sich auch ein solcher Roman (und ich wünschte, daß man sich um die in dieser Streitsache genannten Gedichte Mühe gäbe;) so bleibt meines Erachtens dem Alkmar oder wer der Verfaßer unsres Gedichts sei, immer noch sein ganzes Verdienst; er hat, da er übersetzte, wirklich gedichtet. Da ist auch keine Lücke, kein Zwang einer Nachahmung oder eines Erborgten sichtbar; die Scene des Gedichts liegt um den Verfaßer wie seine Welt da; jede Thierseele, ja der lebendige Lauf der Zeit hat ihn beseelet. In einem Jahrhundert, da Comines seine Geschichte schrieb, konnte ein andrer wohl auch Reinike den Fuchs schreiben; sie lebten auf einem Gipfel des Glanzes der Höfe, so wie auch politischer Ränke und Unterhandlung. Damals waren diese Dinge viel mehr in sinnlichem Anblick, als sie es jetzt sind; die Politik hat sich seitdem immer mehr in die Cabinetter verkrochen, die Charakter-Bestandheit einzelner Stände ist geschwächt, ja hie und da ausgelöscht worden. Zu unsrer Zeit kann kaum jemand mehr einen Reineke
Johann Gottfried Herder: Zerstreute Blätter (Fünfte Sammlung). Carl Wilhelm Ettinger, Gotha 1793, Seite 225. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zerstreute_Blaetter_V.djvu/241&oldid=- (Version vom 1.8.2018)