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Gottfried Hermann.
Geb. d. 28. Nov. 1772, gest. d. 31. Dec. 1848.


Gottfried Hermann ist in Leipzig geboren, wo sein Vater Senior des Schöppenstuhls war. Das lebhafte, feurige Temperament, welches er von seiner Mutter, die aus einer französischen Familie stammte, geerbt hatte, sprach sich schon im Knaben aus, der bei großer Gutmüthigkeit doch schwer zu bändigen war, und obgleich von zarter Konstitution alle Leibesübungen leidenschaftlich trieb, vom Stillsitzen bei den Büchern nichts wissen mochte und durchaus Soldat werden wollte. In seinem zwölften Jahr wurde er der Obhut Carl David Ilgens übergeben, eines Mannes von unbeugsamer Festigkeit des Willens, ernster Strenge bei herzlichem Wohlwollen und gründlicher Gelehrsamkeit, der später als Rector in Schulpforte viele Jahre hindurch segensreich gewirkt hat. Diesem gelang es den Feuereifer des Knaben auf das Studium der alten Sprachen zu lenken und er verstand es, ihn zu eigener Selbstthätigkeit anzuregen und zu strengster Selbstprüfung anzuhalten. In zwei Jahren war er reif geworden die Universität zu beziehen, wo er nach dem Willen des Vaters Jurisprudenz studiren sollte und nur mit Mühe erreichte, sich der Philologie widmen zu dürfen. Hier fand er an Friedrich Wolfgang Reiz einen Lehrer, der für ihn geschaffen schien. Dieser, ein Mann von tadelloser Rechtschaffenheit, von unbestechlicher Wahrheitsliebe, im Besitz der genauesten und gründlichsten Gelehrsamkeit, erkannte das hervorragende Genie des Jünglings und, ohne ihn zu beschränken, leitete er ihn nur an, durch gewissenhafte und sorgfältige Forschung den angeborenen Scharfsinn und die glückliche Divinationsgabe zu bilden und zu beherrschen. Unter seiner Zucht gab sich Hermann ganz der Beschäftigung mit den Alten hin, mit welcher er, überall bemüht auf den Grund der Sache zu gehen, ein eifriges Studium der kantischen Philosophie verband. Uebrigens war er bei angestrengtem Fleiß keineswegs ein Stubensitzer, sondern nahm am Verkehr mit Kommilitonen und in geselligen Kreisen gern und lebhaft Antheil, und folgte seiner Neigung zu starken Leibesübungen, die ihn namentlich zu einem leidenschaftlichen und kunstgerechten Reiter bis in seine letzten Lebensjahre machte. Nach vollendeten Universitätsstudien habilitirte er sich als Privatdocent