St. Fridolin und der Todte (Schwab)

Textdaten
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Autor: Gustav Schwab
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Titel: St. Fridolin und der Todte
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aus: Gedichte. 1. Band, S. 374–378
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Erscheinungsdatum: 1828
Verlag: Cotta
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Erscheinungsort: Stuttgart und Tübingen
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Quelle: Google und Scans auf Commons
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[374]

St. Fridolin und der Todte.

Fridolin, der fromme Schotte,
Trat vor Landolph hin, den Grafen:
Sprach: „Was Gottes ist, gieb Gotte!
Ist dein Bruder nicht entschlafen?“

5
„Der zu seiner Seele Frieden

Meinem heil’gen Gotteshause
Gut und Habe zubeschieden,
Liegt zu Glaris in der Klause.“

„Warum ärntest du die Felder,

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Die dem Herrn zu schneiden wären,

Warum fällest du die Wälder,
Die dem Kirchenbau gehören?“

„Wagest du’s, den Rausch zu trinken
Von dem rothen Ehrenweine,

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Der im heil’gen Kelch soll blinken?

Kirchengut, ist es das deine?“

„Laß von deines Bruders Gabe,
Wald und Feld und Garten räume,
Daß der Bruder in dem Grabe

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Sanfter lieg’ und besser träume.“


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Aber Landolph sprach mit Lachen:

„„Soll ich deinem Spruch mich beugen,
Muß der Bruder erst erwachen,
Deine Worte selbst bezeugen!““

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„„Kannst du ihn herauf beschwören

Wenn zu Rangkwil wird gerichtet,
Wohl, dann mögen wir dich hören,
Sonst ist’s Lug, den du erdichtet!““

Fridolin auf solche Tücke

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Würdiget kein Wort zu sprechen,

Sieht ihn an mit einem Blicke
Der durch Gräber könnte brechen.

Und von Seckingen am Rheine
Aus dem Kloster, an dem Stabe

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Zog der Greis durchs Waldgesteine

Bis gen Glaris zu dem Grabe.

Und er trat bei’m Abendschauer
In die düstre Waldkapelle,
Er durchbricht des Grabes Mauer,

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Stellt sich auf die kalte Schwelle.


„Auf, erwach in Gottes Namen,“
Ruft er, „Urso, wehr’ den Tücken:
Sieh! und aus der Grube kamen
Weiße Händ’ und Haupt und Rücken.

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Und als ob des Herrn Posaunen

Zum Gerichte schon gerufen,
Steigt der Leichnam sonder Staunen
Starr empor des Grabes Stufen.

Und es faßt die kalten Hände

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Fridolin ihm, frei von Schrecken,

Steigt mit ihm die Felsenwände
Auf, bis an der Gletscher Decken.

Durch das Hochgebirge schreitet
Der Lebend’ge mit der Leiche,

55
Und die Nacht den Mantel spreitet

Um das Paar, das geistergleiche.

Wie der Morgen schon sich wittert,
Steigen sie vom Felsgesteine,
Und es sieht’s der Senn’, erzittert,

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Daß ihm’s geht durch Mark und Beine.


Aber Landolph im Gerichte
Sitzt zu Rangkwil ohne Zagen,
Mit dem ersten Morgenlichte
Hat den Stuhl er aufgeschlagen.

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Schöppen zwölf, des Rechtes Hüter,

Sitzen um ihn her, zu sprechen:
Jetzt erhält er doch die Güter,
Kein Verblichner kann sich rächen!

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Sieh, da pocht es an der Pforte,
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Wie von eines Todten Knochen

Leis und scharf; und hohle Worte
Werden draußen schon gesprochen.

Durch die Thüre kommt geschritten
Fridolin mit seiner Leiche,

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Landolph in der Richter Mitten

Sitzt dem Bruder gleich an Bleiche.

Weh! und aus des Todten Kehle
Steigen Laute, halb verloren:
„Was beraubst du meine Seele,

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Bruder!“ Wehts ihm durch die Ohren.


„Ja, ich zeuge diesem Frommen,
Daß mein Erb’ ihm zugefallen,
Gieb zurück, was du genommen,
Laß getrost in’s Grab mich wallen!“

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Landolph sank in’s Knie mit Beben:

„Nimm dein Gut, Herr, nimm das meine,
Meinen Athem nimm, mein Leben!
Und behalte neu das Deine!“

Doch es wandte sich die Leiche

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Mit dem Führer in die Berge,

Sehnte sich, die müde, bleiche,
Nach der stillen Ruh der Särge.

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Wie des Abendlichtes Streifen,

Wie vom Mond zwei blasse Strahlen,

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Sah man längs dem Berg sie schweifen,

Bis sie in den Wald sich stahlen.

Und vom schrecklichen Gerichte
Eilet Landolph heim zum Rheine,
Mit erbleichtem Angesichte

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Ordnet er zu Haus das Seine.


Setzt das Kloster ein zum Erben
Seiner reichen Doppelhabe,
Neigt das Haupt zum sanften Sterben,
Ruht bei’m Bruder in dem Grabe.