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bleiben sollte, so ist das mit der sonstigen Ignorierung des Vorbehalts Ludwigs des Älteren nur durch die Annahme zu vereinigen, daß jener Vorbehalt mit der Anerkennung Ludwigs des Römers als des allein zur Führung der brandenburgischen Kurstimme Berechtigten nicht für unvereinbar galt. Vereinbar aber war beides wohl nur so, daß man das Zugeständnis des jüngeren Bruders, einen König nur im Einverständnis mit dem älteren wählen zu wollen, nur als eine interne Hausangelegenheit betrachtete, welche an der Tatsache nichts ändern konnte, daß der jüngere Bruder nach außen hin allein als Inhaber der brandenburgischen Kurstimme galt. Die zahlreichen Konzessionen, welche Ludwig der Ältere gerade jetzt in anderen Dingen erhielt, mochten den Zweck haben, ihn von einer jener Auffassung seines Rechtes an der brandenburgischen Kur widerstreitenden Geltendmachung seines Anteils zurückzuhalten. Sie waren vielleicht der Preis, um welchen Ludwig der Ältere auf einen Einspruch gegen die feierliche Proklamation des alleinigen Kurrechtes seines jüngeren Bruders verzichtete. Diese war schon durch das Privileg und den Revers vom 3. Dezember vorbereitet, indem beide Aktenstücke von der stillschweigenden Voraussetzung ausgehen, daß nur Ludwig der Römer allein der zeitige Träger der Rechte und Pflichten eines brandenburgischen Kurfürsten sei. Das Kurfürstenweistum vom 7. Januar, gleichen Inhalts wie das gleichzeitige für Ruprecht den Älteren, erkannte ihn allein an und schloß jeden von dem Anspruch auf die Brandenburger Kur aus, der nicht im rechtmäßigen Besitze des Kurlandes Brandenburg war. Damit war jedem Versuch Ludwigs des Älteren, auf Grund des Luckauer Vertrages Ansprüche auf einen wirklichen Anteil am Kurrecht zu erheben, von vornherein der reichsgesetzliche Boden entzogen. War die Bestimmung jenes Vertrages über das Kurrecht mit der reichsgesetzlichen Regelung desselben wohl in Einklang zu bringen, wenn man sie auf eine nach außen gar nicht hervortretende, den Inhaber des Kurrechts nur privatim bindende Zustimmung Ludwigs des Älteren deutete, so stand dieselbe doch in Widerspruch mit der durch den Wahleid der Goldenen Bulle geforderten vollen Unabhängigkeit der Kurstimme. Doch lag vielleicht eine so strenge Interpretation der Auffassung jener Zeit fern, und außerdem konnte man über diesen Widerspruch leichter

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Karl Zeumer: Die Goldene Bulle Kaiser Karls IV. (Teil 1). Weimar: Hermann Böhlaus Nachfolger, 1908, Seite 163. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeumer_Die_Goldene_Bulle.pdf/181&oldid=- (Version vom 1.8.2018)