des alten und neuen Testaments, aus dem Gloria und Ave, aus Credo und Kyrie Alles gemacht, was die andächtige Tonkunst daraus machen konnte. Man gehe das Ritual der Griechischen und Römischen Kirche in diesem Gesichtspunkte durch; sie sind große Gebäude, ich möchte sagen, Labyrinthe des musikalisch-poetischen Geistes, in denen Geschichte und Lehren nur ihre kleinen Wohnungen haben. Propheten und Psalmen sind hin und wieder vortreflich gebrauchet, und über das Ganze ist ein Strom der Begeisterung, der lyrischen Fülle und eines so lauten Jubels verbreitet, daß, wenn man es auch nicht wüßte, man es mit grosser Gewalt fühlet: „eine, solche Anordnung sei nicht das Werk eines Menschen, sondern die Ausbeute ganzer Nationen und Jahrhunderte in verschiednen Himmelsstrichen und den mannigfaltigsten Situationen.“ Einem Dichter, der für die Kirche mehr als einzelne Lieder dichten will, sind diese Bücher zu studiren eben so unentbehrlich, als dem Tonkünstler, wer er auch
Johann Gottfried Herder: Zerstreute Blätter (Fünfte Sammlung). Carl Wilhelm Ettinger, Gotha 1793, Seite 304. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zerstreute_Blaetter_V.djvu/320&oldid=- (Version vom 1.8.2018)