Dieser Dichter wandelte auf wechselvoller Bahn des
Lebens, wie wenige vor und nach ihm; beliebt und mißliebig,
gelobt und gescholten, anerkannt und verkannt,
ein Märtyrer seiner Verirrungen; doch blieb Kotzebue
als deutscher Theaterdichter so geschätzt, daß die kritischen
Verlästerungen seiner Persönlichkeit nirgend rechten
Boden haben finden können. Die Nachwelt wird
ihn jedenfalls milder richten, als es später der politische
Fanatismus that, der ihn meuchelmordete und unbedingt
verdammte.
In Weimar, unter den günstigsten Sternen, wurde Kotzebue geboren und als Säugling schon vaterlos. Die wackere Mutter nahm sich eifrig seiner Erziehung an, förderte das jugendliche, früh bemerkbare poetische Talent des Knaben; das Gymnasium zu Weimar bildete ihn weiter aus, und er war fähig, schon mit dem 16. Jahre die Hochschule Jena zu beziehen. Diese Frühreife trägt selten die gehoffte Frucht; es müssen ganz besonders begabte Talente sein, die, allzufrüh zur Universität entsendet, den richtigen Weg finden sollen. Auch Kotzebue fand ihn nicht; er dichtete und schwärmte, statt zu studiren, und wurde Satyriker statt Anwalt, Schriftsteller statt Fachmann. Schon in früher Jugend hatte die Bühne vorzugsweise Kotzebue lebhaft angezogen, und er blieb der Neigung, für dieselbe thätig zu sein, durch ein von mannigfaltigen Schicksalen äußerst bewegtes Leben treu. Auf seine Ausbildung zum Schriftsteller übte der treffliche Musäus als Lehrer wie als Freund bedeutenden Einfluß; Wieland’s und Goethe’ große Beispiele spornten den Jüngling mächtig an, und es war nur zu beklagen, daß er beiden nicht mit mehr gediegenem Ernst nacheiferte.
Einige beißende Satyren Kotzebue’s machten in Weimar viel böses Blut, und er empfing den Rath, seine Geburtsstadt auf einige Zeit zu meiden. Empfehlungen brachten ihn in erwünschte Lebens- und Thätigkeitskreise nach Rußland, wo er sich verheiratete, Titularrath, Beisitzer des Oberappellationsgerichts zu Reval wurde, ja später sogar Präsident des Gouvernements-Magistrats für Esthland. Die höheren russischen dienstlichen Stellungen verleihen meist an sich den persönlichen Adel, und so erschien es als eine Satyre auf
Ludwig Bechstein: Zweihundert deutsche Männer in Bildnissen und Lebensbeschreibungen. Georg Wigand's Verlag, Leipzig 1854, Seite 221. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zweihundert_deutsche_M%C3%A4nner_in_Bildnissen_und_Lebensbeschreibungen.pdf/221&oldid=- (Version vom 15.9.2022)