TBHB 1946-09-20
Einführung
BearbeitenDer Artikel TBHB 1946-09-20 zeigt die ungekürzten Tagebuchaufzeichnungen von Hans Brass vom 20. September 1946. Diese Aufzeichnungen erstrecken sich über zwei Seiten.
Tagebuchauszüge
Bearbeiten[1] Gestern kam ich nicht weiter, weil es dunkel wurde. Es herrschte gestern ein sehr starker Sturm, mehrere Bäume des Dorfstraße wurden entwurzelt u. der elektrische Strom versagte, er ist auch heute noch nicht wieder da.
Herr Welk wird mir also baldigst Nachricht geben, wann meine Ausstellung sein kann. Seine Frau bleibt noch hier u. er wird sie abholen. Es scheint also, als ob die Sache nun in Schwung käme. Ich habe gleich an Frau Haeffner vom Landessender geschrieben u. ihr die Sachlage mitgeteilt. Ich habe ihr vorgeschlagen, daß ich am Tage vor der Ausstellungs-Eröffnung das Referat selbst im Rundfunk sprechen werde. Herr Welk war sehr einverstanden mit meinem Vorschlag, die Ausstellung mit geladenen Gästen zu eröffnen, wozu ich dann eine Rede halten werde nach einigen einleitenden Worten, die Ehm Welk selbst sprechen wird. Auf diese Art kann diese Sache für Schwerin ein künstlerisches Ereignis werden.
Heute Vormittag wurde das Bild „Aufbruch“ fertig. Es ist ausgezeichnet geworden. Ich werde sofort einen Rahmen u. eine Kiste machen lassen, [2] damit dieses Bild noch mit zur Ausstellung gelangen kann. Es wird diese sehr bereichern u. man kann mir nicht vorwerfen, daß ich nur Blumen u. religiöse Motive male u. mich an den Gegenwartsereignissen vorbeidrücke.
Nachmittags war die Schriftstellerin Ilse Langner bei mir in Begleitung einer Frau (oder Fräulein?) Mommen, beides überaus angenehme Menschen, die sich mit großer Gründlichkeit u. tief gehendem Interesse meine Bilder ansahen. Es war für mich eine tiefe Freude, diesen beiden meine Bilder zeigen zu können, Beide baten darum, die Bilder noch ein zweites Mal sehen zu dürfen, was ich ihnen gern zusagte. Solche Menschen stellen Ueberlegungen u. Reflexionen an, die sie aussprechen u. von denen man bereichert wird. So stellte Ilse Langner fest, daß eine Linie in meinem Schaffen von der Weihnachtskrippe ausgeht, über das Portrait von Dr. Tetzlaff führt u. momentan im letzten Bilde „Aufbruch“ endet. Das ist sehr hell gespürt u. mir selbst noch nicht bewußt geworden. Das Erfreulichste aber war, daß Ilse Langner meinte, daß diese Linie noch längst nicht zuende sei, daß man vielmehr noch sehr viel erwarten könne, – während die religiöse Linie im Christkönig kulminiere u. dieser Höhepunkt wahrscheinlich nicht mehr überstiegen werden könne. Auch das scheint mir richtig zu sein. Ich werde höchstens noch einmal etwas ähnliches malen können wie den Christkönig, aber darüber hinaus werde ich kaum kommen.
Der Sturm gestern hat böse gehaust. Es sind nicht weniger als sechs Bäume in der Dorfstraße entwurzelt worden u. haben mehr oder weniger Schaden getan. Trotz großer Zerstörungen ist das Lichtnetz heute Abend aber schon wieder in Ordnung. Es ist aber sehr kalt geworden, sodaß ich abends den elektr. Ofen angemacht habe.
Heute haben wir zwei junge Hühner bekommen. Hanschatz hat uns schon vor längerer Zeit einen Stall hinter der Waschküche eingerichtet. Ich hoffe, daß wir noch mehr Hühner bekommen werden. Futter haben wir auch. Da wir im Sommer schon einige Kaninchen bekommen haben, werden wir unseren Speisezettel in Zukunft sehr verbessern können. Gestern u. heute hat Hanschatz uns auch Holz angefahren. Auch Preßkohlen haben wir im Sommer bekommen u. werden vielleicht noch mehr bekommen für die Werkstatt der BuStu. Dennoch werden wir sehr sparen müssen u. die Zentralheizung nur an ganz kalten Frosttagen heizen können. Ich werde in meinem Schlafzimmer einen Ofen stellen lassen u. wir werden dann alle dort sitzen. Wir haben auch Kartoffeln zu enormen Preisen gekauft u. werden hoffentlich im Winter etwas mehr zu essen haben wie im vorigen Jahre.