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Wenzels Wahl, den Versuch gemacht hat, ein solches Prinzip zur Geltung und Anerkennung zu bringen. Überhaupt entsprach es nicht Karls Neigungen, prinzipielle Entscheidungen herbeizuführen; am wenigsten aber lag es in seiner Geistesrichtung, den Papst und die Kurie grundsätzlich von jeder Einwirkung auf die deutschen Dinge ausschließen zu wollen. Am deutlichsten zeigt das vielleicht neben seinem Verhalten bei der Wahl Wenzels das Mittel, durch welches er seinen Streit mit den Wittelsbachern um die Mark Brandenburg zur Entscheidung zu bringen gedachte. Nachdem die Wittelsbacher verschiedene Vorschläge Karls zu schiedsrichterlicher Entscheidung zurückgewiesen hatten, ersuchte er den Papst, die Kurfürsten oder deren Majorität durch apostolische Briefe unter Androhung der Exkommunikation zur Entscheidung der Streitsache durch ihren Urteilsspruch aufzufordern.[1] Gewiß erkannte auch hier Karl gemäß seinem früheren Verhalten die Kurfürsten als zuständig an, Fragen, welche das Kurrecht betrafen, durch Urteil zu entscheiden, doch war es wohl unerhört, daß der Kaiser das zuständige Organ des Reichs mit Hilfe der geistlichen Gewalt des Papstes zwingen wollte, in Tätigkeit zu treten. Ein derartiger schwerer Eingriff in die inneren Angelegenheiten des Reichs war bisher kaum von einem Papste unternommen worden, sicher aber hatte bisher noch kein deutscher Herrscher den Versuch gemacht, einen solchen Eingriff selbst herbeizuführen.

Wenden wir uns nunmehr von den allgemeineren politischen Tendenzen der Gesetzgebung zu den Einzelheiten der Verfassung, welche der Gesetzgeber durch die Goldene Bulle zu regeln beabsichtigte, so sieht da im Vordergrunde des Interesses die Frage: inwiefern wollte Karl IV. durch sein Gesetz eine neue Form der Königswahl schaffen, oder beabsichtigte er lediglich die vorhandene durch ihre Kodifikation zu befestigen? Die Formen der Königswahl finden wir seit der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts im steten Fluß, und erst nach der Goldenen Bulle tritt eine neue deutlich hervor, die sich bald fest abschließt und dauernd im Reiche bis zu dessen Ende behauptet. Gewöhnlich führt man

diese Form auf die Goldene Bulle selbst zurück. Doch bedarf


  1. (Riedel) Erwerbung der Mark Brandenburg durch das Luxemburgsche Haus, v. Kamptz gewidmet. Berlin 1840, S. 36.
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Karl Zeumer: Die Goldene Bulle Kaiser Karls IV. (Teil 1). Weimar: Hermann Böhlaus Nachfolger, 1908, Seite 198. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeumer_Die_Goldene_Bulle.pdf/216&oldid=- (Version vom 1.8.2018)