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Geiler von Kaisersberg.
Geb. d. 16. März 1445, gest. d. 10. März 1510.


Die Poesie des Mittelalters war abgeblüht, die Prosa trat an ihre Stelle, und Didaktik und Rhetorik waren die Künste, in denen sich der wissenschaftlich strebende Geist des fünfzehnten Jahrhunderts am lebendigsten offenbarte. Unter den Meistern dieser Künste nahm Geiler von Kaisersberg eine der ersten Stellen ein. Von Geburt ein Schweizer, aus Schaffhausen, Sohn eines Notars, begründete er sich einen bedeutenden Ruf weit über seines Vaterlandes Grenzen. Die Grundlage seiner Erziehung wurde im Hause des Großvaters zu Kaisersberg gelegt, daher der später angenommene Beiname; dann besuchte Geiler das Gymnasium zu Freiburg und 5 Jahre lang die Hochschule zu Basel, und erlangte auf letzterer den Grad eines Doktors der Theologie, ohne jedoch einseitig und ausschließlich theologischen Studien sich hinzugeben. Die Humaniora bildeten seinen Geist aus, und gaben seinem Genius und seiner Beredsamkeit Flügel. Nach Freiburg zurückgekehrt, lehrte er dort ein Jahr lang Theologie, ging dann nach Würzburg, wirkte als Volksprediger und empfing daselbst einen Jahresgehalt von 200 Goldgülden.

Als Lehrer der Theologie wie als Volkslehrer und Prediger schlug Geiler die läuternde Richtung ein, und eiferte mit Strenge, wie mit der schwertscharfen Waffe der Satyre gegen die Gebrechen der Zeit und die Laster des Klerus. Mit vorahnendem Geiste prophezeite er, gleich jenem Eisenacher Mönch Johannes Hilten, daß Einer aufstehen werde, die Religion zu läutern und zu reformiren. Daß diese Richtung ihm den Haß der Pfaffheit zuzog, war nur naturgemäß, doch schadete dieser Haß ihm nichts; der Haß der Schlechten dient dem Tüchtigen zur Gesundheit. Geiler empfing 1478 durch den Senator Peter Schott einen Ruf als Domprediger nach Straßburg, und erbaute und belehrte im erhabenen Münster Erwins von Steinbach durch eine Reihe von zweiunddreißig Jahren seine Gemeinde. Vergebens versuchte man ihn nach Würzburg zurück zu locken. Zeitgenosse, Freund und Landsmann hochbegabter und hochbedeutender Geißler der menschlichen Thorheit, eines Sebastian Brant, eines Thomas Murner, eines Hans Holbein, welcher letztere zwar nicht mit Worten, aber