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Lyon, theils auf dem am Genfer See reizend gelegenen Landsitze Grandelos ein glückliches Leben, welches sein gefeiertes Gedicht: »der Genfer-See« mit zauberhafter Anmuth wiederspiegelt. Aus allen diesen irdischen Himmeln, aus dem traulichen Asyl schöner Natur und edler Freundschaft trieb diese deutschen Dichter der Ausbruch der französischen Revolution. Matthisson ging nach seiner Heimath zurück und fand bald bei der regierenden Fürstin Luise Henriette Wilhelme zu Anhalt-Dessau eine ihm willkommene Stellung als Reisebegleiter und Vorleser, und es fügte sich erwünscht, daß auch Friederike Brun sich der hohen Herrin als Reisegefährtin nach Italien anschloß, um unter südlichem Himmel ihre schwankend gewordene Gesundheit wieder zu kräftigen. Jahre des Aufenthaltes im südlichen und nördlichen Italien, in Rom und Neapel, in Südtyrol und in der Schweiz gingen vorüber, und Matthisson war es vergönnt wie wenigen, ein reines, von anderen Berufsgeschäften unbeengtes Poetenleben zu führen, während er sich dem Vaterlande in würdigster Weise als Dichter offenbarte. Nach der Rückkehr aus dem Süden 1794 wohnte Matthisson in Wörlitz bei Dessau.

Seine Gedichte waren schon 1786 zuerst in Mannheim erschienen und entzückten durch ihre tiefempfundene Wahrheit, durch rührende oder kindliche Naivität, durch die Wärme des Kolorits in der poetischen Natur- und Landschaftmalerei, in der ihm von vielen gleichzeitig strebendes vielleicht nur Otto Graf v. Haugwitz am nächsten kam. Mit Leichtigkeit schmiegte des Dichters Muse sich auch antiken Metren an, und seine Prosa namentlich in den »Briefen« und der »Alpenreise« war voll Stylglätte. Schiller erkannte öffentlich und freudig den poetischen Genius Matthisson an, der König von Württemberg verlieh dem Dichter den Adel und setzte ihm den Pegasus als Zier auf den Helm, die Sängerharfe in das himmelblaue Feld des neuen Wappens. Derselbe König nahm nach dem Tode von des Dichters erhabener Freundin, der Fürstin von Anhalt-Dessau, diesen in seinen Dienst, ernannte ihn zum Legationsrath, zum Ritter des Civilverdienstordens und zum Oberbibliothekar, worauf Matthisson in angenehmster und gleichster Stellung und Thätigkeit bis 1819 in Stuttgart lebte. Sein Gedicht »Adelaide« mit Beethoven’s ewig schöner Musik klang über den ganzen civilisirten Erdkreis; durch seine »lyrische Anthologie«, Zürich 1803-1807, 20 Theile, erwarb er sich das Verdienst, seine Landsleute, seine zahlreichen Leser wiederholt darauf hinzuweisen, daß das deutsche Vaterland eine reiche poetische Nationalliteratur habe, daran von Zeit zu Zeit zu erinnern, sehr wohlgethan erscheint. Dieses Werk, das der hohen Gönnerin gewidmet war, gab Proben, Lebensnachrichten und Charakteristiken von 200 deutschen Dichtern.

Noch einmal reiste Matthisson im Jahre 1819 als Begleiter des Herzogs Wilhelm von Württemberg nach Italien, weilte ziemlich lange in Florenz, und erhielt dann 1835 das Ritterkreuz der Württembergischen Krone. Im letzten Jahrzehent seines Lebens verstummte die Sängerharfe, die viele Tausende erfreut, und der Dichter selbst ging 1831 zur irdischen Ruhe ein.