Endlich bemerkte er von weitem einen einfach gekleideten, schlichten Mann; den suchte er mit großer Mühe zu ereilen. Ganz außer Athem trug er ihm sein Unglück vor, und wie wunderte sich der fremde Mann, da er alle diese verwegnen Vorschläge anhörte.
Bisher bist du irre oder gar rückwärts gegangen, sprach er; willt du mir aber folgen, mein Freund, so thue es und merke dir zu unsrer Reise nur die zwei Worte, viel und wenig.
Siehe viel; bewundre wenig. Höre viel; glaube wenig. Wisse viel; sprich wenig. Lies viel; schreibe wenig. Untersuche viel; behalte wenig. Dulde viel; billige wenig. Meide viel; fürchte wenig. Erwarte viel; hoffe wenig. Bedecke viel; haße, rüge, verlache wenig. Ueberlege viel; beschließe wenig. Laß viel zu dir; weniges liebe. Arbeite viel, befiel wenig. Bete viel; lehre wenig.“
Der Jüngling gehorchte und reisete glücklich.
Johann Gottfried Herder: Zerstreute Blätter (Fünfte Sammlung). Carl Wilhelm Ettinger, Gotha 1793, Seite 65. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zerstreute_Blaetter_V.djvu/81&oldid=- (Version vom 1.8.2018)