Textdaten
Autor: Hans Brass
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Titel: TBHB 1935-03-27
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Entstehungsdatum: 1935
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Originaltitel: Mittwoch, den 27. März 1935.
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Quelle: Commons
Kurzbeschreibung: Ungekürzte Tagebuchaufzeichnungen vom 27. März 1935
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Einführung

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Der Artikel TBHB 1935-03-27 zeigt die ungekürzten Tagebuchaufzeichnungen von Hans Brass vom 27. März 1935. Diese Aufzeichnungen erstrecken sich über drei Seiten.

Tagebuchauszüge

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[1]
Mittwoch, den 27. März 1935.     

[1]      Der englische Außenminister Simon, der mit dem englischen Lordsiegelbewahrer Eden zwei Tage hier in Berlin war, um mit unserer Regierung zu konferieren, ist abgereist. Die Regierung gibt über die Konferenz ein Kommuniqué heraus, in dem zu lesen ist, daß die Unterhaltungen in „offenster u. freundschaftlichster“ Form stattgefunden hätten. – Das ist bei solchen Konferenzen bekanntlich immer so. – Ferner wird gesagt, daß die Unterhaltung zu einer „vollständigen Klarstellung der beiderseitigen Auffassungen geführt“ habe. – Nun, – wenn man „offen u. freundschaftlich“ verhandelt, dann ist eine solche Klarstellung ja die notwendige Folge. – Ferner wurde festgestellt, „daß beide Regierungen mit ihrer Politik das Ziel verfolgen, den Frieden Europas durch Förderung der internationalen Zusammenarbeit zu sichern u. zu festigen“. – – Auch dieses haben die Politiker beider Völker bei allen möglichen Gelegenheiten stets mit Begeisterung behauptet, – es ist also nichts Neues. – Falls also nichts Anderes noch in der Konferenz erreicht worden sein sollte, dann ist ihr Ergebnis äußerst mager. –

     Dagegen bringt die Märk. Volks-Zeitung gleichzeitig einen Leitartikel: „Wie die anderen weiterrüsten“. Es handelt sich diesmal um die Rüstung von Belgien u. Tschechoslowakei. – Es wird daran erinnert, daß der Gouverneur von Belgisch-Luxemburg im September 1934 gesagt haben soll: „Man soll auf der anderen Seite des Rheins (also in Deutschland) wissen, daß wir entschlossen sind, jeden Fußbreit unseres Landes zu verteidigen“. – Ein solcher Ausspruch hat doch nur Sinn, wenn man fürchtet, angegriffen zu werden. Belgien muß also diese Furcht haben, obwohl Hitler immer wieder seine Friedensliebe versichert. –

     Ferner heißt es in dem Leitartikel, daß Belgien „besonders im letzten Jahre“ – also 1934, – stark aufgerüstet habe. – Also wiederum, seitdem unsere Regierung ihren Friedenswillen öffentlich beteuert hat. – Merkwürdige Wirkung! – Im Jahre 1933 machte der Heeresetat in Belgien 10% des Gesamtetats aus, im Jahre 1934 aber 17%.

     Die Friedensreden Hitlers haben in der Tschechoslowakei aber noch viel größere Furcht hervorgerufen. Dort stieg der Heeresetat von 23% auf 34%. – In der Tschechoslowakei liegen die berühmten Skoda-Werke, die zu den größten europäischen Kriegsmittel=Lieferanten gehören. Deren Anteil am Welthandel mit Kriegsmaterial betrug 1933 insgesamt 14 Millionen. Er stieg 1934 auf 37 Millionen Die Ausfuhr von Kriegsgerät aus der Tschechoslowakei hat sich im Jahre 1934 verdreifacht gegenüber 1933.

