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Trionfans, die die Weisheit aus ihrer Höhle lockt. Was bedeutet einem Künstler, der so schöpferisch ist wie der Kritiker, sein Gegenstand? Nicht mehr und nicht weniger als dem Romandichter und dem Maler. Wie sie kann er seine Motive überall finden. Die Behandlung ist der Prüfstein. Es gibt nichts, was nicht Suggestivkraft in sich birgt oder zum Widerspruch herausfordert.

Ernst: Aber ist die Kritik wirklich eine schöpferische Kunst?

Gilbert: Warum sollte sie es nicht sein? Sie arbeitet mit einem Material und bringt das in eine Form, die zugleich neu und reizvoll ist. Was kann man von der Poesie mehr sagen? In der Tat möchte ich die Kritik ein schöpferisches Werk innerhalb eines schöpferischen Werkes nennen. Denn so wie die großen Künstler, von Homer und Aschylos zu Shakespeare und Keats, ihren Gegenstand nicht unmittelbar im Leben suchten, sondern ihn in Mythen, Legenden und alten Sagen fanden, so beschäftigt sich der Kritiker mit einem Material, das andere gleichsam für ihn gereinigt haben und dem schon die Form des Phantastischen und die Farbe beigemengt wurde. Ja noch mehr, ich möchte sagen, daß die höchste Kritik, da sie die reinste Form des persönlichen Eindrucks ist, in ihrer Art schöpferischer ist als das Werk des schaffenden Künstlers, da sie am wenigsten zu irgendeiner Norm, die ihr selbst fremd ist, Beziehungen eingeht und in der Tat ihr eigener Seinsgrund ist und, wie die Griechen es ausgedrückt hätten, ein Zweck an und für sich. Wahrhaftig, sie ist nie irgendwie durch die Ketten der Wahrscheinlichkeit eingeschnürt. Keine gemeinen Erwägungen der Wahrscheinlichkeit, die ein feiges Zugeständnis an die langweiligen