Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Fleurs du mal (1857) trotz des genialen Fluges des Verfassers, ein entehrendes Urteil traf. Und da Baudelaire die Contes extraordinaires und die Contes grotesques des berühmten Amerikaners Edgar Allan Poe übersetzt hat, wurden Baudelaire und Poe seine litterarischen Hausgötter, neben die mit der Zeit noch andere ältere oder jüngere gestellt wurden: Louise Ackermann, Barbey d’Aurévilly, Paul Verlaine, Ernest Hello und Villiers de d’Isle-Adam.

Der Verfasser von A Rebours lebt in der Stimmung, wie sie die Vorläufer der Romantik empfanden; er steht nicht weit entfernt von Henri Beyle, wenn es sich um die dauerndsarkastische Stimmung seiner Seele handelt, und nähert sich der Romantik Théophile Gautier’s und Gérard de Nerval’s, was seine Vorliebe für fremdländische Pracht und raffinierten Luxus betrifft. In der Bewunderung für das überirdisch-geheimnisvoll Spukhafte, wie es der Maler Odilon Redon und der Dichter Edgar Allan Poe zum Ausdruck bringt, steht er auf einem Niveau mit der französischen Romantik von 1830. Ein Deutscher, der gerade damals in Paris ein gewisses Aufsehen erregte, war unverschämt genug, Hoffmann zu bestehlen und unter seinem noch ganz unbekannten Namen, Loewe-Veimars, Le Violon de Crémone herauszugeben. Als dieser litterarische Betrug herauskam, zeigte Loewe-Veimars durchaus keine Verlegenheit, sondern gab bald darauf seine Contes d’Hoffmann heraus, die dieselbe Bedeutung für Gérard de Nerval und Théophile Gautier haben, wie Edgar Allan Poe für Baudelaire und Huysmans.[1]

Es herrscht in diesem Punkte zwischen Huysmans und den eifrigsten Vorkämpfern der jungen Romantik von 1830-1850 eine auffällige Übereinstimmung. Die Jugend von 1830 freilich war voll Lebenslust und Hoffnung. Die Jugend von 1880 dagegen scheint durch Unlust und Langeweile von einem Extrem ins andere getrieben worden zu sein. Die politischen Zustände von 1815-1830, die damit verbundenen gesellschaftlichen Leiden, enttäuschten manchen jungen Schwärmer, da man doch von der neuen Ordnung der Dinge nach der grossen Revolution die herrlichsten Folgen erwartet hatte.

Schon das Kaiserreich zeigt ein solches Beispiel von Enttäuschung in Étienne Pivert de Sénancour; geboren zu Paris 1770, von allen Leiden einer schwächlichen Jugend verfolgt, nach der Schweiz ausgewandert, schrieb er nach anderen Vorläufern seines Talentes sein Hauptwerk, den psychologischen Roman Obermann (1804), in welchem er ein ähnliches Einsiedlerleben beschreibt, wie Huysmans in A Rebours. Diese äusserliche Übereinstimmung ist bemerkenswert. De Sénancour gehört dem achtzehnten Jahrhundert an und steht unter den verzweifelten Franzosen seiner Zeit obenan, die als Emigrierte den Lauf der Begebenheiten in der Fremde mit heftigster Entrüstung abwartend verfolgen. Man hat ihn mit recht den Schöpfer des französischen Werther genannt. Aber in einem Punkte weicht Obermann entschieden von Werther ab; das Buch de Sénancour’s erzählt keine Liebesgeschichte, dagegen gibt es wie Werther gefährliche Anleitung zum Selbstmord. Wie A Rebours für Überreizte und Übersättigte, so war

  1. Über Loewe-Veimars gibt Maxime du Camp in seinen Souvenirs littéraires (1882), Tome I, p. 397-401, wichtige Mitteilungen. Es thut mir leid, Herrn Ary Prins (Nieuwe Gids I, 220, 1886) widersprechen zu müssen, wenn er sagt, Huysmans stehe ganz und gar nicht unter dem Einflusse der Romantik.
Empfohlene Zitierweise:
diverse: Zeitschrift für französische Sprache und Litteratur. Oppeln und Leipzig: , 1889, Seite 62. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:ZfSL_-_62.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)