Das Mädchen von Schwarza Thüringer Sagenbuch. Erster Band
von Ludwig Bechstein
Das verwünschte Dorf
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[73]
46.
Das Vögelein.

Im Dorfe Dillstedt ist ein Platz, dem Wirthshause gegenüber, den nennen die Leute in ihrer Volkssprache nur „die Malschtt“, soll heißen Malstätte, die Stätte des Gerichts, und es war üblich, daß jeder Hochzeitzug, wenn er sich nach dem Wirthshause begab, über diese Stätte [74] sich bewegte. Seitwärts auf dem Mäuerlein grünte eine Harchels(Stachel)beerhecke. Nun geschah es, daß auch einstmals ein Brautpaar fröhlich und glücklich, die Musik voran, die Gäste in langen Reihen hinter sich, über die Malschtt zog. Siehe da saß in der Hecke ein schneeweißes Vögelein und sang:

„Heut wirst du hinauf geklungen,
Und übers Jahr hinauf gesungen!“

Das hörten aber die Brautleute kaum in ihrer Glückseligkeit. Aber wie das Jahr um war, so wurden beide von einer schnellen Seuche hingerafft, und wurden mit Trauerbegleitung und Todenliedern desselben Weges getragen, aber nicht hinauf ins Wirthshaus, sondern hinauf auf den Gottesacker. Seitdem das geschehen ist, geht kein Brautzug mehr über die Malschtt nach dem Wirthshaus, sondern es wird lieber ein großer Umweg gemacht.