A. Giebt es einen größeren Lohn für Arbeiten und Gefahren, als daß diejenigen, die sie bestanden, im Tempel des Gedächtnißes und Nachruhms für die Ewigkeit dastehn und jedes edle Gemüth zur Nachahmung auffodern? daß sie, wie in die Zahl der Götter aufgenommen, den Studien aller Welt Gesetze geben?
B. Das, mein Freund, wars nicht, was jene edle Lichter suchten: denn im Gerücht der Menschen, in einem zweifelhaften Namenruhm fortzuleben, ist der Tugend das kleinste. Aber daß sie sich der menschlichen Irrthümer, die sie gewahr wurden, erbarmten, und mit edler Kühnheit dagegen Rettungsmittel suchten; daß wenn diese Mittel, statt mit Beifall aufgenommen zu werden, mit Schande verworfen wurden, diese Armen, nach langer Abmattung, betroffen und gereizt vom unheilbaren Uebel der Menschheit, ihre Bemühungen oft selbst verwünschen mußten, und unwillig die Erde verließen, das ists, was mir bei diesen Bildern einfällt.
Johann Gottfried Herder: Zerstreute Blätter (Fünfte Sammlung). Carl Wilhelm Ettinger, Gotha 1793, Seite 119. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zerstreute_Blaetter_V.djvu/135&oldid=- (Version vom 1.8.2018)