TBHB 1943-08-07
Einführung
BearbeitenDer Artikel TBHB 1943-08-07 zeigt die ungekürzten Tagebuchaufzeichnungen von Hans Brass vom 7. August 1943. Diese Aufzeichnungen erstrecken sich über zwei Seiten.
Tagebuchauszüge
Bearbeiten[1] An der Ostfront haben wir nicht nur Orel den Russen überlassen, sondern auch Bjelgorod. Der Verlust dieser letzteren Stadt, sowie der Verlust Catanias, ist in unserem Herresbericht noch nicht zugegeben. –
Gestern Abend war Erzpriester Feige u. P. Dubis bei uns. Leider waren Martha u. ich sehr müde. Ich schenkte dem Pfr. Feige eine neue Tabakspfeife, über die er sich sehr freute. – Die allgemeine Nervosität hält an, die Evakuierung Berlins wird mit Hochdruck fortgeführt. Nennenswerte Einflüge der Engländer fanden jedoch bisher nicht statt. Man erwartet sie erst Ende des Monats, wenn die Nächte länger geworden sind u. der Vollmond scheinen wird.
Gestern kamen Zigaretten, die Sendung war arg bestohlen.
Es geht jetzt ein neues Gerücht: Der ehemalige Kronprinz soll in Berlin sein u. Verhandlungen führen zur Aufstellung einer neuen Regierung. Es ist das seit Langem ein Wunschtraum nicht nur deutschnationaler Kreise, sondern auch breite Kreise des Mittelstandes u. auch viele Arbeiter sind dafür zu haben. Gegenwärtig gewinnen solche Ideen zweifellos an Wirklichkeit. Zwar glaube ich nicht, daß der Kronprinz, falls er wirklich solche Absichten verfolgen sollte, auf die Dauer damit Erfolg haben wird; aber im Augenblick wäre seine Person zweifellos ein Centrum von sehr starker Anziehungskraft u. er könnte die Sache in's Rollen bringen. Sicher werden viele hohe Offiziere u. Beamte hinter ihm stehen, doch ist es ein sehr gefährliches Spiel, bei dem er leicht das Leben verlieren kann. Vielleicht aber ist das die einzige Möglichkeit, aus dem Dilemma herauszukommen.
Im Führerhauptquartier sollen ebenfalls bedeutende Verhandlungen geführt worden sein, an denen Göring, Goebbels, Speer [2] Himmler u. die übrigen hohen Bonzen teilgenommen haben. Natürlich auch Ribbentrop. Es wird gesagt, das Ribbentrop nach diesen Besprechungen nach Rom gereist sei u. Göring nach Hamburg. Letzteres wird heute in der Zeitung bestätigt, also wird wohl auch das erste wahr sein. Göring taucht also nach langer Versenkung wieder auf u. begibt sich zum ersten Male dahin, wohin er als Luftfahrtminister gehört, nach Hamburg. Es wird ihm nicht wohl dabei sein.
Der Heeresbericht gibt jetzt endlich die Räumung von Catania zu. Es macht den Eindruck, als befinde sich die Front auf Sizilien in der Auflösung. In Italien ist der Ausnahmezustand nun über das ganze Land verhängt. Ferner scheint es so, als wäre unsere Ostfront nördlich Charkow in schwerer Gefahr. Es geht mit Riesenschritten dem Zusammenbruch entgegen. –
Seit einigen Tagen sind die jungen Besitzer des von den Aquinataschwestern gepachteten Hauses hier. Besonders der junge Herr Claassen scheint es darauf anzulegen, Streit zu entfesseln, um den Pachtvertrag vorzeitig zu zerbrechen. Morgen haben wir Hochamt dort u. ich hoffe, daß es da keine Schwierigkeiten gibt. Bis Mittwoch bleiben die geistl. Herren noch hier, dann wird wohl so wie so Schluß sein. Die Sr. Oberin will übrigens am Mittwoch kommen. Es scheint, daß die Sache nicht länger zu halten ist. –
Von Frau Dr. Hildegard Wegscheider heute ein sehr schöner Brief an Martha, in dem sie flehentlich bittet, wir möchten doch den kleinen Jens behalten. – Natürlich behalten wir ihn, man kann den Jungen jetzt nicht nach Bln. schicken, wenngleich er uns auch eine Last ist.