Reuchlin’s gefeierter Name steht mit in der vordersten
Reihe derjenigen seiner Zeitgenossen, die sich um Aufklärung,
Wissenschaft und Verbreitung des Lichtes der
Reformation unsterbliche Verdienste erwarben. Reuchlin
wurde in Pforzheim geboren, derselben Stadt, welche
auch die Reformatorengenossen Johann Schwebel, Bartholomäus
Westhemer, Adam Frey, Nikolaus Gerbel und
Christoph Wertwein in ihrem Schosse erstehen sah.
Reuchlin, ein Sohn nicht ganz unbemittelter Aeltern,
wurde früh zur Schule in Schlettstädt geführt und
zeigte die günstigsten Anlagen, so daß er, unterstützt
vom Markgrafen Karl von Baden, mit dessen Sohne
Friedrich schon 1473 die Hochschule Paris beziehen
konnte, welche damals vor allen andern europäischen
Schulen blühte. Dort legte Reuchlin den Grund zu
seinem tiefen Wissen und zu der umfassenden Kenntniß
der alten Sprachen und klassischen Literatur, durch die
er sich so hohen Ruhm erwarb. Unter den Lehrern
Reuchlin’s war Johann Wessel, einer der geistbegabtesten
Vorläufer der Reformation, von wesentlichem
Einfluß aus Bildung und Richtung des jungen Studirenden.
Im Jahre 1475 kehrte Reuchlin mit dem
Prinzen zurück, begab sich nach Basel und lehrte dort,
einige Jahre, bis er wieder nach Frankreich reiste und
in Orleans die Rechte studirte, während er fortfuhr,
die alten Sprachen zu lehren. Schon hatte er ein kurzes
lateinisches Lexikon, das er Breviloquus nannte, verfaßt,
jetzt schrieb er die erste griechische Sprachlehre
unter dem Titel Mikropädie, und wurde Doctor juris,
worauf er nach Deutschland zurückkehrte, sich in Tübingen
niederließ, sich dort verheiratete und als Anwalt
zu practiciren begann. Allein weder ein ruhiges
academisches Lehrerleben in beglückter friedlicher Häuslichkeit,
noch die in begrenzten Kreisen sich bewegende
Thätigkeit des praktischen Juristen war Reuchlin beschieden.
Im Jahre 1487 folgte er dem Herzog von
Würtemberg, Eberhard im Bart, nach Rom und machte
auf dieser Reise die anziehendsten Gelehrtenbekanntschaften.
Er versah die Stelle des Orators seines
Landesherrn, der ihn nach der Rückkehr mit wichtigen
Sendungen betraute, deren eine an Kaiser Friedrich III.
nach Linz ihm den Pfalzgrafentitel und das Adelsdiplom
Ludwig Bechstein: Zweihundert deutsche Männer in Bildnissen und Lebensbeschreibungen. Georg Wigand's Verlag, Leipzig 1854, Seite 307. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zweihundert_deutsche_M%C3%A4nner_in_Bildnissen_und_Lebensbeschreibungen.pdf/307&oldid=- (Version vom 15.9.2022)