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finden uns nämlich so ganz umringt von ungeheurer Macht und Uebermacht der Schöpfung, daß wir in ihr nur wie Tropfen im Ocean zu schwimmen scheinen; und wenn dies Gefühl über einen Gegenstand oder in einer Situation zur Sprache kommt, was kann es anders, als ein Ausdruck des Seufzers werden: „ungeheure Macht, erdrücke mich nicht! hilf mir!“ Die wildesten Nationen haben auf solche Weise Anläße zu Hymnen gezeigt; gesetzt, daß sie solche auch nur an ein mächtiges Thier, an einen ungeheuren Wasserfall oder Fels, an die Nacht, an Sonne, Mond und Sterne gerichtet hätten. Je mehr indeß der menschliche Verstand sich sammlet und gleichsam selbst begreift, desto mehr findet er in dieser ungeheuren Macht auch Regeln der Weisheit, einen Gang der Ordnung, der ihm dienen kann, und dem er dienen muß, mithin Gesetze der Güte und Milde. Sein Hymnus wird also immer beredter; er erzählt die wohlthätigen oder wunderbaren Eigenschaften der großen Schöpfung

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Johann Gottfried Herder: Zerstreute Blätter (Fünfte Sammlung). Carl Wilhelm Ettinger, Gotha 1793, Seite 296. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zerstreute_Blaetter_V.djvu/312&oldid=- (Version vom 1.8.2018)