nicht die Mutter ihm gegenüber stand, denn es zeigte nicht das geringste Verlangen, zu dem Alten zu kommen, sondern kauerte sich mit der kummervollsten Miene zusammen und blieb auf derselben Stelle sitzen. Der Alte dagegen richtete sich mit verwundertem Gesichte in die Höhe, staunte es an und ging dann vorsichtig zu ihm. Einen Augenblick besah und beroch er es sich und nahm es dann liebevoll in seine Arme und drückte es fest an die Brust. Ich holte nun jedem ein Stückchen Tortilla. Der Alte aß mit seinem gewöhnlichen Appetite, der kleine aber nicht; theilnahmlos wie ein krankes Kindchen hielt er das Brod in seinem Pfötchen. Der Alte war rasch mit seiner Portion fertig, und ich vermuthete sicher, daß er bei seiner angebornen Habgier nun über das Stück des Kleinen herfallen würde; allein er ließ es ihm. Ich holte nun Milch, um seine stiefväterliche Liebe auf eine noch härtere Probe zu stellen, aber auch diese rührte er nicht an. Er setzte den Kleinen auf die Erde, und erst dann, als dieser sich satt getrunken hatte, nahm er den Rest, nahm den Kleinen wieder auf den Schooß und setzte sich ruhig hin. Bis dahin war der Alte angebunden. Ich machte ihn nun los, um zu sehen, ob er wohl von ihm fortlaufen würde, da ihn seine angeborne Neugierde und Beweglichkeit sonst keinen Augenblick ruhen ließ. Augenblicklich stand er auf und ließ den Kleinen los, lief aber nicht fort. Der Kleine kletterte nun langsam auf seinen Rücken, legte die Vorderbeinchen um seinen Hals und die Hinterbeinchen um seinen Hinterleib, grade so wie die Mutter das Kleine im Walde trägt, und dann ging der Alte mit ihm in die Stube und trieb seine gewöhnlichen Allotria. So hatte er ihn nun wochenlang auf dem Rücken sitzen, bis er sich selbst helfen konnte. Er hatte den Kleinen vollständig adoptirt. Ich hatte ihm ein Stück wollener Decke gegeben, in das er sich Abends kunstgerecht einhüllte, wie die dortigen koketten Damen in ihre Shawls. Stets faßte er es an zwei Ecken an, warf es sich über den Kopf und zog es über das Gesichtchen, so daß nur für ein Auge eine Lücke blieb, und zog es dann unterm Kinn zusammen. Aber auch hiermit zeigte er, daß er seine Selbstsucht der Liebe zu seinem Pfleglinge gern zum Opfer brachte, denn so wie Abends die Zeit der Ruhe kam, legte er den Kleinen auf seinen Schooß und hüllte ihn so ein, wie eine sorgsame uns liebende Mutter dieses nur thun kann. Die gegenseitige Liebe kannte keine Grenzen.
Nichts Interessanteres giebt es, als diese Thiere im Urwald zu beobachten, wie sie spielen, zanken, sich unterhalten, sich lieben, gemeinschaftlich auf Diebereien ausgehen und den Raub theilen.
Trotz der ungeheuren Massen, die sich dort umher treiben, gelingt es doch nur äußerst selten, sie auf längere Zeit zu Gesichte zu bekommen, weil sie stets wandern und man den einmal eingeschlagenen Pfad nicht verlassen kann in dem undurchdringlichen Walde. Mir jedoch war das Glück günstig, weil ich einige Monate auf der Insel Ometepe im Nicaragua-See lebte. Die Insel hat ungefähr 8 Stunden im Umkreise, ist mit Hochwald bewachsen, der nur wenig Unterholz hat, so daß man überall sich frei bewegen kann. Sie ist fast nur von Indianern bewohnt, die in den beiden Dörfern Moiogalpa und Pueblo grande zusammen wohnen. Der Indianer ist ein großer Freund der Affen und deshalb verfolgt er sie nicht, und dieses war der Grund, daß auf diesem kleinen Eilande ihre Zahl ungeheuer groß war und sie sehr wenig Furcht vor Menschen hatten.
