Thüringer Sagenbuch. Zweiter Band/Der milde Herr Augustin

Verrufene Stellen Thüringer Sagenbuch. Zweiter Band
von Ludwig Bechstein
Merwigsburg
{{{ANMERKUNG}}}
  Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
[308]
427.
Der milde Herr Augustin.

In Gotha ist an einem steinernen Hause am Jacobsplatze das Bild eines Mannes, in Stein gehauen, zu erblicken, welcher an einige Kinder kleine Brode austheilt. Die Sage geht, daß vor Zeiten ein Mann, des Namens Augustin, jenes Haus besessen und bewohnt, welcher ein außerordentlicher Freund der Kinder gewesen, und nie ausgegangen sei, ohne die ihm begegnenden Kinder mit allerlei Gaben, so er in den Taschen mit sich herumgetragen, zu beschenken, und es sei gewesen, als ob der Vorrath in sothanen Taschen ein unerschöpflicher und nur so ausquellend, wie das Wasser aus einem Borne. Darüber wurde dieser Kinderfreund, Herr Augustin, sehr alt, [309] und erreichte sein achtzigstes Lebensjahr. Und als es mit ihm zum Sterben gekommen, hat man zwei Knaben in schneeweißen Kleidchen an seinem Lager sitzen gesehen, da er außerdem keine Anverwandtschaft hatte, die haben mit ihm gebetet, und ihm die Augen zugedrückt. Und als Herr Augustin begraben war, saß drei Tage lang ein Kind auf seinem Grabe, und hatte das Antlitz verhüllt, als ob es weine. Niemand kannte es und wußte, wem es angehöre.