Hölty’s Name ist noch immer vielen ein reiner, lieblicher
Klang, der sich harmonisch in sanfte elegische Gemüthsstimmung
einwebt, deren vorzüglichster Träger
und Erreger dieser Dichter war, daher auch Lieblingssänger
der deutschen Frauen- und Jungfrauenwelt, die
durch zarte Schwärmerei so leicht zu gewinnen und hinzureißen
ist, die das sanfte liebt, zumal wenn es aus
innerster Empfindung hervorbricht, nicht angekünstelt ist.
Der Hannoversche Ort Mariensee ward Hölty’s Geburtsort; der Vater lebte dort als Seelsorger, und pflegte mit Liebe des Sohnes Jugend, der früh sich entwickelnde Geisteskräfte zeigte, aber auch früh die Schmerzen des Lebens kostete. Der Verlust der geliebten Mutter in seinem neunten Jahre erschütterte ihn tief; eine bösartige Blatternkrankheit, welche ihn der Gefahr des erblindens nahe brächte, legte den Grund zu nachhaltigem Siechthum, und beides weckte in ihm jene melancholische Stimmung, die seine Dichtungen durchweht, dabei aber lernte er mit vielem Fleiße, und machte auf der Schule zu Zelle, wohin sein Vater ihn im 17. Lebensjahre sandte, die besten Fortschritte in ältern und neuern Sprachen, so daß er wohl vorbereitet 1769 die Hochschule Göttingen beziehen konnte. Er wollte Theologie studiren, eine Wissenschaft, die dem schon in der Jugend genährten Ernst am meisten zusagte, denn von je war Hölty ein Freund stiller Einsamkeit, ländlicher Natur, melancholischer Dorfkirchhöfe, und dabei war er von jener Sanftmuth und Opferfähigkeit des Charakters, die einem Landgeistlichen so wohl anstehen. Durch wahrhaft frommen und religiösen Sinn war des Jünglings Gemüth über die mannichfaltigen Entbehrungen gehoben, die das Leben ihm auferlegte. Der unbemittelte Vater vermochte ihm wenig Unterstützung zu bieten, Hölty mußte sich den theilweisen Unterhalt erst durch Stundengeben verdienen. Er hatte schon einige Jahre zu Göttingen zugebracht, als er den Herzensbund mit den poetischen Freunden schloß, der unter dem Namen des Hainbundes bekannt ist, und zu welchem Miller, Boie, Voß, Overbeck, Cramer, Leisewitz, Bürger und die beiden Grafen Stolberg gehörten. Jedenfalls war von allen Hölty der stillste und sinnigste, und nahm die poetischen Anregungen
Ludwig Bechstein: Zweihundert deutsche Männer in Bildnissen und Lebensbeschreibungen. Georg Wigand's Verlag, Leipzig 1854, Seite 187. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zweihundert_deutsche_M%C3%A4nner_in_Bildnissen_und_Lebensbeschreibungen.pdf/187&oldid=- (Version vom 15.9.2022)