TBHB 1946-10-24
Einführung
BearbeitenDer Artikel TBHB 1946-10-24 zeigt die ungekürzten Tagebuchaufzeichnungen von Hans Brass vom 24. Oktober 1946. Diese Aufzeichnungen erstrecken sich über zwei Seiten.
Tagebuchauszüge
Bearbeiten[1] Es geht heute besser. Temperatur morgens 372, während ich gestern Abend noch 383 hatte.
Es liegen nun die Wahlergebnisse vor. Tatsächlich hat die SED. die große Mehrheit überall, außer in Berlin. In der Provinz Brandenburg bleibt die SED sowohl im Landtag, wie in den Kreistagen etwas hinter der Summe von CDU u. LDP. zurück u. ebenso ist es im Landtag der Provinz Sachsen. Sonst aber hat die SED. überall die absolute Mehrheit, außer wie gesagt in Berlin. Dort steht die SED erst an dritter Stelle hinter der CDU. Die Summe der CDU= u. LDP= Stimmen reicht noch nicht entfernt an die Stimmen der SPD heran, sodaß, wenn SPD. u. SED. zusammengehen, was meist der Fall sein wird, eine absolute sozialistische Mehrheit vorhanden ist. Aber das Entscheidende ist, daß die SPD. mit riesiger Ueberlegenheit über die SED gesiegt hat. Die Landeszeitung versucht, diese Tatsache damit aus der Welt zu schaffen, als sie einfach keine Notiz davon nimmt. – Dafür bringt sie in der letzten Nummer noch einmal den Artikel: „Es geht um die Idee – nochmals die Hans-Brass-Ausstellung“, – den sie genau so gestern schon gebracht hatte. Es liegt wohl ein technisches Versehen vor da derselbe Artikel gestern mit den Büchstaben „Ro“ versehen war, also nur in der Rostocker Ausgabe erschienen war. Daraus hatte ich geschlossen, daß der ungenannte Verfasser Dr. Burgartz sei. Herr B. hatte mir ja damals in Schwerin bei der Vorbesichtigung heilig versprochen, für mich in der Presse eintreten zu wollen, wenn ich angegriffen werden würde. Ich hatte nun geglaubt, [2] er hätte dieses Versprechen eingelöst, aber –, vorsichtig wie er ist –, lieber seinen Namen nicht genannt. Nun ist aber diese heutige Wiederholung unterzeichnet mit dem Signum: „– é –“. Das kann also kaum Burgartz sein. Es muß aber doch wohl ein Rostocker sein, da der Artikel ursprünglich nur für Rostock erschient. Ich kenne jedoch hier niemanden, dessen Name mit e endet außer Herrn Gené, der aber kaum dafür in Betracht kommt. Doch mag das nun sein wie es will, diese Wiederholung ist sehr nützlich. In diesem ganzen Monat ist mein Name öfter in der Landeszeitung genannt worden als irgend ein Name eines Wahlkandidaten.
Nachmittags kam Dr. Meyer, den Martha ohne mein Wissen hatte holen lassen. Er untersuchte mich, fand jedoch nichts, nur stellte er wieder fest, daß ich immer noch entsetzlich mager wäre u. auch sonst schlecht aussehe. – Nun ja, – das stimmt beides leider wohl, es fehlt eben einfach die Nahrung.
In Wustrow singen die jungen Leute auf der Straße nach der Melodie des Horst-Wessel-Liedes:
„Die Preise hoch –, –
die Läden fest geschlossen.
Die Kalorien sinken Schritt für Schritt.
Es hungern stets dieselben Volksgenossen –,
die andern hungern nur im Geiste mit! –