Thüringer Sagenbuch. Zweiter Band/Die Bölersmännchen

Das Götzenthal Thüringer Sagenbuch. Zweiter Band
von Ludwig Bechstein
Frau Holle im Walperholze
{{{ANMERKUNG}}}
  Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
[298]
421.
Die Bölersmännchen.

An einer Felswand, da, wo das Götzenthal und das Jonasthal in einander übergehen, ist ein Bergloch, das zugleich ein Zwergloch ist. Man nennt es das „Bölersloch“; [299] ein Volk gutartiger Zwerge, die Bölersmännchen, wohnte darin, und gehorchte einem Könige, des Namens Böler. Bei diesem so ungewöhnlichen Zwergnamen könnte man sich fast versucht fühlen, an den Bölverker der Eddadichtung zu denken, der ein Bergloch bohrte, in das er, verwandelt in einen Wurm, einschlüpfte, und der kein anderer war, als Odin selbst — wenn es überhaupt denkbar wäre, daß ein früher Nachhall der Eddamythe sich bis in diese Gegend verloren hätte. Ein Felsen im Jonasthale heißt der „Königsstuhl“, und eine hohe, breite und senkrecht abschüssige Felswand in demselben Thale heißt „der Jungfernsprung“ — weil einst ein Riese oder ein Ritter eine Jungfrau verfolgte, die in ihrer Noth und um ihre Ehre zu bewahren, die steile Felswand hinabsprang. Engelhände schirmten sie und trugen sie sanft nieder, der Verfolger aber, der unbedacht nachsprang, zerschmetterte im tiefen Abgrunde. Einst soll der Wind von oben einen Arnstädter Currentschüler hinabgeweht haben, der Schüler aber, von seinem weiten Mantel getragen, unverletzt drunten angelangt sein.

Alte Leute haben versichert, daß sie noch Bölersmännchen droben im Thalgrunde haben ihr Wesen treiben, auch im Mondscheine sie ackern gesehen haben, jetzt zeigen sie sich nicht mehr. Die Zwerge sind fort und die Riesen sind dahin. Die Ribbe des letzten Riesen war oder ist noch aufgehangen über dem Portale der Liebfrauenkirche bei Arnstadt, und sein steinerner Löffel, der „Riesenlöffel“ genannt, steckt noch neben dem Kessel desselben, der jetzt der Kesselbrunnen heißt, am Fuße des „Arnsberges“.

Seitwärts des Dorfes Espenfeld liegt ein anderes Dorf Bittstätt, und früher, wie man sagt, Betstätte geheißen. [300] Dort soll der fromme heilige Bischof Aegidius zeitweilig gelebt haben. Ein Stück Wald neben dem Dorfe heißt noch das Heidenholz, von den Heiden, welche Aegidius bekehrte.