Textdaten
Autor: Hans Brass
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Titel: TBHB 1935-10-19
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Entstehungsdatum: 1935
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Originaltitel: Sonnabend, den 19. Oktober 1935.
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Quelle: Commons
Kurzbeschreibung: Ungekürzte Tagebuchaufzeichnungen vom 19. Oktober 1935
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Einführung

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Der Artikel TBHB 1935-10-19 zeigt die ungekürzten Tagebuchaufzeichnungen von Hans Brass vom 19. Oktober 1935. Diese Aufzeichnungen erstrecken sich über drei Seiten.

Tagebuchauszüge

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[1]
Sonnabend, den 19. Oktober 1935.     

[1]      Schon seit längerer Zeit ist es schwer, Butter zu bekommen, aber schließlich konnte ich doch immer noch zum Sonntag ein Viertelpfund irgendwo ergattern. Heute früh aber gibt es überhaupt keine Butter mehr. Wie hätten wohl die Nationalsozialisten früher von der Unfähigkeit einer Regierung geredet, wenn das einer anderen Regierung passiert wäre. Nicht von Unfähigkeit, sondern von Bankrott hätte man geredet. Und dieses Wort trifft ja wohl auch zu! Es handelt sich doch einfach nur darum, daß das Reich kein Geld hat, um im Auslande Butter zu kaufen. – Da es auch nur wenige Schweine gibt, so kann man auch kein Schweineschmalz kaufen. Es bleibt also nur Margarine.

     In der „Deutschen Zukunft“ lese ich Presse-Stimmen des Auslandes zum Kriege. Es handelt sich jetzt hauptsächlich um die Sanktionen, die der Völkerbund gegen Italien auf Grund seiner Satzungen anwenden muß. Man hat in diesem Sinne die Waffenausfuhr nach Italien verboten u. den Kredit gesperrt, – doch war letzteres wohl so wie so nicht vorhanden. Und da Oesterreich u. Ungarn sich an den Sanktionen nicht beteiligen wollen, so sind Italiens Grenzen für eine illegale Waffeneinfuhr über Oesterreich offen. Außerdem wird diese Waffensperre Italien nicht sehr treffen. Aber auch die sonstige Ausfuhr von Waren nach Italien ist gesperrt, – es ist also eine Art Blockade, die aber sicher nicht sehr wirksam sein wird, da sie nicht vollständig ist. Außerdem schädigen sich durch diese wirtschaftlichen Sanktionen andere Länder, die eine erhebliche Ausfuhr nach Italien haben, selbst sehr, woraus zu schließen ist, daß die Begeisterung dieser Länder für Sanktionen gering sein wird.

     Aber man geht nun weiter. Man sagt, daß, wenn diese Sanktionen nicht genügen, man kriegerische Sanktionen verhängen muss. Dieses würde dann sofort den Krieg aller gegen alle bedeuten.

[2]      So ergibt sich die Groteske, daß der Völkerbund, der zur Verhütung von Kriegen da ist, nicht nur diesen Krieg nicht verhüten konnte, sondern daß er, indem er pflichtgemäß kriegerische Sanktionen verhängt, damit einen neuen Weltkrieg entfesselt. In einer französischen Zeitung heißt es: „Die Engländer können mit Rücksicht auf die Wahlen nicht mehr zurück. Die Italiener können aus Prestigegründen nicht zurück. Beide Lokomotiven rasen gegeneinander, u. die Mechaniker sind nicht mehr imstande, den Dampf abzulassen.“

     In einer anderen französischen Zeitung wird ein Blick auf die internationalen u. weltpolitischen Zusammenhänge geworfen, wobei garnicht einmal die eigentlichen europäischen Gefahren behandelt werden. Es heißt dort, daß, wenn die Italiener scheitern sollten, alle Europäer in ganz Afrika dies zu büßen haben werden. Sollte der Krieg lange dauern, so würde sich vom Nil bis zum indischen Ozean ein „fürchterlicher Nationalismus“ entwickeln. Sollten aber die Italiener Sieger sein, dann wäre die Stellung Englands erheblich geschwächt, – sowohl in der Sicherheit seines Kolonialbesitzes, wie auch Japan gegenüber, denn Japan hat bereits selbst in Abessinien festen Fuß gefaßt u. wird sich dort nicht mehr vertreiben lassen. Der Krieg hilft natürlich den Japanern gewaltig, sich Sympatien bei den Abessiniern zu erwerben.

