Thüringer Sagenbuch. Erster Band/Landgraf Ludwigs Tugend
← Elisabeths Vermählung | Thüringer Sagenbuch. Erster Band von Ludwig Bechstein |
Die Wunder Elisabeths → |
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext. |
Landgraf Ludwigs Tugend.
Viele Züge melden die Sagen von der Tapferkeit und Tugend Landgraf Ludwig IV. Seinen Aeltern war er kindlich und gehorsam, seiner Braut und Gemahlin treu wie Gold, seinen Freunden redlich mit Rath, und hülfreich mit That, wie nur einer es wünschen mochte. Seine Rede war sittsam, züchtig war er von Geberden, wahrhaft von Worten, rein und keusch waren seine Sitten. Seine Vorsätze waren männlich, seine Versprechungen vorbedacht, sein Gericht war gerecht, sein Beginnen mild und weise. Seine Tapferkeit war die eines Helden; er führte seine Heereszüge mit Nachdruck aus, und behandelte überwundene Gegner mit Güte und Schonung, soweit sie deren würdig waren.
Ein Herr von Salza hatte das Kloster Reinhardsbrunn dadurch geschädigt, daß er auf dessen Grunde und [166] Boden auf dem Attenberge einen Bergfrieden angelegt hatte. Der Landgraf Ludwig kam nach Reinhardsbrunn, übernachtete an einem Sonnabend dort mit seinen Wappnern, und gebot am Sonntage früh dem Abt und Convent, nicht eher Amt und Messe zu halten, bis er zurück sei. In aller Stille überraschte er die Bemannung jener Befestigung sammt ihrem Gebieter, führte sie gen Reinhardsbrunn, ließ sie mit Stricken um den Hälsen dem nun beginnenden Hochamte beiwohnen, und den Vorsängern eine Psalmstelle parodirend intoniren, und das Chor responsiren, während die Sänger in Procession durch die Kirche schritten. Darauf mußte der von Salza Urphede[WS 1] schwören, dann ward ein frohes Siegesmahl gehalten, dessen Kosten der Landgraf jedoch keinesweges vom Kloster bestritten wünschte, da aber der Kammermeister doch der Weigerung des Abtes, Zahlung für die Bewirthung anzunehmen, Folge leistete, so mußte der erstere selbst aus eigener Tasche die Kosten bestreiten.
Ein fränkischer Ritter hatte dem Kloster Reinhardsbrunn einen mit Wein befrachteten Wagen unterwegs abgenommen, und nichts konnte den guten Vätern und Brüdern störender sein, daher sie in solcher Trangsal, die ihnen den Trank vorenthielt, Hülfe bei ihrem Herrn, dem Landgrafen suchten. Da eilte dieser mit einer Schaar Gewappneter alsbald nach Franken, umstellte des Schnapphahns Schloß, drohte ihn auszuhungern, und zog nicht ab, bis jener Ritter im Büßerhemde, Strick um den Hals und ein bloßes Schwert gegen seine Brust gezückt in der Hand haltend, in seinem geöffneten Burgthore erschien, Reue und Leid klagte, und ein Fuder guten Frankenweines, Saalecker oder Neuburger etwa, welche Sorten in jener [167] Zeit als die besten erachtet wurden, nebst einem Wagen mit 6 Pferden bespannt, gen Reinhardsbrunn sandte.
So wurde in ähnlicher Weise auch einem Krämer sein Esel und Kram wieder, den ebenfalls ein fränkischer Wegelagerer und Schnapphahn ihm in der Nähe von Würzburg abgedrungen. Der Mann kam klagend zu dem Landgrafen, dieser machte die Sache seines Hörigen zu seiner eigenen, und den Esel zu dem seinigen, und suchte ihn, und ruhte nicht, bis dem Manne wieder zu seinem Rechte, seinem Krame und seinem Esel geholfen war.
Welche Mannlichkeit dem Landgrafen innewohnte, zeigt die Sage von dem Löwen, der auf der Wartburg in einem Käfig gehalten ward, und den ihm sein Schwager, der Gemahl seiner Schwester Agnes, Herzog Heinrich von Oesterreich, geschenkt hatte. Der Landgraf ging in der Morgenfrühe, aller Waffen bar und nur von einem leichten Mantel umhüllt, in den Burghof herab, siehe da trat ihm der Löwe frank und frei entgegen, da der Pförtner versehen hatte, dessen Käfigpförtlein richtig zu verschließen, und fletschte ihn an, und brüllte ganz ungethümlich, schlug mit dem Schweife stark um sich, und mochte etwa einen Sprung auf den Herrn versuchen wollen. Aber Landgraf Ludwig blickte aus festem Auge den Leuen unerschrocken an und streckte seinen Arm gegen ihn und bedreuete ihn mit starker Stimme, da besann sich dieser eines andern und legte sich nieder, wie er zu thun gewohnt war vor seinem Wärter. Der Thürmer auf der Warte sah voll Schreck, was sich drunten im Hofe begab und stieß ins Lärmhorn und schrie das Gesinde zusammen, und mit diesem stürzte entsetzt der Wärter herbei, der brachte den Löwen auf gute Weise in den Käfig zurück. Deß zum [168] Gedächtniß soll das uralte Simsonbild von Stein auf Wartburg zeugen, doch kündet die Sage nicht, daß der Landgraf mit dem Leuen so gekämpft und ihm den Rachen aufgerissen, wie das Steinbild darstellt.
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Vorlage: Urphde