eben zu Vergleichung unsrer mit jener Zeit wollte ich Anlaß geben. Je schärfer diese geschieht, je rühmlicher sie für unsre Zeit ausfällt; desto besser. Nur verzeihe man mir, daß ich den alten Andreä in dies neue Licht nicht gemahlt habe. Einem Rembrandschen Kopf Titiansche oder Mengsische Farben zu geben, wäre ganz außer Zweck und Ort.
Also auch sein redliches christliches Herz konnte und wollte ich dem guten Andreä nicht ausreißen; und auch darüber wird kein Verständiger mich tadeln.
Im Ernst geredet. Nicht jeder in der Deutschen Nation lieset als Kunstrichter; nicht jeder Kunstrichter will alle Augenblicke seines Lebens so lesen. Gute Aepfel bricht man gern auch von einem alten, verwachsenen Baume, und genießt den Saft der Pommeranze, selbst wenn sie nicht eben unter der mildesten Sonne zur Reife gediehen wäre. Ja, (weil ich über Embleme auch emblematisch reden darf) oft, meine Brüder, ist das Halbe besser als das Ganze; und wenn diese
Johann Gottfried Herder: Zerstreute Blätter (Fünfte Sammlung). Carl Wilhelm Ettinger, Gotha 1793, Seite 89. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zerstreute_Blaetter_V.djvu/105&oldid=- (Version vom 1.8.2018)