Thüringer Sagenbuch. Erster Band/Die Geister des Flußberges

Die Teufelsmahten Thüringer Sagenbuch. Erster Band
von Ludwig Bechstein
Hausgeister in Brotterode
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[264]
137.
Die Geister des Flußberges.

Hinter und über Liebenstein und Steinbach erhebt sich ein oben bewaldeter Bergkopf, der mit Felszacken gekrönt ist, die sich ausnehmen wie eine Trümmerburg, mit Mauern und Thürmen. Die Felsenmauer ist 1000 Schritt lang und 20 bis 40 Fuß hoch. Alle diese Felsen bestehen aus grünlich schimmerndem Flußspath, daher der Name des Berges Flußberg. Er ist von mythischen Sagen umschwebt, und abermals einer der Heerdstätten der wilden Heeressage. Nie war es droben geheuer, nie ging gern ein Mensch allein zu dem einsamen Felsenpalast, der Geisterwohnung, zumal wann der Abend dämmerte, oder gar bei Nacht. Solche einsame Wanderer wurden stets geneckt, bald am Ohr gezupft, oder an der Jacke, oder mit Maulschellen bewirthet, die von unsichtbaren Händen kamen. Manch einer hörte sich beim Namen rufen und erblickte nie einen Rufer, oder hörte vor sich her eine wimmernde und barmende Stimme, wie von einem weinenden Kinde, und ging er nach, so war es immer eine Strecke vor ihm, und ehe er sichs versah, war er gänzlich irre geführt, oder stürzte in eine der zahlreichen Schluchten und Klüfte, zuletzt selbst in die größte, das verrufene Flußloch hinein, denn diese gähnende Kluft steht 40 Fuß weit offen zu Tage und führt in unergründliche Höhlengänge tief in den Bergesschooß hinunter. Drunten treiben Wichtlein ihr Wesen, welche in dieser Gegend „Bergmännchen“ heißen, und auch sonst in der Nähe von Steinbach und Atterode, beim Eisermannstein sich gezeigt haben, als das Bergwerk noch blühte, [265] und die Einwohner von Steinbach noch Bergknappen und nicht Messermacher, wie jetzt, waren. Das ewige pochen und klopfen der Hämmer und das schrillen und schwirren der geschliffenen Klingen hat die Bergmännchen vertrieben. Einst ging ein Bergknappe aus Steinbach auf die „Windleite“. Als er noch eine Strecke davon war, sah er eine Menge kleine Bergmännchen an der Winde stehen, und eifrig aufwinden, andere schienen ämsig bemüht, Gestein zu zerkleinern. Wie aber der Knappe täppisch näher kam, stürzten sich alle die Bergmännchen kopfüber hinab in den Schacht, die Winde versank vor seinen Augen und der ganze Schacht brach zusammen. Darüber erschrak der Knappe so heftig, daß er alsbald hinüber über den großen Hirschplatz in die Ruhl ging und sich bei einem Messerschmied in die Lehre gab, und als er ausgelernt hatte, das Messerschmiede-Handwerk in seine Heimath brachte, und dort als erster Meister sich aufthat.

Im Flußberge hat das „wüthige Heer“ einen seiner Sitze und Rastorte. Das zieht aus dem Hörseelenberge nach seiner Felsenburg und Höhle auf den großen Wartberg, von da zum Felstrümmerschloß auf den Gerberstein, von da über den großen Hirschplatz[WS 1], wo es ohnehin nicht geheuer, wo man Feuermänner des Nachts lodern und mit einander streiten sieht, auf und in den Flußberg, und läßt sich darin nieder. Wehe Dem, dem es auf seinem brausenden Zuge begegnet, denn es dreht ihm den Hals um. Nur das eine giebt Schutz, wenn man es heranbrausen hört, sich platt und der Länge lang auf den Boden und aufs Gesicht zu legen, und ein Vaterunser zu beten, denn das Heer muß mit seinen Larven stetig in der Luft bleiben, darf Gottes Erde nicht berühren, und nur in Berghöhlen [266] darf sichs einthun, um die Verdammten zu quälen, die in ihnen Pein leiden.

Die Sage eignet dem Flußberg vorzugsweise drei Männer der nächsten Umgegend zu, welche ob sträflicher Unthaten des Betruges, und des Grenzsteinverrückens, nachdem sie auf Erden schrecklich gespukt, und endlich von Jesuiten gebannt, und als böse Putze und Pöpel in das Flußloch getragen wurden. Da drunten sitzen sie und spielen mit eisernen glühenden Karten, rumoren gräulich, werfen einander ihre Sünden und Laster vor, und prügeln einander. Oft haben Leute, die durch den Flußberg mußten, ihr lärmendes Geschrei und Geheul gehört, und den Spektakel, den sie machten, ärger als das wüthige Heer.

Hier hat wieder die Hörseelbergsage einen Wiederhall gefunden, nur ist er schwach, ist spätere Verjüngung. Nicht Fegefeuerpein für verdammte Seelen insgesammt, sondern nur für drei – gleich den drei Alten im Zopten – und den Geistern im Innern der Burg Waldstein, die der Feilenhauer von Butzenreut, ein Erzpöpelsträger, hinunter trug und drinnen fest bannte.[1] Kein treuer Eckart und keine Frau Hulda wird genannt, und dennoch ist die Oertlichkeit wichtig. Fast überall, wo wüthiges Heer, wilde Jagd, Wild-G’fahr (tirolisch), in sagenhafter Erscheinung begegnet, sind auch Wichtlein in Bergen und Wäldern heimisch – so auch hier, und wenn bis jetzt hier unmittelbar noch keine Beziehung beider zu einander kundbar wurde, so schließt das nicht die Möglichkeit aus, daß sie dennoch vorhanden sei, aber nur geheim und stillfortlebig, nicht in jedem Munde.

  1. Siehe D. S. B. Sagen 648 und 701.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Hirschpaltz