Die weiße Frau Thüringer Sagenbuch. Zweiter Band
von Ludwig Bechstein
Bonifacius
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367.
Heilsberg.

Eine gute halbe Stunde von dem freundlichen Städtchen Remda, seitwärts von der Straße, die von da das romantische Rinnethal hinab nach Rudolstadt führt, liegt, fast rings von sanft abfallenden, fruchtbaren Bergen eingeengt, das Dorf Heilsberg.

Zur Zeit des Heidenthums erhob sich auf dem stolzen Hügel südwestwärts über Heilsberg eine Burg, welche die Hochburg oder Hugoburg genannt wurde; daher heute noch im Munde des Volks Heilsberg gewöhnlich Huschberg [230] heißt. Von dieser Burg sind gegenwärtig kaum noch einige ungefügte Steine wahrzunehmen.

Auf seinem Zuge nach Thüringen kam Winfried über die steinige und rauhe Hochfläche, da, wo jetzt Treppendorf liegt, um in das schöne Saalthal hinabzusteigen. Einen ganzen Tag lang hatte er keinen Menschen und keine menschliche Wohnung angetroffen; mit der äußersten Mühe hatte er sich durch das dichte Fichten- und Wachholdergesträuch hindurchgearbeitet, ringsum nach einer Quelle spähend. Aber in dieser Wildniß fand sich nirgend ein Bach, nirgend eine Quelle, gierig hatte der lechzende Boden jeden Tropfen Wassers verschlungen, der vom Himmel auf ihn herabgefallen war.

Da endlich begrüßte ein enges Wiesenthal mitten im üppigen Föhrenwalde den heiligen Wanderer, und durch die düstern Waldhallen erschallten kräftige Hiebe eines Beiles. Aber auch hier leider nur Spuren eines versiegten Wassers. Die Begleiter Winfrieds murrten und schalten, aber der fromme Mann richtete ein brünstiges Gebet zum Herrn, der die Lilien auf dem Felde ernährt. Gehet hin und forschet bei den Männern, die da Holz fällen, wo wir eine Quelle finden! Die Diener gingen und kamen nur um so trauriger zurück. Herr, noch eine Stunde Wegs haben wir zu wandern, da erst werden wir ein Bächlein antreffen. Aber ein guter Mann hat uns den letzten Trunk aus seinem Horne geboten, wir haben ihn für Dich aufbewahrt.

Diese entsagende Liebe der Seinigen ließ Bonifacius frommes Gemüth nicht ungerührt. Freundlich forderte er von dem mitgekommenen Bewohner des Thales das Trinkhorn, und den Blick nach oben gewendet, goß er, ohne [231] zu trinken, den Inhalt des Hornes auf den trockenen Boden. Und siehe, da sprang eine helle Quelle lebendig hervor, klar und labend, als käme die Fluth aus dem tiefsten Schoos der Erde. Und die Knechte tranken und stillten ihren Durst, und der Mann aus dem Thale staunte und eilte davon, die Kunde seinen Freunden und Bekannten zu bringen. Bald eilten die Thalbewohner erfreut und erstaunt herbei; Winfried predigte ihnen von dem dreieinigen Gott, und taufte sie aus dem neuen Brunnquell, den er ihnen zum Borne des Heils weihte.