Dieser Dichter, welcher seinen Zeitgenossen, die ihn freudig
anerkannten, als ein Muster des guten Geschmackes galt,
wurde zu Gotha geboren; sein Vater war ein angesehener
Staatsbeamter und sorgte für eine treffliche
Erziehung des Sohnes, welcher in seiner Jugend sehr
zart organisirt und schwächlich war. Neigung zu Sprachen,
wie zur Poesie und namentlich zur dramatischen, traten
in dem jungen Gotter ziemlich frühzeitig hervor. In
seinem siebzehnten Jahre bezog Gotter, bisher durch
Privatlehrer unterrichtet, die Hochschule Göttingen, um
dort die Rechte zu studiren, nebenbei aber huldigte er
unbefangen der poetischen Muse und knüpfte mit Eckhof,
Mitglied der damals in Göttingen wirkenden Ackermannschen
Gesellschaft, das Band einer Freundschaft
an, die für sein ganzes späteres Leben nachhaltig fortwirkte.
Die Neigung für die darstellende Kunst der
Bühne war so genährt, daß Gotter selbst, nach Abgang
der erwähnten Gesellschaft von Göttingen, ein
Liebhabertheater errichtete und leitete, an dem er seine
Begabung praktisch und theoretisch zugleich üben lernte.
Nach vollendeten Studien 1766 nach Gotha zurückgekehrt,
wurde Gotter zweiter Geheimer Archivar und
durfte im folgenden Jahre den Freiherrn von Gemmingen
als Gesandtschaftssecretair nach Wetzlar begleiten.
In Wetzlar, wo er die Beschäftigungen mit den schönen
Künsten keineswegs aufgab, wurde Gotter der Antrag,
zwei jungen Edelleuten als Führer auf der Universität
zu dienen; er nahm denselben an und wählte mit Vorliebe
wieder Göttingen zum Ort seines Aufenthaltes
und eifrig fortgesetzter Studien. Dort begründete er
mit Boie den 1770 erschienenen Götting’schen Musenalmanach
nach dem Muster eines Pariser, und Kästner
unterstützte dabei lebhaft die Freunde; Gotter aber
wurde durch sein nicht ganz aufgegebenes dienstliches
Verhältniß nach Gotha, ehe noch der Almanach erschien,
zurückgerufen, bald aber fügte es sich, daß er abermals
in gleicher Eigenschaft, wie früher, nach Wetzlar entsendet
ward, und dort fand er jetzt zu seiner großen
Freude nicht nur die Ackermannsche Gesellschaft wieder,
sondern machte auch die Bekanntschaft Goethe’s und
Jerusalem’s, was auf Gotter den anregendsten und belebendsten
Einfluß übte, zumal er auch noch manche
Ludwig Bechstein: Zweihundert deutsche Männer in Bildnissen und Lebensbeschreibungen. Georg Wigand's Verlag, Leipzig 1854, Seite 149. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zweihundert_deutsche_M%C3%A4nner_in_Bildnissen_und_Lebensbeschreibungen.pdf/149&oldid=- (Version vom 14.9.2022)