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Johann Fischart.
Geb. vor 1550, gest. um 1590.


Ein satyrischer Dichter von der höchsten und seltensten Eigenthümlichkeit, dessen Lebens- und Denkweise aber nur aus seinen Werken erkannt werden kann, denn über seine Lebensumstände kennt man äußerst wenig, trotz dem, daß er in einer Zeit schrieb und dichtete, von deren literarischen Genossen meist genügende Nachrichten vorhanden sind. Die älteren literaturgeschichtlichen Biographen übergehen ihn fast durchgängig, weil sie, wenn sie auch seine Schriften kannten, nichts über ihn zu sagen wußten, oder ihn nicht nennen mochten. Bis heute kennt man nicht einmal genau sein Sterbejahr, geschweige das seiner Geburt, und es wird vielleicht mehr einem glücklichen Zufall, als dem Fleiße der Forschung zu danken sein, wenn die Folgezeit noch befriedigende Aufklärungen über das verschollene Leben eines deutschen Dichters giebt, den man mit Fug den deutschen Rabelais nennen kann, zumal er diesen sich zum Muster genommen und durch ihn wohl zunächst die Anregung zu seiner die Sprache mit kühnster Freiheit behandelnden Schreibweise erhalten zu haben scheint.

Fischart soll zu Strasburg geboren sein, nach andern zu Mainz, weil er sich bisweilen auch Menzer (Mainzer) oder verkehrt: Reznem schrieb. Niemand weiß wo er studirte, wo er Doctor der Rechte wurde, es ist nur bekannt, daß er um da Jahr 1586 Amtmann in Forbach bei Saarbrücken war, an welchem Ort doch wohl in Archivacten oder Kirchenbüchern vielleicht noch näheres über ihn gesucht und gefunden werden dürfte.

In Johann Kischart sammelte sich all das satyrische Element, welches das deutsche Leben von dem Auftreten Heinrich’s von Alkmar, Sebastian Brant’s und Thomas Murner’s an kräftig durchpulste, und das in den Schöpfungen Holbein’s als Maler, Erasmus von Rotterdam, Dedekind’s und anderer seinen Nachhall gefunden hatte, zu sprudelndem Ausbruch. Sitte und Unsitte, Feinheit und Schmuz, Vers und Prosa wirbeln durcheinander. Was sein Vorbild Rabelais der französischen Sprache angethan, that Fischart der deutschen Sprache an; für ihn gab es kein Herkommen, keine Regel, er benutzte die Bieg- und Bildsamkeit der Sprache zu den tollsten oft widernatürlichen Ausrenkungen,