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Gottlob Nathusius.
Geb. d. 30. April 1760, gest. d. 23. Juli 1835.


Gottlob Nathusius, aus einer schwedischen Familie (Nat-Hus, d. i. Nachthaus), von der ein Glied – der Familientradition nach – zu Dr. Luthers Zeit nach Wittenberg gekommen, dessen Nachkommen dann durch viele Generationen hindurch Predigerstellen im Chursächsischen bekleidet, – wurde zu Baruth (im jetzigen Regierungsbezirke Potsdam) geboren, wo sein Vaker chursächs. Steuereinnehmer mit 5 Thlr. 20 Sgr. monatlichem Gehalte war. Nur die besondere Betriebsamkeit einer ebenso frommen als industriösen Mutter, die bei ihrer Arbeit mit heller Stimme die alten Kirchenlieder zu singen pflegte, machte es möglich, die zahlreiche Familie durchzubringen. Der höchste Wunsch unsres Gottlob war, zu studiren, und um ein Unterhaltsmittel auf Schulen und Universitäten zu besitzen, hatte er sich mit großem Eifer auf die Musik geworfen. Allein die schreckliche Hungerzeit in den 70ger Jahren schnitt ihm jede Aussicht dazu ab, und er mußte in eine harte 6jährige Lehre in einem Berliner Materialladen eintreten, wo er besonders bei seiner Schwächlichkeit, Armuth und seiner anerzogenen Gewissenhaftigkeit, die den bösen Schlichen der älteren Genossen widerstand, viel zu leiden hatte. Doch erwarb ihm diese, als sie an den Tag kam, die Zuneigung des Principals. – Die Makulatur, woraus er Tüten drehen mußte, studirte er, um sich zu bilden, sowohl in Bezug auf Inhalt als Styl durch (Gellerten bekannte er in letzterer Beziehung das meiste zu verdanken, und der Erwerbung einer leichten und natürlichen Schreibart statt des verschrobenen Geschäftsstyles verdankte er nachmals sein erstes Fortkommen). Das Frühstück versagte er sich und kaufte von den gesammelten Dreiern, die er dazu erhielt, Bücher beim Antiquar. Heimlich des Nachts machte er sogar chemische Experimente, und neben dem dürftigen Tütchenverkauf der Wirklichkeit führte er endlich eine ausgedehnte ideale Handlung mit selbsterlernter doppelter Buchhaltung und mit fingirten Speculationen und Korrespondenzen in alle Weltgegenden. Und so geschah es, daß er unmittelbar aus diesem Detailgeschäfte, und erst 24 Jahr alt, einen Ruf als erster Buchhalter an ein angesehenes Magdeburger Handelshaus erhielt. – Sein neuer Principal starb bald darauf kinderlos und verordnete, daß sein kaufmännisch ungebildeter Schwager Richter mit Nathusius zusammen das Geschäft übernähme, dessen Rechnungswesen übrigens in großer Unordnung war. Als Nathusius nach einem Jahre die Bilanz zog, fand er, daß er eigentlich eine bankerotte Handlung übernommen hatte. Ein hitziges Fieber, das ihn dem Tode nahe brächte, war die Folge dieser stillen Entdeckung. Ein alter Nachbar, an den er sich m der Verlegenheit wandte, borgte ihm auf den Schimmer der einsamen Lampe, den er so oft in später Nacht von Nathusius Comtoire bemerkt hatte, und das Geschäft kam bald in Schwung. Nathusius verband damit eine Tabaksfabrik, indem er ein ganz neues, auf chemische Kenntnisse gegründetes, und dadurch eben einfaches und natürliches