     Die Märk. Volkszeitung bemerkt dazu: „Wir glauben wohl, grade den für die Tschechoslowakei angeführten Tatsachen nichts hinzufügen zu müssen, um die unwürdige Lage der deutschen Nation, in der sie sich bisher befand, zu kennzeichnen. Es ist geradezu ein Hohn auf Wahrheit u. Gerechtigkeit wenn man in diesen Tagen Deutschland einseitigen Bruch der Abrüstungsbestimmungen vorwirft.“

     Es ist ja denkbar, daß dieses mein Tagebuch im Jahre 3935 von einem asiatischen Professor der Altertumskunde bei Ausgrabungen unter dem Schutt Europas gefunden werden wird. Es wird ihn dann interessieren, einen autentischen Bericht über die Vorgänge im Europa des Jahres 1935 zu erhalten. Dieser Bericht lautet folgendermaßen:

     In den Jahren 1914 – 1918 tobte in Europa ein großer Krieg. In diesem Kriege wurde Deutschland besiegt u. die Feinde nahmen ihm alle Waffen ab, sodaß Deutschland vollständig wehrlos war. Eines Tages erstand dem deutschen Volke aber ein großer Held, u. dieser Held war ein Held des Friedens, denn er versicherte allen anderen europäischen Staaten nur immer, daß er die anderen Staaten nicht angreifen wolle. Je öfter die anderen Staaten diese Friedensbotschaften hörten, um so größere Furcht bekamen sie vor diesem Helden u. dem deutschen Volke u. sie fingen fieberhaft an, sich zum Kriege zu rüsten. Trotzdem fuhr der deutsche Held fort, seine Friedensliebe zu versichern, – denn, sagte er, – wir können ja garkeinen Krieg führen, weil wir garkeine Waffen u. keine Soldaten haben. Aber je mehr er das sagte, um so größere Furcht bekamen [2] die anderen. – Da sagte der deutsche Held eines Tages zu den anderen: „Nun hört mal her, – ich habe zwar bisher immer gesagt, daß ich in Frieden mit euch leben will u. ich habe immer gesagt, daß wir garkeine Waffen u. garkeine Soldaten haben, um Krieg mit euch zu führen; aber das war nicht wahr. Zwar will ich im Frieden weiter mit euch leben, aber Waffen u. Soldaten habe ich mir längst heimlich angeschafft. Aber von jetzt ab will ich mit dieser Heimlichkeit aufhören, – von jetzt ab sollt ihr sehen, wieviel Soldaten ich habe, denn ich bin ein ehrlicher Mann. – Da sagten die andern: Da seht ihr es ja, wir haben es ja immer gesagt, daß er heimlich Waffen u. Soldaten hat – er will uns überfallen, – u. alle bekamen noch viel größere Furcht u. sie fingen nun an, sich noch mehr zum Kriege zu rüsten. – Der deutsche Held beteuerte nun aufs Neue seine übergroße Friedensliebe, nur daß er jetzt noch viel mehr wie bisher Soldaten zum Kriege ausrüstete.

     Lieber Herr Professor der Archäologie aus Asien, der Sie dieses im Jahre 3935 lesen. – Sie werden zu dem Schluß kommen müssen, daß die Europäer des Jahres 1935 allesamt aus Idioten u. Irrsinnigen bestanden haben müssen u. werden nicht verstehen, wie man je von europäischer Kultur hat reden können. – Und vor allem vom Christentum. – Sie werden nun begreifen, daß der liebe Gott es endlich satt bekommen hat, sich noch weiter um diese Europäer zu bekümmern, die buchstäblich nur aus infamen Lügnern, Erpressern, Räubern, Dieben, Mördern u. Meineidigen bestanden haben. Deshalb hat Er eines Tages Schwefel u. Asche regnen lassen. – Ich bitte Sie deshalb, dieses mein Tagebuch das Sie aufgefunden haben, dem Heiligen Vater zu schenken, der vielleicht in Peking jetzt wohnen mag. Möge der Heilige Vater daraus ersehen, wie schlechte Christen wir Europäer gewesen sind u. möge er die ganze Christenheit im Jahre 3935 für uns arme Sünder beten lassen. – Gott aber sei uns gnädig! –

     Dr. Fritz Klein gibt heute in der „Deutschen Zukunft“ einen sehr interessanten Überblick über die politische Lage. Er erinnert daran, was der französische Kriegsminister General Maurin kürzlich gesagt hat, nämlich: Deutschland sei ein Löwe, vor dessen Gebrüll die armen übrigen Tiere der Wüste zittern.

