Verweis; Diebe, die drei Pfennige gestohlen haben, henkt man; über Trunkenbolde scherzt man; und wer etwas frei über den Staat spricht, wird der Stadt verwiesen. Offenbar sieht man also, daß die Obrigkeit für Staat und Moral nicht gleiche Sorge trage, daß die Geistlichen keinen andern Eifer haben, als gewöhnlicher maaßen zu predigen u. f. Die Obrigkeit gebraucht der Religion als eines Mittels, den Pöbel im Zaum zu halten; die Geistlichen, reich zu werden und hinaufzukommen –
A. Das Hinderte indeß die Guten nicht; und es wundert mich nur, daß bei uns deren weniger und diese Wenigen viel ungelehriger sind, als anderswo, wo die ganze Secte sich durch Känntniß und Uebung der Rechtschaffenheit auszeichnet.
Ich will dir aus einem uralten Codex etwas von den Waldensern vorlesen. „Alle, (sagt der Päpstler, der da schreibt,) alle, Männer und Weiber, Große und Kleine, lassen Tag und Nacht nicht ab, zu lernen und zu lehren. Der Handwerker,
Johann Gottfried Herder: Zerstreute Blätter (Fünfte Sammlung). Carl Wilhelm Ettinger, Gotha 1793, Seite 128. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zerstreute_Blaetter_V.djvu/144&oldid=- (Version vom 1.8.2018)