TBHB 1946-10-27
Einführung
BearbeitenDer Artikel TBHB 1946-10-27 zeigt die ungekürzten Tagebuchaufzeichnungen von Hans Brass vom 27. Oktober 1946. Diese Aufzeichnungen erstrecken sich über zwei Seiten.
Tagebuchauszüge
Bearbeiten[1] Gestern schrieb ich Briefe an Dr. Hertwig – Bln-Zehlendorf u. an Manfred Pahl-Rugenstein, ebenfalls Zehlendorf, um beide für eine Ausstellung meiner Bilder in Zehlendorf im „Haus am Waldsee“ zu interessieren. Heute schrieb ich an Prof. Resch vom Kulturbund Berlin wegen der s. Zt. von ihm geplanten Ausstellung u. ferner an Ilse Langner, um durch sie vielleicht die Berliner Presse für meine Schweriner Ausstellung zu interessieren. Auch Prof. Resch soll Dr. Adolf Behne dafür interessieren.
Nachmittags 5 Uhr war Gottesdienst bei sehr geringer Beteiligung. Der alte Sudetenpfarrer ist doch schon sehr taperig, obgleich er erst 63 Jahre alt ist. Er kam zur Messe herein ohne Meßgewand, was er erst [2] merkte, als er schon vor den Altar stand u. das Staffelgebet beginnen wollte. Er mußte wieder zurückgehen u. das Meßgewand anlegen. Dann vergaß er vor dem Evangelium das „munda cor“ zu beten u. merkte es erst, als er bereits „Dominus vobiscum“ gesungen hatte. Zum Schluß sagte er anstatt des „ite missa est“, – „requiescant in pace“. Gepredigt hat er über Christus den König, daß es zum Davonlaufen war. –
Abends ging, wie jetzt immer, um 6 Uhr 15 das Licht aus, erst kurz vor 9 Uhr geht's wieder an. Fritz war in dieser Zeit bei Dr. Burgartz, von dem das Gerücht ging, daß er den Vorsitz der Ortsgruppe des Kulturbundes niedergelegt habe. Dr. B. bestätigte dieses Gerücht u. daß er mich als seinen Nachfolger vorgeschlagen habe. Fritz sagte ihm natürlich, was Dr. B. ja auch wußte, daß ich dieses Amt auf keinen Fall übernehmen würde u. daß es wohl das beste wäre, die Ortsgruppe wieder aufzulösen, zumal da ja seitens der Behörden das gegebene Versprechen, Ahrenshoop nicht mit Flüchtlingen zu belegen, nicht gehalten worden wäre. Dabei stellte sich heraus, daß der Ort im Gegenteil noch weitere 600 Flüchtlinge bekommen soll. Das Ganze soll angeblich eine Strafmaßnahme sein, weil in Ahrenshoop so schlecht gewählt u. die SED. hinten runtergefallen sei. – Nun, erstens ist es schlechthin unmöglich hier noch 600 Flüchtlinge unterzubringen; aber 60 wären auch schon genug, um die Idee, „Ahrenshoop als Kulturbund-Bad“ zum Einsturz zu bringen. Außerdem wäre es ja reizend, wenn man diese Flüchtlinge dazu verwendete, um unliebsame Ortschaften mit ihnen „zu bestrafen“. –
Dr. B. hat Fritz die Anschrift eines Freundes gegeben, ein Dr. Erwin Kroll in Bln-Friedenau, Laubacherstr. 14., welcher in der Lage sein soll, die „Neue Zeitung“, die in München erscheint u. gern Kunstnotizen bringt, besonders wenn es sich um moderne Kunst handelt, zu bewegen, über meine Schweriner Ausstellung wenigstens eine Notiz zu bringen.
Herr v. Achenbach soll das Gerücht verbreiten, daß einer dieser KPD=Pastoren, Herr v. Jüchen, in der kommenden Woche an der Rostocker Universität einen Vortrag gegen den Expressionismus halten wird. Ich halte das für unglaubhaft. Pastor v. Jüchen ist ein Freund von Pastor Kleinschmidt, der bestimmt kein Gegner expressionistischer Kunst ist, u. außerdem hieße es, Eulen nach Athen zu tragen, wenn man hierzulande gegen den Expressionismus sprechen wollte. Wenn überhaupt, dann kann man hier nur für ihn sprechen. Aber man sieht, daß auf allen Gebieten die Luft hier immer dicker wird u. keiner mehr dem anderen traut. Das Leben, – ohnedies nicht leicht –, wird dadurch immer weniger angenehm u. es ist wirklich des Ueberlegens wert, ob man dem nicht entfliehen soll, diesmal nach Berlin, wo es doch anscheinend noch einen Kreis von Menschen gibt, der sich von diesen Dingen frei hält. Martha behauptet jedenfalls, daß der Rechtsanw. Hoffmann in solchem Kreise verkehrt. Aber wie soll man dort eine Wohnung finden?