Sponsel Grünes Gewölbe Band 3/Tafel 15

Tafel 14 Das Grüne Gewölbe: eine Auswahl von Meisterwerken in vier Bänden. Band 3 (1929) von Jean Louis Sponsel
Tafel 15
Tafel 16
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TAFEL 15
HOHER STANDSPIEGEL MIT BERGKRISTALLSÄULE UND
MIT SILBERVERGOLDETEM SOCKEL, DIE BESATZSTÜCKE
AUS GOLD. GESCHENK DES HERZOGS EMANUEL PHILIBERT
VON SAVOYEN. MAILÄNDER ARBEIT
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[196] Doppelseitiger Rundspiegel in silbervergoldetem Rahmen mit goldenen Besatzstücken auf hoher Säule aus Bergkristall über einem silbervergoldeten achtseitigen verjüngten Sockel mit gewölbter Haube. Der kreisrunde Rahmen des Spiegels ist beiderseits mit einer flachen Füllung versehen, die vorn und hinten gleichartig mit goldenen emaillierten, je einen Farbstein in Kastenfassung tragenden Zierstücken besetzt ist. Außerdem oben und unten mit einer getriebenen und ziselierten goldenen Maske. Der gewölbte Mantel des Rahmens ist mit goldenen Figuren besetzt, ferner unten von zwei goldenen Akanthusblättern umhüllt und über diesen noch mit je einem goldenen, opak emaillierten Fruchtbündel besetzt. Weiteres darüber bei der nächsten Tafel.

Die Kristallsäule besteht aus drei Teilen, einem unten ausgebauchten und mit Olivenschliff gemusterten, dann glatten Kreiskegelstumpf, hierauf einem spiralförmig gewundenen nach oben verjüngten Schaft, der aus einem entgegengesetzt gewundenen Kelch aufsteigt und schließlich einem glatten zylindrischen Kapitäl mit runder Deckplatte. Diese ist oben von einem goldenen, mit Rubinen besetzten Reifen umfaßt, der den Spiegelrahmen aufnimmt. Ebenso sind die Verbindungsstellen von Kapitäl und Schaft, sowie Schaft und Sockel mit goldenen, leicht emaillierten Reifen umkleidet, von denen der oberste noch mit Rubinen besetzt ist. Alle drei Kristallstücke sind in der Achse durchbohrt und werden durch eine dort sichtbare silberne Stange zusammengehalten und so auf dem silbernen Sockel befestigt.

Der silbervergoldete achtseitige Sockel hat an den acht Kanten vorgelegte Voluten zwischen den Verkröpfungen der Fuß- und der Deckplatte. Diese werden unten von acht Schildkröten getragen. Die acht schräg ansteigenden rautenförmigen Seiten haben entsprechend kleiner gebildete Einlagen auf polierten Stahlplatten aus Bergkristallplatten mit dahinter eingeschliffenen symmetrisch stilisierten Pflanzenranken. Den Füllungen ihrer Rahmen sind gepreßte Goldverzierungen aufgesetzt. Auf diesem achtseitigen Sockel liegt ein silbervergoldeter Kugelabschnitt in rundem Rahmen, der in gleicher Art wie die Rahmenfüllung des Spiegels mit Juwelen auf emaillierten goldenen Zierstücken besetzt ist. Über den Eckvoluten des Sockels lehnen sich acht geflügelte Drachenbüsten mit doppelten Schlangenschwänzen an den Kugelabschnitt an. Dieser hat acht ovale Bildfelder, deren glatte Rahmen durch gerollte Bänder verbunden sind, in denen unten je zwei Schnecken kriechen, während die Mitten zwischen den Rahmen durch je eine Fratze ausgefüllt sind. In stärkerem Relief als in diesem ziselierten Rahmenwerk sind die acht Felder selbst mit je einer stehenden männlichen und weiblichen nackten Gestalt in Landschaft besetzt, Daphne, Aktäon und anderen mythologischen Personen. Diese auf dem silbervergoldeten Wulst ziselierten Relieffiguren sind, wie die Muskulatur der männlichen Brustkasten erkennen läßt, von derselben Hand ausgeführt, wie die vollrund gegossenen und ziselierten goldenen Figuren, die dem Mantel des silbervergoldeten Spiegelrahmens aufgesetzt sind. Mag auch besonders die verschiedene Farbe des heute verblaßten vergoldeten Silbers und der rein goldenen und zum Teil durchsichtig emaillierten Besatzstücke einen gleichmäßigen Eindruck nicht aufkommen lassen, so lehrt doch eine genauere Prüfung, daß der ganze Spiegel einheitlich aus einer Werkstatt hervorgegangen ist. – In dem Inventar der Kunstkammer von 1587 wird nach der Beschreibung dieser Spiegel als ein Geschenk des Herzogs Emanuel Philibert von Savoyen an Kf. August aufgeführt. Jener 1580 verstorbene Herzog wurde nach Angabe des zeitgenössischen Mailänder Lokalschriftstellers Morigia, Nobiltà di Milano 1595, von den Mailänder Bergkristallschneidern und Goldschmieden der Familie der Sarachi bedient. Diesen ist auch unser Spiegel zuzuweisen. (H. 77 – V. 171.)