Ein protestantischer Theolog mit dem asketischen Geist
eines Tauler und Thomas a Kempis, dessen Ruhm
und Name einst Deutschland mehr erfüllte, als irgend
ein Name der gefeiertsten Theologen der Neuzeit.
Geboren zu Ballenstädt, der heiter gelegenen Stadt
am nördlichen Fuße des Harzgebirges, wirkte das Beispiel
eines frommen Vaters einflußreich auf des Knaben
Geistesrichtung; dieser Vater, Jacob Arnd, war Hofprediger
bei dem Fürsten Wolfgang zu Anhalt; der
Knabe hatte sich durch eine leidenvolle Jugend hindurchzukämpfen,
und widmete sich anfangs, um andern
Leidenden ein Helfer zu werden, dem Studium der
Arzneikunde. Ein höherer Wille aber lenkte ihn vom
Stand eines leiblichen Arztes zu dem eines Seelenarztes
hinüber. Johann Arnd besuchte die Hochschulen
zu Helmstädt, Wittenberg, Straßburg und Basel; es
lag noch in der Sitte der Zeit, möglichst lange zu
studieren und möglichst viele Universitäten zu besuchen,
und ging von der Medicin zur Gottesgelahrtheit über.
Der wackere und einsichtsvolle Regent Joachim Ernst,
Fürst zu Anhalt, berief den jungen Theologen als
Prediger in seine Residenz Ballenstädt; dort und
in dem ganz nahen Dorfe Badeborn wirkte Arnd
sieben Jahre lang in seinem Pfarr- und zugleich in einem
Schulamte als Lehrer, und ahnete nicht, daß sein Geschick
ihn aus diesem stillen und segensreichen Berufskreise
schleudern werde. Allein Spaltungen zwischen
Lutheranern und Reformirten bewogen Arnd, der
Heimath Valet zu sagen. Sein unerschütterlicher Glaube
war der streng lutherische; nicht des Calvinismus wegen
wurde Arnd aus seiner Heimath vertrieben, wie da
und dort zu lesen ist, sein Festhalten am Lutherthum
gebot ihm zu gehen. Weit ging er nicht, schon das
Ballenstädt nahe genug gelegene Quedlinburg nahm
den Mann vom besten Ruf und ausgezeichneten Wandel
mit offenen Armen auf, und er wurde dort als Prediger
angestellt.
Dies geschah im Jahre 1590, und Arnd wirkte aufs neue neun Jahre in Quedlinburg-Neustadt mit Segen. Im Jahr 1599 traf ihn ein ehrenvoller Ruf nach Braunschweig, wo er Prediger an der St. Martinskirche wurde. Wieder neun Jahre eines ruhmvoll
Ludwig Bechstein: Zweihundert deutsche Männer in Bildnissen und Lebensbeschreibungen. Georg Wigand's Verlag, Leipzig 1854, Seite 9. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zweihundert_deutsche_M%C3%A4nner_in_Bildnissen_und_Lebensbeschreibungen.pdf/9&oldid=- (Version vom 20.8.2021)