Eines Tages war ich auf einer Streiferei in die Nähe des Dorfes Moiogalpa gekommen. Ich hatte mich unter einen Baum gesetzt, um einige Schmetterlinge zu ordnen, die ich gerade gefangen hatte, als ich plötzlich die Affen kommen hörte. Obschon sie auf ihren Wanderungen selten einen Ton von sich geben, so hört man sie doch schon vom Weitem durch das Knistern und Krachen der trocknen Zweige, die sie bei ihrem Springen in den Bäumen zerbrechen. Dieses Mal aber tönten eine Masse Stimmen wild durcheinander, so daß sich mir die Vermuthung aufdrängte, es müsse etwas Besonderes vorgefallen sein. Es dauerte kaum einige Minuten, als der ganze Schwarm in großer Hast ankam und über mir und in den nebenstehenden Bäumen Halt machte. Die kleinen Thierchen waren in sehr großer Aufregung. Die hellen Aeugelchen blitzten wie Feuer, sie sprachen mit einander und sahen alle ängstlich und mit lang vorgestrecktem Halse nach der Gegend hin, von der sie gekommen waren. Ich brauchte nicht lange nachzusinnen, was sich ereignet haben mochte, denn ich sah einige, die reife Platanos trugen, und andere mit Maiskolben, und deshalb war es sicher, daß sie bei einem Diebstahle ertappt worden waren. Ihre ganze Aufmerksamkeit war so sehr nach dem Orte der bösen That hingerichtet, daß sie mich da unten nicht gewahr wurden, und so konnte ich sie denn ruhig beobachten. Die gemeinsame Gefahr hielt sie alle so sehr in Spannung und Aufregung, daß auch die, welche beim Diebstahle leer ausgegangen waren, nur an die eigne Sicherheit dachten und darüber den Hunger oder den Genuß der leckern Früchte vergaßen. Allein dieses dauerte nicht lange, denn als sie sahen, daß sie nicht verfolgt wurden, fing der ganze Schwarm an, wieder lebendig zu werden. Die ersten, die gleichsam zur Besinnung kamen, waren die Leerausgegangenen. Sie sahen sich nach denen um, die Beute hatten und bereits anfingen, dieselbe zu verzehren. Anfangs suchten die Besitzenden sich dadurch zu schützen, daß sie durch Hüpfen von einer Stelle zur andern den Zudringlichen auszuweichen suchten, aber dieses dauerte nicht lange, und es fielen mehrere über einen her. Nun ging es an ein Streiten, Reißen, Springen und Gesichterschneiden, wie man es sich nicht toller vorstellen kann, und an vielen Orten endete der Streit dann mit dem Sprüchworte: „Unrecht Gut gedeiht nicht,“ denn die Früchte fielen zur Erde bei dem Krawall. Ich hatte mich eine Zeitlang an diesem Treiben ergötzt, als ich seitwärts in die Höhe blickte und einen auf einem Aste sitzen sah, der ganz ungestört und mit der größten Ruhe seine Platanos verzehrte. Ich sah ihm eine Zeitlang zu und konnte mir gar nicht denken, warum denn dieser eine ungeschoren blieb. Bald aber sollte sich dieses Räthsel lösen, denn ich sah ein kleines Aermchen nach der Frucht ausstrecken. Es war [89] eine ihr Kindchen stillende Mutter. Die wilden, streitenden Männer schonten sie bei der Ausübung ihren süßen Pflicht. Jeden Augenblick kam das Aermchen wieder zum Vorscheine und jedes Mal wurde es von der Mutter zur Seite geschoben. Endlich erhob sich das Kleine und langte mit beiden Händchen nach der Frucht, und wieder wurden sie bei Seite geschoben, aber in einer etwas mehr unwirschen Manier. Als aber das Kleine sich dennoch nicht beruhigen wollte und immer wieder auslangte, gab sie ihm einige derbe Schläge, und als das noch nichts half, biß sie es, daß es laut aufschrie, warf es auf den Rücken, und fort ging es von Ast zu Ast den andern nach.