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und trat gleich so fertig und vollendet in derselben vor die Welt, daß seine Holzschnitte dem Kenner die größte Achtung vor dem Künstler abnöthigen. Auch im Kupferstiche versuchte er sich und lieferte einige zum Theil sehr geschätzte und ihrer Seltenheit halber sehr gesuchte Blätter, doch kennt man deren nicht über 8, während die Zahl seiner Holzschnitte überaus groß ist. Die Mehrzahl der Cranachschen Bilder und Blätter ist mit des Künstlers Malerzeichen, einer geflügelten schwarzen Schlange, die einen Ring im Maul hält, versehen und nebenbei mit dem Kur- und Herzogwappen Sachsens. Ersteres Sinnbild war ihm und seinen Nachkommen eigens in einem förmlichen Wappenbrief vom Kurfürsten verliehen, daher auch der Sohn, der jüngere Lukas Cranach, sich dessen bediente; es ist aber wieder irrig behauptet worden, daß durch diesen Brief und weil der Künstler darin völlig sprachrichtig Lukas von Cranach genannt wird, jener in den Adelstand erhoben worden sei.

Neben der Kunst, welcher Meister Lukas mit treuem Fleiße oblag, verschmähte er nicht deren praktisch-bürgerliche Uebung, übernahm Zimmermalereien und Vergoldungen, legte einen Buch- und Papierhandel an, kaufte eine Apotheke, erwarb Ländereien, und war so gleichsam eine Art Industrieller seiner Zeit. Im Jahre 1509 wurde Cranach mit einer Sendung in die Niederlande betraut, auf welcher Reise er die niederländischen Meister kennen lernte und vor allen Lukas von Leiden sich zum Vorbild nahm. Mit Luther war Cranach innig befreundet, dieser nannt ihn Gevatter und schrieb auf der Reise von Worms an ihn, wo er von seiner bevorstehenden Aufhebung schon unterrichtet war, erbat auch später selbst Cranach’s Pathenschaft für eines seiner Kinder. Ebenso war Cranach mit Melanchton befreundet, wie mit andern der hervorragenden Lehrer Wittenbergs, und seine Stellung wurde eine immer bedeutendere, wie sein hoher Künstlername, der an jenen Albrecht Dürer’s fast heranreichte, weiter und weiter bekannt und genannt wurde.

Nach dem Ableben Kurfürst Friedrich III. diente Cranach mit gleicher Treue dessen Bruder und Nachfolger, wie des letzteren Sohne, Kurfürst Johann Friedrich dem Großmüthigen, der vorzugsweise Kunstfreund war und Cranach auch bei Bauten fürstlicher Schlösser und deren künstlerischem Ausschmuck vielfach beschäftigte. Eine Menge fürstlicher Familienbilder mußte Cranach zu Geschenken malen, mindestens zeichnen. Seinen talentvollen ältesten Sohn Johannes, der auf einer Künstlerreise zu Bologna starb und über dessen Verlust die bekümmerten Aeltern zu trösten Luther selbst in Cranach’s Haus kam, verlor Cranach 1536. Der Wittenberger Stadtrath, dessen Mitglied Cranach schon 1519 als Raths-Cämmerer geworden, wählte ihn 1537 zum Bürgermeister, welches Amt ihm mit der Würde auch eine Bürde mehr brachte. Neuen Schmerz für den biedern Künstler brachte der Tod seiner Lebensgefährtin Barbara, geb. Brengbier aus Gotha, welche 1541 starb, nicht minder des theuern Luther 1546 erfolgten Tod. Noch härteren Schicksalsschlag erlebte der nun schon bejahrte Mann, als sein geliebter Fürst in der Schlacht bei Mühlberg geschlagen, verwundet und gefangen wurde. Mit Mannesmuth und edler Treue trat Cranach vor Kaiser Karl V., der ihn hatte rufen lassen und über Bildnisse, namentlich über eine kleine Tafel, auf welcher der Künstler den Kaiser als Knaben zu Mecheln treffend gemalt hatte, sich äußerst gnädig mit ihm unterhielt – und bat kniefällig um Gnade und Schonung für seinen unglücklichen Herrn.

Die Geschichte zerstört eine schöne Sage, daß nämlich Cranach sogleich seinem Kurfürsten in die Gefangenschaft gefolgt sei, daß er beim übernachten im Anker zu Saalfeld, als den hohen Gefangenen eine unsägliche Angst befallen habe, den Kaiser gebeten, seinem Herrn zu erlauben, frische Luft zu schöpfen, und daß gleich nach gegebener Erlaubniß und deren Benutzung die Decke den gewölbten Zimmers eingestürzt sei.

Cranach blieb noch 2 Jahre nach der Gefangennehmung des Kurfürsten in Wittenberg wohnen, und war wohl nicht in Saalfeld. In Gotha und in Weimar tragen zwei stattliche Häuser des Künstlers Wappen. Beide Häuser gehörten dem Kanzler Christian Brück, Cranach’s Schwiegersohn, der sein und seiner Hausfrau Wappen über den Thoren anbringen ließ. Der Schwiegervater lieferte von seinem Schwiegersohn ein Brustbild als trefflichen Holzschnitt, welches bisweilen für das Bild Gregor’s von Brück ausgegeben worden ist.

Im Jahre 1550 begab sich Cranach von Wittenberg zu seinem gefangenen Gebieter, der ihn zu sich berief und ihn bis zu seiner Befreiung im Jahre 1552 zu seiner zerstreuenden Unterhaltung bei sich behielt. Cranach theilte, an des geliebten Herrn Seite sitzend, Triumph und Freude der Rückkehr, empfing ein neuen bindendes Anstellungsdecret mit dankbar ausgesprochener Anerkennung seiner Treue, und beschloß nun, da der gewesene Kurfürst Residenz und Hofhalt in Weimar aufschlug, im Hause seiner Tochter sein thätiges und ruhmvolles Leben als 81 jähriger Greis. Auf dem Jacobsfriedhof fand er seine letzte Ruhestätte; sein Denkstein steht noch an der Außenwand der Kirche. Sein schönstes Denkmal in Weimar aber ist sein künstlerisches Schwanenlied, sein großes und berühmtes Altargemälde in der Stadtkirche, für dessen sorgfältige Erhaltung dem Sachsen-Weimar’schen Fürstenhause anerkennender Dank zu sagen ist, und darauf Cranach sein höchst würdiges und ausdrucksvolles Bildniß selbst anbrachte.

Was Lukas Cranach als Künstler war, ist vielfach gewürdigt und ausgesprochen worden; Dürer, Cranach und Holbein gelten als die hervorragendsten deutschen Maler ihrer Zeit; fast alle Gemäldegallerien und Kupferstichkabinette rühmen sich Cranach’scher Oelgemälde, Aquarellen und Handzeichnungen; die Privat-Sammler sind stolz, mindestens Kupferstiche und die besten seiner Holzschnitte zu besitzen. Er soll auch der Erfinder den mehrfarbigen Plattendrucken (Clairobscur) 1506 geworden sein, einer Kunst, die in Dürerˈs Christuskopf und Varnbühler ihren Gipfelpunkt fand.