     Daß Europa mit einer Wüste verglichen wird, ist treffend, aber in diesem Sinne nicht beabsichtigt. Dagegen scheint es ganz gleichgültig, ob Deutschland wirklich ein solcher Löwe ist, oder ein weiches Friedens=Lämmlein, wie unsere Regierung behauptet. Selbst wenn wir ein solches Lämmlein wären, – u. man kann das nach der Einführung der allgemeinen Wehrpflicht wirklich nicht mehr behaupten; – – aber selbst wenn wir es wären, so ist doch ausschlaggebend, daß alle europäischen Staaten, u. zwar ohne jede Ausnahme, – uns für einen brüllenden Löwen ansehen. Und da man nicht annehmen kann, daß sämtliche europäischen Völker u. ihre Staatsmänner gleichmäßig gehirnkrank sind, so muß doch ihre Ansicht irgendwie begründet sein, um so mehr, da sie trotz vieler Friedensreden von dieser Ansicht nicht abzubringen sind. – Mag dem sein, wie es will, – es bleibt die Tatsache bestehen, daß Deutschland vor dem Weltkriege nirgends in der Welt Sympathien genoß, – heute aber wird es so glühend gehaßt, daß dieser Haß unmöglich durch kalte Umschläge beseitigt werden kann. Dieser Haß muß zum Kriege führen.

     Tatsächlich hat Italien bereits seinen Jahrgang 1911 zu den Waffen gerufen u. es wird den Jahrgang 1913, der im April entlassen werden sollte, nicht entlassen. Früher hätte man das eine Mobilmachung genannt. – Kurz bevor der englische Außenminister Simon mit Eden nach Berlin kam, war Herr Eden in Paris gewesen, wo ebenfalls eine Konferenz zwischen den französischen Ministern, dem italienischen Außenminister Suvich u. Eden stattgefunden hatte. Herr Eden kam direkt von dort her. – In Paris ist die „vollständige Solidarität“ der drei Regierungen Frankreich, England u. Italien festgestellt worden, während in Berlin die Konferenz zur „vollständigen Klarstellung der beiderseitigen Auffassungen geführt hat“. – Auf gut Deutsch heißt das doch wohl, daß es also zwei verschiedene „Auffassungen“ gibt, – u. wenn Hoffnung bestünde, daß ein Ausgleich zwischen diesen beiden verschiedenen [3] Auffassungen möglich wäre, dann hätte man dies doch sicherlich freudestrahlend im amtlichen Kommuniqué festgestellt. Da man es nicht tat, sondern nur erwähnt, daß „beide Regierungen das Ziel verfolgen, den Frieden Europas zu sichern, so muß man zwingend schließen, daß diese berliner deutsch=englische Besprechung als Resultat ergeben hat, daß die deutsche Auffassung von der Sicherung des Friedens in Europa eine völlig andere ist, wie die der Engländer, – u. damit auch der Franzosen u. Italiener, die ja eben gerade ihre „vollständige Solidarität“ festgestellt haben. –

     Fritz Klein meint, daß mit der Einführung der allgemeinen Wehrpflicht in Deutschland der wichtigste Grund beseitigt worden sei, der Deutschland bisher verhinderte, sich an den gemeinsamen Beratungen der Mächte zu beteiligen. Ja, – für Deutschland stimmt das wohl. Ob aber die anderen Mächte ihrerseits bereit sein werden, mit dem „brüllenden Löwen“ zu verhandeln, ist doch sehr die Frage. – Fritz Klein sagt weiter, daß die englischen Minister doch sicherlich die Überzeugung aus Berlin mitgenommen hätten, daß von Deutschland keine „Gefährdung des Friedens“ ausgehe. Man kann sich über solche Naivität nur wundern. Oder ist das Ironie? Wenn alle anderen europäischen Staaten vor der allgemeinen Wehrpflicht in Deutschland eine Gefährdung des Friedens gesehen haben, – dann sollen sie es nun plötzlich nicht mehr sehen? – Das dürfte dann ja wieder ein neues Rätsel für den asiatischen Professor des Jahres 3935 sein. Der wird dann feststellen, daß von 1918 bis 1935 sämtliche europäischen Staaten vor einem völlig abgerüsteten und wehrlosen Deutschland gezittert haben wie Espenlaub; aber im Jahre 1935 kam dann die wunderbare Befreiung von dieser Furcht deshalb, weil Deutschland sich in diesem Jahr bis an die Zähne bewaffnete. – Der Irrsinn kann wirklich nicht größer sein!