auf und löset das Band der Bruderliebe? Ihr haltet an dem vest, was euch nur geliehn ist, und schaudert, Unsterbliche, für dem Sterben?“
Er predigte Tauben; und nachdem jeder seinem Körper diente, nachdem vergaß er auch den Tod und setzte seinen Dienst fort.
Da Worte nicht halfen, griff der aufgebrachte Warner zu seinen Pfeilen. Hie und da lagen Leichen umher; er sah die traurige Niederlage und sprach: „Muß ich es ihnen also lehren? den Hohen demüthig seyn, den Sophisten schweigen, Neugierigen und Geizigen ihre Neugier und Habsucht begrenzen, Zornigen sich versöhnen, Wohllüstigen Schmerz fühlen, Wilden und Hartnäckigen nachlassen, nachgeben. Glücklich sind die Armen! sie werden reich; die Traurigen, sie werden getröstet; die Duldenden, sie werden gerächet; allen endlich, deren Leben Christus war, wird der Tod Gewinn.“
Johann Gottfried Herder: Zerstreute Blätter (Fünfte Sammlung). Carl Wilhelm Ettinger, Gotha 1793, Seite 73. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zerstreute_Blaetter_V.djvu/89&oldid=- (Version vom 1.8.2018)