Thüringer Sagenbuch. Erster Band/Sophias Handschuh
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Sophia’s Handschuh.
Die älteste Tochter der Landgräfin Elisabeth, Sophia, hatte sich mit dem Herzoge Heinrich II. von Brabant vermählt, dem sie 6 Kinder geboren. Das jüngste derselben war ein Sohn, des Namens Heinrich. Diesem hätte, als Enkel der heiligen Elisabeth, nach dem Aussterben des Landgrafenstammes, das Thüringerland nebst Hessen gehört, aber Heinrich Raspe hatte, als er sein kinderloses Absterben voraussah, das Erbe dem Sohne seiner ältesten Stiefschwester, Jutta, vermählte Markgräfin von Meissen, und später vermählte Gräfin von Henneberg, als Erbe zugedacht. Dieser Sohn war Heinrich, Markgraf von Meissen, der Erlauchte genannt, ein stattlicher und tapfrer junger Fürst, der bereits einen Anwartschaftsbrief vom Kaiser Friedrich II. auf die Landgrafschaft Thüringen hatte, und alsbald nach Heinrich Raspe’s, seines Stiefoheims Tode, sich beeilte, Besitz zu ergreifen, wenigstens von Thüringen, denn von Hessen als einer freien Landschaft, die dem Reiche nicht zu Lehen stand, hatte Heinrich nicht den gleichen Anspruch. Hessen erklärte sich für Heinrich von Brabant, und lud Mutter und Kind zu sich ein, [189] denn Heinrich zählte erst vier Jahre, darum hieß man ihn das Kind von Brabant. Sophia kam zuerst nach Marburg, trat, ihren Sohn auf dem Arme, unter die Bürger, und entflammte sie für des Sohnes Recht, und da wirkte gar mächtig die frische Erinnerung an die heilige Elisabeth. Aber die Herzogin von Brabant verfolgte ihres Kindes Rechte weiter. Wenn sie auch Heinrich dem Erlauchten die thüringischen Reichslehen, die er vom Kaiser empfangen hatte, nicht wol streitig machen konnte, so hatte sie doch Rechte an die alte Grafschaft Thüringen, und die Güter, welche Ludwig der Bärtige und dessen Nachkommen als Allode erworben und vermehrt hatten; daher rückte sie auch nach Eisenach vor und hielt mit Heinrich dem Erlauchten eine Tagsatzung, auf der sie sich mit ihm vergleichen wollte, und es wäre alles gut geworden, wenn die Versprechungen des Markgrafen Dauer gehabt hätten. Diese hatten aber keine Dauer, und daran waren die Rathschläge Schuld, welche dem Markgrafen gegeben wurden. Denn da die Zeit des Interregnums war, und kein Reichsoberhaupt als Schlichter des Streites vorhanden, so widerriethen Heinrichs Mannen und zumal der Marschall Helwig von Schlotheim jede Nachgiebigkeit, die der Markgraf zeigte, und zumal sprach der erstere: Wär’ es möglich, daß Ihr mit einem Fuße im Himmel stündet, und mit dem andern auf der Wartburg, so solltet ihr viel eher den einen Fuß aus dem Himmel ziehen und ihn zu dem andern auf die Wartburg setzen. Das änderte Heinrichs nachgiebigen Sinn, er verschob die völlige Ausgleichung auf den Spruch des neuzuwählenden Kaisers, und beschwur mittlerweile sein Recht auf Thüringen in der Kirche zu Eisenach auf eine Rippe der heiligen Elisabeth, und zwanzig Eideshelfer [190] schwuren mit ihm in Sophia’s Gegenwart. Da wurde die arme Herzogin von Zorn bewegt und außer sich, und in Thränen ausbrechend zog sie ihren Handschuh aus und rief: O Du, der aller Gerechtigkeit Feind ist, Teufel! Dich meine ich! Nimm hin diesen Handschuh zusammt den falschen Rathgebern, die meinen Sohn um sein Erbe betrügen! So bot Sophia von Brabant dem Teufel selbst Fehde, denn eine muthige Frau nimmt es mit dem Teufel schon auf – dabei aber begab sich das Wunderbare, daß der Teufel die Fehde annahm, denn der Handschuh, den Sophia in die Luft geschleudert hatte, kam nicht wieder herunter – und bald entbrannte blutig und schwer in seinen Folgen der Thüringische Erbfolgekrieg.