     Also selbst wenn es gelingen sollte, einen allgemeinen Weltkrieg zu vermeiden, so sieht man doch, wie dieser Krieg auf jeden Fall mit neuem Verlust des Ansehens der weißen Rasse bei den Farbigen enden wird. In der Tat hat im Völkerbund auch bereits der Vertreter von Haiti, ein General Nemours, eine Rede gehalten, in der er sagte: „Von dieser Tribüne der Gerechtigkeit u. Wahrheit aus weiß ich, daß alle die Millionen schwarzen u. farbigen Menschen, die in der Welt zerstreut leben, eine Minute schweigend verharren, um mich aufmerksam anzuhören.“ –

     Das Ende Europas war nie sichtbarer, wie heute!

     Heute habe ich die neuen Drucke, die ich gemacht habe, in Passepartouts getan. Sie sind nicht schlecht, aber im Ganzen zu dunkel, ich werde nicht wieder so schneiden, daß so viel Schwarz stehen bleibt.

     Mittags war ich lange in der Kapelle, fast 2 Stunden. Nachmittags, wie täglich, Exegese gearbeitet, dann gelesen in dem Buche von Donoso Cortéz: Der Staat Gottes, das mir s. Zt. P. Muckermann so sehr empfohlen hat u. das in der Tat ein umfassendes katholisches Weltbild gibt.

     Seitdem es nun kalt ist, bin ich wirklich noch einsamer, als bisher. Im Sommer stand das Fenster auf u. wenn nicht die dunklen Schwaden des Schornsteins drüben den Himmel verhüllten, so konnte ich diesen sehen. Auch konnte ich gelegentlich einen Blick auf den Hof werfen u. sah dort Menschen. Nun aber ist das alles nicht mehr. Meine Fensterscheiben sind undurchsichtig, was den Vorteil hat, daß ich keine Vorhänge brauche, aber ich bemerke nun von der Außenwelt überhaupt nichts mehr, es sei denn, daß ich wie es eben der Fall ist, höre, wie der Sturm den Regen gegen die Scheiben peitscht. Aber oft passiert es mir, daß ich mittags in die Kapelle gehe u. sehe, daß es regnet, u. ich wußte es nicht.

     Dr. Otto Tacke fand neulich meine Klause „sehr gemütlich“. Er meinte, daß er sich hier auch wohl fühlen würde. – Nun, das ist so die Romantik eines Villenbesitzers. Es ist freilich „sehr gemütlich“, wenn man in einer Villa eine kleine Mansarde hat, in der einen niemand stört.

     Ich bin heute trübselig. Es geht auf 8 Uhr. Ich gehe in's Bett, denn um 12 Uhr habe ich Gebet bis 3 Uhr. – Gestern war wieder Chorgebet von 10 – 12 Uhr. Es war für P. Maurus, der momentan [3] abwesend ist, ein Kaplan Fuchs da – ein Ungar, der, – ich weiß nicht aus welchem Grunde, – hier in Berlin ist. Ich kenne ihn auch sonst. Er ist ein außerordentlich lebhafter u. fröhlich=zuversichtlicher Mensch, der seine Sache mehr mit dem Temperament als mit Beschaulichkeit macht. Er sollte für P. Maurus das Chorgebet leiten u. er machte es mit viel Temperament, aber ohne jede Innerlichkeit. Es war ein im Eilzugstempo heruntergeleiertes Gebet, das niemandem Freude machte, – wohl auch Gott nicht!

     Ich habe irgendwie Sehnsucht. Wonach? Ich weiß es nicht. Ich glaube, daß ich sehr glücklich sein würde, wenn der l. Gott mir erlauben würde, zu sterben. Ich habe Heimweh nach der Ruhe Gottes. –